Der Formel 1 steht vor einer neuen Ära: Nach drei Jahren reinem Feintuning wurde das Reglement für 2017 sowohl technisch als auch sportlich gehörig umgekrempelt. Doch was ändert sich konkret? SPOX klärt auf.
Technisches Reglement
In den letzten Jahren war Detailarbeit angesagt. Um Änderungen am Design der Autos zu erkennen, musste man schon genauer hinsehen. Nun folgt der Cut: Mit einer "Macho-Kur" soll die Formel 1 wieder brachialer aussehen, deutlich schneller werden und an alte Zeiten erinnern.
Design: Das Motto der neuen Formel-1-Boliden? Breite! Breite! Breite! 20 Zentimeter gewinnen die Chassis links und rechts insgesamt dazu, maximal zwei Meter Breite macht das im Ganzen. Auch Front- (15cm) und Heckflügel (20cm) werden breiter. Zwischen Vorder- und Hinterachse dürfen von nun an 1,60 Meter Platz sein. Darüber hinaus wird der Heckflügel deutlich tiefer angebaut. Alles für ein aggressiveres Aussehen.
Auffällig am Design der neuen Autos ist zudem die Rückkehr der Heckflosse. Das Aero-Teil ist auf allen Autos der jüngsten Generation zwischen Airbox und Heckflügel zu finden. Mal weniger, mal stärker ausgeprägt.
Das Mindestgewicht wird um 20 auf insgesamt 722 Kilogramm angehoben. Der aerodynamisch Clou der Änderungen? Es wird deutlich mehr Abtrieb erzeugt, die Kurvengeschwindigkeiten werden steigen. Die Rundenzeiten sinken um mehrere Sekunden pro Runde. Das Fahren soll wieder anstrengender werden.
Reifen: Dass die Autos im kommenden Jahr so schnell sein werden, liegt auch an den neuen Reifen. Für die Regelmacher gilt hier erneut: Breiter ist gleich besser. Um 25 Prozent legen die Pirellis daher zu. Konkret heißt das, dass die Gummis an der Vorderachse von 245 auf 305 Millimeter und an der Hinterachse von 325 auf 405 Millimeter wachsen. Mit diesen wuchtigen Maßen hat jeder Reifen deutlich mehr Auflagefläche. Ein deutliches Grip-Plus ist garantiert.
Problem: Pirelli konnte seine Reifen bei der Entwicklung nicht an den neuen Formel-1-Wagen testen, einzig Probefahrten in überarbeiteten Alt-Modellen waren für die Italiener möglich. Eine 100 prozentige Gewissheit, wie die Pneus arbeiten, hat also niemand. Entsprechend geht Pirelli zu Saisonbeginn wenig Risiko: Bei den ersten fünf GPs schreibt der Hersteller die Reifenkontigente vor. Für alle Teams gibt es sieben Satz der weichen, vier der mittleren und zwei der härtesten Mischungen.
Antriebseinheit: Weil die 2014 eingeführten V6-Hybrid-Motoren unsägliche Kosten verursachen und bei Teams wie Red Bull im Vorjahr für viel Ärger sorgten, eröffnete die FIA eine Ausschreibung für Alternativmotoren. Ohne Erfolg, alle Bewerbungen wurden abgewiesen.
Entsprechend ändert sich für 2017 verhältnismäßig wenig bei den Antrieben. Die vielleicht wichtigste Anpassung: Das Token-System ist endgültig beerdigt. Während die Antriebseinheiten bisher nur begrenzt weiterentwickelt werden durften, sind die Hersteller um Mercedes, Ferrari, Renault und Honda jetzt frei in ihren Fortschrittsprozessen.
Weil man davon ausgeht, dass die neuen Autos mehr Benzin verbrauchen, wird das zulässige Spritlimit pro Rennen auf 105 Kilogramm erhöht (zuvor 100 kg). Darüber hinaus werden die Kundenkosten um eine Millionen Euro pro Jahr gesenkt, sodass nun noch 17 Millionen für eine Saison fällig sind. 2018 fallen nochmal drei Millionen weg. Zudem soll die die Zahl der erlaubten Einheiten pro Saison gesenkt werden.
Die Möglichkeit, dass ein Rennstall keinen Motor erhält - so wie es Red Bull 2015 drohte -, gibt es nicht mehr. Der Hersteller mit den wenigsten Kundenteams muss ein motorloses Team ausstatten. Der Vertrieb von alten Power-Units ist gestattet, vorausgesetzt dass diese mit den neuen Modellen mithalten können. Davon profitiert allen voran Sauber, das die 2016er-Motoren von Ferrari erhält. Toro Rosso kehrt zu Renault-Aggregaten zurück.
Sportliches Reglement
Das viel diskutierte Funkverbot hoben die F1-Verantwortlichen schon während der 2016er-Saison nahezu gänzlich auf. Auch die sogenannte "Verstappen-Richtlinie", mit der ein Spurwechsel beim Anbremsen verboten wird, fand bereits ihren Eintrag in die Regelbücher. Der Fokus für 2017 lag daher auf einem der größten Kritikpunkte im letzten Jahr.
Stehende Starts: In der Vorsaison regnete es bei genau drei Rennen: in Monaco, England und Brasilien. Jedes Mal startete das Feld hinter dem Safety Car. Der vermeintlich spannendste Part des Wochenendes wurde so den Fans verwehrt. Dass da Kritik an der Rennleitung entsteht, ist logisch. Nun soll Abhilfe geschafft werden.
Wenn Bernd Mayländer künftig auf die Strecke fährt, wird es anschließend keinen fließenden Re-, sondern einen stehenden Start geben. Ursprünglich war diese Regeländerung nur für Safety-Car-Starts im Regen geplant. Nach einem Plan von Force India sollte das Rennen sogar nach jeder SC-Phase komplett neu aufgenommen werden.
Problem: Bei so einer spontanen Regelanpassung bedarf es Einstimmigkeit aller Beteiligten. Der Vorschlag muss von der Strategiegruppe, dem FIA-Weltrat und der Formel-1-Kommission durchgewunken werden. Für 2017 wird es damit bei der harmloseren Revolution bleiben.
Mehr Racing: Den Rennstewards standen bei ihrer Beurteilung über Strafe oder nicht Strafe bisher sieben Richtlinien zur Verfügung. Verstieß ein Fahrer gegen einen Punkt, waren die Kommissare angewiesen, eine Strafe auszusprechen. Eine schwammige, wenig konsequente Methode. Diskussionen und Verwunderung über die Entscheidungen waren damit an der Tagesordnung.
Um dem entgegenzuwirken, hat die FIA Artikel 38.1 im Sportlichen Reglement vereinfacht: "Wenn es für die Stewards nicht klar ist, dass ein Fahrer einen Zwischenfall komplett oder überwiegend verursacht hat, gibt es keine Strafe." Heißt: Bei Aktionen, die früher unter die Kategorie 'Strafe kann gegeben' fielen, bleiben von nun an frei von jeglicher Sanktion. Das bringt - so hofft man - weniger Diskussionsstoff und mehr Rennaction.
Kann ein Pilot seine Strafe im laufenden Grand Prix nicht mehr verbüßen, fängt er sich eine Startplatzstrafe für das nächste Rennen ein. Ein Einspruch dagegen ist dann neuerdings nicht mehr möglich - die FIA beruft sich hier auf die Tatsachenentscheidung.
Antriebseinheit: Eine Rückversetzung von insgesamt 55 Startplätzen kassierte Lewis Hamilton beim Großen Preis von Belgien. Zumindest offiziell. De Facto musste der dreimalige Weltmeister lediglich vom letzten, also dem 22. Platz starten.
Der Grund? Mercedes wechselte bei Hamiltons Boliden gleich doppelt die Einheiten der Power-Unit. Damit nutzen die Silberpfeile ein Schlupfloch. Statt zusätzlicher Strafen hatte der Engländer plötzlich drei frische Triebwerke für die restliche Saison.
Solche Kniffs sind ab 2017 nicht mehr möglich. Sollte ein Fahrer künftig bei einem GP mehrere Antriebselemente wechseln, darf nur noch das letzte getauschte Teil bei den nächsten Rennen straffrei verwendet werden.
Die Formel 1 im Überblick