Mad Max, Haifisch, Klempnermeister

Alexander Maack
25. Februar 201619:01
Sebastian Vettel und Nico Rosberg lieferten sich beim Test ein rundenlanges Duellgetty
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Vier Testtage in Barcelona haben die Formel-1-Teams hinter sich gebracht. Ferrari bestimmte die Schlagzeilen mit Bestzeiten. Wirklich beeindruckend sind aber Mercedes' Marathon verbunden mit Designideen, Haas' Debüt und Manors Fortschritt.

Die Dauerbrenner: Mercedes spulte das typischste aller Testprogramme ab. Erster Tag: Auto zum Laufen bringen. Funktionierte ganz gut. Weltmeister Lewis Hamilton umrundete den Circuit de Catalunya ganze 156-Mal. Daniel Ricciardo kam als zweitfleißigster Fahrer gerade mal auf 87 Runden - knapp mehr als die Hälfte des silbernen Marathons. Nico Rosberg setzte am Folgetag noch einen drauf und fuhr 172 Runden - 800 Kilometer. Zweizweidrittel Renndistanzen!

Der W07 lief so zuverlässig, dass Mercedes reagierte und seinen Plan umstellte: Um Überlastungen zu verhindern, mussten beide Fahrer sich abwechseln. Insgesamt kamen die Silberpfeile auf über 3000 Kilometer und damit mehr als zehn Renndistanzen an vier Tagen. "Wenn die mal die Sau rauslassen, werden sie noch stärker sein als 2015", prophezeite Fernando Alonso. Die Kundenteams unterstützten das zu diesem Zeitpunkt wichtige Datensammeln immens: Die Mercedes-Teams fuhren schon an den ersten beiden Tagen zusammen mehr als doppelt so viele Kilometer wie die Konkurrenten mit ihren aktuellen Motoren.

Die Zeitenjäger: Ferrari fuhr Mercedes um die Ohren. So oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen. Und wirklich: Für die radikalen Änderungen am SF16-H mit der komplett neuen Vorderradaufhängung und Restauration der Antriebseinheit waren Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen wirklich schnell unterwegs. "Es ist schon jetzt ein besseres Auto als das, was wir im letzten Jahr hatten", sagte der Iceman. An den drei er vier Tagen stand ein Ferrari-Fahrer ganz oben im Klassement.

Aussagekräftig sind die Zeiten aber nicht. Zur Erinnerung: Auch beim Testauftakt zur Saison 2015 lag Ferrari an den ersten beiden Tagen deutlich vor Mercedes. Die Silberpfeile fuhren in den letzten Tagen die drei weichsten Reifenmischungen überhaupt nicht.

Nico Hülkenberg bewertete seine absolute Bestzeit auf der superweichen Reifenmischung am dritten Tag folgerichtig: "Wir haben heute unser Limit mehr getestet als andere", so der Deutsche: "Es gibt jetzt keinen Grund, überbegeistert zu sein. Es ist zu früh für Schlussfolgerungen."

Interessanter waren die Zeitsprünge im hinteren Bereich. Pascal Wehrlein setzte am zweiten Tag im neuen Manor seine Bestzeit bei 1:25,925 Minuten - nur so zum Vergleich: 1:31,125 Minuten von Will Stevens war die absolute Manor-Bestzeit beim letztjährigen Spanien-GP.

Die Problemkinder: Das neue Renault-Werksteam hat die Probleme von Lotus übernommen. Die Truppe aus Enstone kam in Katalonien anfangs überhaupt nicht ins Rollen. Neu-Einsatzfahrer Jolyon Palmer war angefressen. "Ein bisschen Rauch aus dem Heck, Tag beendet, Motorwechsel", fasste der Brite zusammen. 37 Runden an Tag 1, 42 an Tag 2, dann übernahm Teamkollege Kevin Magnussen.

"Ich hoffe, Kevin macht viel mehr Runden. Wenn nicht, hatten wir einen richtig schlechten Start", sagte Palmer. Sein dänischer Teamkollege brachte es immerhin an beiden Tagen bis zur Zielmarke von je über 100 Runden. Nur: Neben der fehlenden Zuverlässigkeit geht den Rennern aus Enstone auch die Schnelligkeit ab. Es kündigt sich ein ganz hartes Jahr an.

Nachdem Team Enstone erst im Dezember übernommen wurde, ist das kein Wunder. "Sie kennen die Situation, die Lotus damals hatte - es war ein Albtraum für jeden. Wir müssen jetzt ein Langzeitprojekt aufbauen", machte Renndirektor Frederic Vasseur wenig Mut. Aktuell sieht es so aus, als würde das Renault-Werksteam mit Sauber um die letzten Plätze kämpfen.

Die Blitzstarter: Wie schwer es ist, ein neues Projekt in der Formel 1 zu etablieren, haben zahlreiche Versuche der letzten Jahre bewiesen. McLaren-Honda blamierte sich in der Saison 2015. Caterham und HRT sind tot. Marussia überlebte nur dank einem neuen Investor. Umso erfreulicher ist der Einstieg von US-Motorsportenthusiast Gene Haas mit seinem neugegründeten Team.

Am vierten Testtag absolvierte Esteban Gutierrez die erste Rennsimulation. Ein Ausrufezeichen. Schon zuvor kreiste der VF-16 zuverlässig um den Kurs. "Es scheint, als hätten wir eine gute Grundlage", sagte der Mexikaner. Dass Romain Grosjean am ersten Tag der Frontflügel abbrach, ist zu vernachlässigen. Haas' Kooperation mit Ferrari zahlt sich aus. Das Team ist vom ersten Moment an zuverlässig unterwegs. Punkte beim Saisonauftakt sind ein realistisches Ziel.

Die Berg-und-Tal-Fahrer: Auf die Zuverlässigkeit bezogen war Barcelona für viele Teams ein riesiger Fortschritt. McLaren-Honda kam am ersten Tag mit Jenson Button auf 84 Runden, am zweiten Tag mit Fernando Alonso auf 119 Runden. Im Vorjahr war das Traditionsteam in Jerez im selben Zeitraum auf katastrophale 38 Umläufe gekommen.

Trotz des Fortschritts: Hondas Probleme sind noch nicht überwunden. Nachdem der MP4-31 an den beiden ersten Tagen jeweils mehr als eine Renndistanz absolviert hatte, streikte danach wieder die Technik. Fahrer und Team beklagen sich zudem noch immer über fehlende Leistung.

Die Rohrverleger: Die Formel 1 wird 2016 lauter. Dafür sorgen zusätzliche Auspuffrohre. Die Abgase des Wastegate-Ventils wurden bisher einfach ins einfache Ofenrohr zurückgeführt, jetzt gibt es dafür separate Kanäle. Das Vorhaben funktioniert, die Autos klingen wesentlich aggressiver als noch im Vorjahr.

Technisch interessant war, wie die Teams auf die neuen Regeln reagieren. Sie dürfen auswählen, ob sie ein Wastegate-Rohr oder zwei zusätzlich zum Hauptauspuff verlegen. Es besteht die Möglichkeit, die Luftführung im Heck minimal zu beeinflussen. Entscheidender als der Aerodyamik-Gewinn durch die Abgase ist aber das Packaging, das störungsfreie Verlegen der Rohre unter den Abdeckungen.

Mercedes' Bargeboards erinnern an Mad Maxxpb

Renault ist zwar das einzige Team, dass auf die Single-Variante setzt - übrigens im Gegensatz zu Red Bull - trotzdem sind die Unterschiede bei den restlichen Konkurrenten auffällig. Mercedes hat die Anordnung im Stile einer Schrotflinte gewählt, Ferrari setzt seine Rohre weiter auseinander, bei Williams haben sie den größten Abstand. Gut oder schlecht gibt es dabei allerdings nicht. Es kommt darauf an, wie die zusätzliche Luft ins Gesamtkonzept passt.

Die Mad-Max-Männer: Mercedes ging ziemlich radikal vor. Schon am zweiten Tag überraschte die Brackley-Truppe mit neuen Barge Boards. Sie leiten die Luft auf Höhe des Cockpits um die Seitenkästen herum. Bisher gab es ein Blech pro Seite. Mercedes schraubte stattdessen ein Konstrukt aus sechs Streben im Mad-Max-Stil dran. Sie sind an Planken aufgehängt, die aus dem Unterboden herausragen. Die Idee ist, die Luft noch besser zu kanalisieren. Mercedes spaltet seine aerodynamischen Hilfsteile mit Vorliebe auf, um den Strom wirkungsvoll zu manipulieren.

Sharknado! Mercedes' Hai-Maul scheint zu grinsenxpbDeshalb ist die am Donnerstag erstmals montierte Nase ebenfalls interessant. Sie weist einen ungewöhnlichen S-Schacht auf, der durch die Lackierung wie ein Haifischmaul aussieht. Dieses System hilft, den Luftstrom unter und über der Nase zu bereinigen. Ferrari führte das System in der Saison 2008 ein, McLaren und Red Bull sind Vorreiter der Technik, mittlerweile nutzen es aber fast alle Teams.

Was Mercedes' S-Duct, bei dem die Luft unter dem Auto gesammelt und dann durchs Chassis nach oben geleitet wird, besonders macht, ist die Positionierung des Einlasses. Er liegt direkt hinter der Nase und damit weiter vorn als bei der Konkurrenz. Und: Mercedes baute gleichzeitig einen neuen Frontflügel an, der die Luft in eine andere Richtung verwirbelt. Die Halterungen zur Nase sind eingedreht, die Wirbelerzeuger unter dem Chassis wurden deshalb ebenso angepasst und zerklüftet.

Williams hat sich einen Ersatz-Beam-Wing gebasteltgetty

Die Trickser: Vor der Saison 2014 wurde in der Formel 1 der Beam Wing verboten, das untere Heckflügelelement. Die Teams sollten so weniger Abtrieb generieren. Die Idee hat funktioniert, trotzdem suchen die Ingenieure seitdem nach Möglichkeiten, den Verlust auszugleichen. Während McLaren vor der Saison 2014 seine Radaufhängung zu Blockern umwandelte, die wie ein Beam Wing wirken sollten, hat nun Williams ein neues Design entwickelt.

Ein Teil der Motorenabdeckung verläuft wie ein Extraflügel über das Auspuffendrohr. Der zusätzliche Abtrieb dürfte Williams' größtes Problem des Jahres 2015 vermindern: Obwohl das Auto auf Highspeedstrecken dem Werks-Mercedes Konkurrenz machte, war der Williams in langsamen Kurven zu weit weg. Es fehlte der Abtrieb.

Die Formel-1-Saison 2016 im Überblick