Lampenfieber vor der Generalprobe war bei Lewis Hamilton nicht zu erkennen. Die Konkurrenz bereitete sich akribisch auf die letzten Testfahrten vor, da erlaubte sich der Weltmeister noch einen schnellen Wochenend-Trip nach Hollywood.
Auf zwei Oscar-Partys genoss Hamilton die Gesellschaft von Preisträger Leonardo DiCaprio, ließ sich mit Model Naomi Campbell ablichten, schickte Fotos um die Welt - und strahlte eben jene Gelassenheit aus, die Mercedes sich drei Wochen vor dem Saisonstart erlauben kann.
Von Dienstag bis Freitag probt die Formel 1 in Barcelona ein letztes Mal den Ernstfall, und auf dem Circuit de Catalunya richten Sebastian Vettel und Co. ihre bangen Blicke auf die Silberpfeile. Denn wenn Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff für die kommenden Tage "einen Schritt in Richtung Rundenzeit" ankündigt, bedeutet das nur eines: Nach den eindrucksvollen Marathon-Tests der vergangenen Woche geben die Weltmeister nun erstmals richtig Gas. Nicht nur Vettel und Ferrari droht damit die große Ernüchterung.
"Der beste Test, den ich je miterlebt habe"
"Wir sind in vieler Hinsicht unserer Zeit voraus", sagt Hamiltons Teamkollege, Vizweltmeister Nico Rosberg: "Wir wissen, wo wir stehen, das Auto ist schnell, der Fortschritt erkennbar." Die Jagd nach der schnellsten Runde hatte Mercedes in der vergangenen Woche noch Vettel überlassen, Hamilton und Rosberg konzentrierten sich auf Rennsimulationen, Startübungen und Aerodynamik-Tests.
Mehr als 3100 km absolvierte der neue W07 ohne größere Probleme, das sind mehr als zehn Renndistanzen und mehr als Mercedes selbst erwartet hatte. Toro Rosso, zweiter im Kilometer-Ranking, überwand gerade einmal die 2000er-Marke.
"Die Zuverlässigkeit des Autos in dieser frühen Phase ist unglaublich", sagt Hamilton, "es fühlt sich stark an, und es läuft und läuft und läuft. Das war der beste Test, den ich je miterlebt habe." Schon jetzt hat Mercedes damit einen großen Vorsprung. Die Möglichkeiten, vor dem Saisonstart in Melbourne (20. März) Fehler zu identifizieren, sind nun mal begrenzt, "und wir haben schon Dinge gefunden, die nicht funktioniert haben", sagt Rosberg: "Die hätten wir nach 2000 km nicht entdeckt, das wird uns helfen."
"Müssen sofort siegfähig sein"
Ist der neue Silberpfeil den Verfolgern nun auch bei der Zeitenjagd wieder deutlich voraus, droht die nächste Saison ganz im Zeichen des Sterns. Nach zwei Jahren der Dominanz wäre das für die kriselnde Formel 1 eine sehr schlechte Nachricht. Jeder außerhalb des Mercedes-Universums hofft daher vor allem auf Vettel und Ferrari, und die Scuderia kämpft mit aller Macht um den Anschluss.
"Vom ersten Rennen an müssen wir siegfähig sein", forderte Ferrari-Chef Sergio Marchionne. 2007 holten die Roten den bislang letzten Fahrertitel, eine Dekade ohne WM-Sieg wäre "eine Tragödie", sagt er.
Ob Ferrari 2016 aber tatsächlich zum echten Herausforderer werden kann, das bleibt abzuwarten. Zweifellos hat auch die Scuderia gute Arbeit geleistet. Vettel fühlt sich nach den ersten Tests als "Kapitän, das Auto macht was ich sage". Der neue SF16 ist schnell, er ist ein Schritt nach vorne - weitere Erkenntnisse werden die kommenden Tage liefern. Von Nervosität bei Mercedes keine Spur.
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