Es klingt unglaublich: Für sagenhafte 100 Jahre überschrieb der damalige FIA-Präsident Max Mosley die Übertragungsrechte der Formel 1 an Bernie Ecclestones Unternehmensgruppe Formula One Group im Jahr 2001. Der Clou: Für den ab der Saison 2011 geltenden Vertrag wurden 370 Millionen Euro fällig.
Dem Deal war eine jahrelange Auseinandersetzung zwischen den Formel-1-Organisatoren und der Europäischen Union vorausgegangen. Ecclestone hatte mit seinem Verhandlungsgeschick der FIA die Vermarktungsrechte für Fernsehübertragungen und Rennen für umgerechnet rund 8 Millionen Euro abgeschwatzt, bei einem jährlichen Gewinn von über 250 Millionen.
Der EU gefiel das nicht. Sie schritt ein, um eine Monopolstellung zu verhindern. Ecclestone umging das Verbot: Er lieh sich die Rechte, statt sie zu kaufen, und machte trotzdem Gewinn. 370 Millionen für ein Jahrhundert bedeuten 3,7 Millionen pro Jahr. Allein RTL soll für eine Saison knapp 50 Millionen bezahlen, um die vermeintliche Königsklasse zu übertragen.
Die Begleitumstände sind typisch für den Briten: Gerüchten zufolge wurde Mosley eine hohe Summe für die Unterschrift geboten. Sicher ist: Ecclestone führte die vermeintliche Königsklasse des Motorsports daraufhin endgültig fast im Alleingang, lange unterstützt von seinem Kompagnon Mosley.
Goldenes Geschäft mit Brabham
Beide Protagonisten kannten sich schon lange vor den Millionen-Verträgen. Bereits in Ecclestones Zeit als Teamchef von Brabham arbeitete der gelernte Anwalt, langjähriger Freund und Trauzeuge bei Ecclestones dritter Hochzeit, als Rechtsbeistand für den kleinen Silberrücken.
Als Ecclestone das Mittelfeld-Team 1972 kaufte, begann umgehend sein kometenhafter Aufstieg. Nelson Piquet wurde 1981 und 1983 Weltmeister, selbst sein früherer Fahrer Niki Lauda warnte: "Man sollte niemals den Fehler machen, Ecclestone zu unterschätzen." Er sei der perfekte Geschäftsmann.
Dass diese Aussage nicht allzu weit hergeholt ist, zeigt folgende Tatsache: Ecclestone legte beim Kauf von Brabham 120.000 US-Dollar auf den Tisch. Beim Weiterverkauf 15 Jahre später erhielt der Engländer ganze 5 Millionen US-Dollar. Das entspricht einer über 40-fachen Wertsteigerung.
Dubiose Praktiken als Autohändler
Ecclestone bewies seinen Geschäftssinn jedoch schon viel früher. So wickelte der 1930 in Ipswich geborene Sohn eines Fischkutterkapitäns bereits mit elf Jahren erste unternehmerische Tätigkeiten ab: In den umliegenden Bäckereien kaufte er Brötchen, um diese dann mit 25 Prozent Aufschlag auf dem Schulhof anzubieten.
Ohne Abschluss brach er seine Ausbildung schließlich ab und zeigte sofort, dass er kein Problem mit dubiosen Geschäftspraktiken hat. "Ich kam nicht zurecht mit Ecclestones Geschwindigkeit und seinen Geschäftsmethoden", sagte sein ehemaliger Geschäftspartner, mit dem er nach der Schulzeit Autos und Motorräder verkaufte. Manipulierte Kilometerstandzähler sollen an der Tagesordnung gestanden haben, überhöhte Verkaufspreise waren standard.
Mäßige Rennfahrerkarriere
Nebenbei versuchte sich Ecclestone mit äußerst dürftigem Erfolg als Rennfahrer. Bei beiden Versuchen in der Formel 1 verpasste er die Qualifikation. "Mir wurde klar, dass ich nicht das Risiko eingehen wollte, den Rest meines Lebens im Bett zu liegen, weil ich mir das Rückgrat gebrochen hatte", erklärte der knapp 1,60 Meter kleine Brite seine anschließende Konzentration aufs Business.
Er übernahm das Connaught-Team, für das er selbst fuhr, zur Saison 1957 und wurde Manager von Stuart Lewis-Evans, der bei 14 Formel-1-Rennen an den Start ging. Als dieser bei einem Rennunfall tödlich verunglückte, hatte der tief getroffene Ecclestone aber vorerst genug vom Motorsport und verkaufte Connaught.
Erst Jahre später näherte sich Bernie wieder dem Rennsport und übernahm das Management des späteren Formel-1-Weltmeisters Jochen Rindt. "Jochen war ein Freund. Ich habe mich um seine Angelegenheiten gekümmert", beschrieb Ecclestone nach dessen tragischem Unfall-Tod im Jahr 1970 die Beziehung der beiden Männer.
"Unorganisierter Sauhaufen"
Dem Aufstieg des Mister E machte dieser Schicksalsschlag jedoch keinen Abbruch. Er wollte mehr. Die Formel 1 bis in die 70er-Jahre war im Vergleich zu heute eine wilde, wenig strukturierte Rennserie. Hans-Joachim Stuck, Präsident des Deutschen Motor Sport Bundes und früherer selbst für Ecclestone in der Formel 1 unterwegs, sprach im Rückblick gar von einem "unorganisierten Sauhaufen". Das finanzielle Potenzial der Königsklasse des Motorsports übersahen die Verantwortlichen.
Nicht so Ecclestone: Der Brite mit Schuhgröße 38 erkannte den wirtschaftlichen Wert der Formel 1 - vorausgesetzt, es würde an den richtigen Schrauben gedreht. Ecclestone tat das. Eine seiner ersten Amtshandlungen nach dem Kauf von Brabham war die Gründung der Konstrukteursvereinigung FOCA im Jahr 1971. Mosley war als Rechtsbeistand tätig.
Mithilfe der FOCA agierte Ecclestone im Auftrag der englischen Teams und verhandelte für diese erstmals gemeinsame Antrittsgebühren. Zuvor tat dies jedes Team einzeln, wodurch das große Geld nur an die jeweiligen Veranstalter ging. Durch seine Tätigkeit rettete Ecclestone einerseits die Teams vor dem Bankrott, andererseits sicherte er sich Provisionen von bis zu acht Prozent.
Damit nicht genug. Nachdem er Geschäftsführer der FOCA geworden war, kaufte Ecclestone den Veranstaltern die Austragungsrechte für die Grands Prix ab und vermarktete mithilfe des 1981 geschlossenen Concorde Agreements die Rechte für die TV-Übertragungen.
FOCA-FISA-Krieg
Diesem Abkommen war ein erbitterter Kampf zwischen der FOCA und der FISA, einer Unterorganisation der FIA, vorausgegangen. Die FISA veranlasste unter der Leitung ihres Präsidenten Jean-Marie Balestre zu Beginn der 80er-Jahre wiederholt Regeländerungen, die die FOCA-Teams benachteiligten. Ecclestone drohte im Gegenzug seinem Rivalen mit Boykotts der englischen Teams. Balestre ließ sich davon wenig beeindrucken und hielt an seinem Kurs fest, ehe die Situation beim Großen Preis von San Marino 1982 eskalierte.
Die FISA disqualifizierte aufgrund eines Regelverstoßes beim vorangegangenen Rennen den Brabham von Piquet sowie den Williams von Keke Rosberg, was die FOCA wiederum als Provokation ansah. Alle englischen Teams boykottierten unter Ecclestones Anleitung das Rennen in Imola, wodurch nur sieben Teams an den Start gingen - darunter Renault, Alfa Romeo und Ferrari, die allesamt die FISA unterstützten.
Nachdem jedoch - auf Initiative von Enzo Ferrari - alle Seiten ihre Unstimmigkeiten bei einem Treffen ausräumten, unterzeichneten die Verantwortlichen das Concorde Agreement. So musste sich auch Balestre seinem Erzfeind Ecclestone geschlagen geben.