Bis zu seinem Tod in Imola startete Senna 161 Mal in ein Formel-1-Rennen und kam dabei auf 41 Siege. Hamilton steht bisher bei 160 Starts und 40 Siegen. Dass der Engländer die Marken an diesem Wochenende nicht egalisiert, wäre eine größere Überraschung, als wenn er sie einstellt.
"Lewis ist derzeit unschlagbar", stellte selbst Niki Lauda zuletzt fest.
Setzte ihn Teamkollege Nico Rosberg im Vorjahr an jedem Samstag unter Druck und entschied das Mercedes-interne Qualifying-Duell deutlich für sich, ist der amtierende Weltmeister in diesem Jahr unantastbar.
Bei elf von zwölf Saisonrennen stand Hamilton auf Startplatz 1. Nur in Barcelona war Rosberg besser. Das letzte Rennen in Monza gewann der Weltmeister mit unglaublichen 25 Sekunden Vorsprung und feierte den zweiten Grand Slam seiner Karriere aus Pole, schnellster Rennrunde und Start-Ziel-Sieg.
Die Wandlung zum Unbesiegbaren
Warum Hamilton plötzlich in einer anderen Dimension fährt? Weil er sich ein weiteres Mal neu erfunden hat.
Als er zur Saison 2013 Michael Schumacher bei den Silberpfeilen ersetzte, nahm sich Niki Lauda seiner Optimierung an. Die Ratschläge des dreimaligen Weltmeisters aus Österreich veränderten den Briten.
Hamilton konzentrierte sich auf den Rennsport. Bei den Grands Prix verzichtete er auf die Begleitung durch seine damalige Lebensgefährtin Nicole Scherzinger, auch seine Hunde mussten mit Babysittern Vorlieb nehmen.
Sportlich ging der Plan mit dem Weltmeistertitel 2014 auf. Doch Hamilton war das nicht genug.
Ausnahmeerscheinung Hamilton
"Ich bin in einer sehr experimentellen Phase meines Lebens. Ich mag es, neue Dinge zu probieren - ob es mein Stil, Restaurants oder was auch immer ist", erklärte er in seiner BBC-Kolumne vor dem Monza-Rennen.
Hamilton ist zur Ausnahmeerscheinung geworden. Vom Toptalent hat er sich zum Rockstar entwickelt - und verkauft damit das Produkt Formel 1 an die junge Zielgruppe, die kein anderer Fahrer erreicht. Hamiltons Marketing-Potenzial ist größer als das der gesamten Wettbewerber.
Während seine Konkurrenten sich ausschließlich als professionelle und verantwortungsbewusste Sportler präsentieren, macht der Weltmeister aus seiner Zugehörigkeit zum Jetset kein Geheimnis. Er spielt öffentlich mit dem Image des schillernden Draufgängers.
Karneval mit Rihanna auf Barbados, MTV Music Awards oder ein Auftritt in einem New Yorker Nachtklub beim Besuch der Fashion Week an der Seite von Kendall Jenner. Wo die Sternchen des Showbusiness sind, ist der Mercedes-Star nicht weit. Die Neuerung dabei: Hamilton lässt sich von den Reaktionen nicht beeinflussen.
"Bin mit mir im Reinen"
"Bis zu diesem Jahr hat es mich interessiert, was die Leute gedacht haben. Und ich habe versucht, eher ihren Erwartungen als meinen zu entsprechen", sagt er: "Aber im Winter bin ich 30 geworden und an einen Punkt gekommen, an dem ich mit mir im Reinen bin."
Sein Arbeitgeber hat mit den Änderungen kein Problem, schließlich verkörpert Hamilton die Attribute der Luxussportwagen, während Rosberg die klassischen Mercedes-Kunden anspricht.
F1-Erfolg oberste Priorität
"Ich würde nie eine Entscheidung treffen, wenn sie schädlich für meine Performance im Auto wäre. Sie hat die höchste Priorität", betont er: "Ich genieße dieses Jahr sicher sehr und ich habe eine gute Balance zwischen allen Aspekten meines Lebens gefunden. Es fühlt sich an, als wäre ich zuvor zwischen den Extremen gewechselt."
So professionell Hamilton seine Selbstvermarktung als Rennen fahrender Mode-Enthusiast mit Musik im Blut auch umsetzt, Fettnäpfchen findet er ebenso.
Zum Belgien-GP sorgte er für Aufsehen, als er mehrere Videos seines Sommerurlaubs auf Instagram veröffentlichte. Ein Clip trug den Titel "Zielübungen". Hamilton ballerte fröhlich mit einem Maschinengewehr. Das Video verschwand wieder, noch bevor sich ein größerer Disput entwickelte.
Mercedes lässt Hamilton freie Hand
Die Inszenierung seines Rockstar-Daseins mag eine Gratwanderung sein, da er aber Grenzen nur in Ausnahmefällen überschreitet, bremst ihn sein Arbeitgeber nicht. Schließlich beflügelt sie seine Leistung auf der Rennstrecke.
"Ich habe kein Geheimnis, der Speed ist etwas ganz Natürliches. Mein Talent ist ein Geschenk Gottes", meint Hamilton. Doch stimmt das? Dass Hamiltons Art des Rennfahrens ebenso risikofreudig ist wie sein Modegeschmack, ist bekannt. Doch die Charaktereigenschaft wirkt sich sogar auf die Setupwahl aus.
"Er will, dass das Auto ausschließlich auf die Vorderachse ausgerichtet ist", verriet Bremsenlieferant Brembo zuletzt: "Das einzige Limit, das Hamilton kennt, ist laut den mit ihm arbeitenden Ingenieuren die maximale Temperatur der Bremse."
Er blockiere zwar oft die Räder, sei aber extrem reaktionsfähig und kontrolliere die Verzögerung, nachdem er den maximalen Grip der Reifen gefunden habe. "Seine Art, über jeglichem physikalischen Limit zu fahren, bewirkt einen wahrhaft spektakulären Stil."
Dritter Weltmeistertitel ohne Fehler sicher
Das gelingt dem 30-Jährigen in der Saison 2015 besser als jemals zuvor. Schon sieben Rennen vor dem Ende der Saison kann Rosberg als erster Verfolger den WM-Titel nicht mehr aus eigener Kraft einfahren.
"Ich befinde mich gerade auf einem Höhenflug und werde alles für meinen dritten Sieg hier in Singapur geben", sagt Hamilton, der das Stadtrennen bereits 2009 und 2014 von der Pole Position für sich entschied.
"Die letzten Jahre waren die besten meines Lebens", erklärte er nun Sky Sports News HQ und zeigte sich demütig ob der Perspektive schon beim Auftakt der Mini-Asientour mit Senna gleichzuziehen.
"Seit ich ein Kind bin, wollte ich das erreichen, was Ayrton geschafft hat", so Hamilton, der in Italien nur langsam begriffen hatte, wie nah er seinem Idol inzwischen gekommen ist: "Es fühlt sich großartig an, ich bin dankbar, diese Chance zu bekommen. Wenn ich das dieses Wochenende erreichen würde, wäre das sehr emotional."
Die Formel-1-Saison 2015 im Überblick