Jules Bianchi lächelt, er strahlt, schließt Menschen in die Arme, die ihm wichtig sind, seine Familie, die Männer in den Marussia-Hemden. Er nimmt die Schulterklopfer und Glückwünsche wie ein Sieger entgegen, weil er sich wie ein Sieger fühlt. "Auch wenn es für andere nicht so viel bedeutet, für uns ist dieser neunte Platz wie ein Sieg", lässt der Franzose die Welt wissen an diesem 25. Mai 2014, als sein Stern in der Formel 1 endgültig aufgegangen zu sein schien.
Geblieben sind nur die Bilder, die Videos, die Erinnerungen an die Fahrt von Rang 21 auf neun, an die ersten Punkte für Fahrer und Rennstall. All jenen, die sich damals mit und für Bianchi freuten, fällt es in diesen Tagen besonders schwer, an die Momente des Glücks zu denken. Denn sie sind weit weg. Jules Bianchi liegt seit seinem schweren Unfall am 5. Oktober 2014 in Japan im Koma, seine Zukunft, die vor einem Jahr so hoffnungsvoll schien, ist mehr denn je ungewiss.
"Er kämpft immer noch"
Vor rund einem Monat hatte sich zuletzt Vater Philippe Bianchi zum Zustand seines Sohnes, der im Krankenhaus seiner Heimatstadt Nizza liegt, geäußert. "Er kämpft immer noch - wie er es schon immer gemacht hat", sagte Philippe Bianchi. Sein Sohn absolviere "jeden Tag einen Marathon".
Medizinisch gebe es nicht viel zu berichten, die Fortschritte seien minimal. "Sein Zustand ist weiter stabil. Es gibt keine körperlichen Probleme. Alle Organe arbeiten normal ohne Unterstützung. Aber er ist weiterhin bewusstlos im Koma", sagte Bianchi.
Philippe Bianchi bestätigte, dass die ungewisse Situation Familie und Freunden schwer zusetzt. "Wird er es denn überstehen? Und wenn ja, wird er behindert sein oder wieder normal leben? Ich kann nur sagen, dass einen so ein Unfall schwerer trifft als ein schneller Tod. Das Leiden hat kein Ende. Es ist eine tägliche Qual", sagte Bianchi senior.
In der schweren Zeit steht die gesamte Familie dem 25-Jährigen bei und besucht ihn so oft es geht am Krankenbett. Dort sehen sie "von Zeit zu Zeit, dass etwas passiert. Manchmal ist er aktiver und bewegt sich. Seine Hand schließt sich um unsere. Aber sind das Reflexe oder echte Reaktionen? Es ist schwer zu sagen", sagte Bianchi.
"Ohne ihn wären wir nicht hier"
Ab Donnerstag wird in Monte Carlo auch Bianchis Rennstall Manor-Marussia wieder am Start sein - vor allem wegen Jules Bianchi. "Ohne ihn wären wir nicht hier, ohne ihn hätte dieser Rennstall nicht überlebt", sagte Sportchef Graeme Lowdon zuletzt immer wieder.
Vor einem Jahr hatte Superstar Fernando Alonso seinem Freund zum Durchbruch gratuliert, dessen Leistung "fantastisch" genannt und von einer großer Zukunft gesprochen. Bianchi selbst hatte betont: "Ich fühle mich bereit für ein Top-Team."
In dieser Saison sollte der Ferrari-Nachwuchsfahrer eigentlich den nächsten Schritt machen, ein Cockpit bei Sauber war im Gespräch. Doch alle Pläne endeten im Regen von Suzuka. Bianchi kam von der nassen Piste ab, raste unter ein Abschleppfahrzeug und erlitt schwerste Kopfverletzungen. Seitdem bangt die Formel 1 um einen der ihren - und erinnert sich jeden Tag aufs Neue.