Die letzten Cockpits für die Formel-1-Saison 2017 sind vergeben: Pascal Wehrlein geht vom insolventen Manor-Rennstall zu Sauber, Felipe Massa hängt noch ein Jahr bei Williams dran und macht damit den Weg frei für den Wechsel von Valtteri Bottas. Der Finne ersetzt Weltmeister Nico Rosberg bei Mercedes. Der Deal bringt mit einer Ausnahme nur Verlierer. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Alexander Maack.
Die Spatzen pfiffen es seit Wochen von den Dächern: Valtteri Bottas übernimmt das durch den überraschenden Rücktritt von Weltmeister Nico Rosberg freigewordene Mercedes-Cockpit und wird Teamkollege von Lewis Hamilton. Auf den ersten Blick ist Motorsportdirektor Toto Wolff damit ein Coup gelungen, hat er doch einen der mutmaßlich talentiertesten Formel-1-Fahrer verpflichtet. Doch die Schattenseiten überwiegen.
Drei Denkmodelle gab es, hatte Wolff noch im Dezember der Gazzetta dello Sport erklärt:
- einen Nummer-2-Fahrer verpflichten wie es Massa zu Schumis Zeiten bei Ferrari war
- einen Starpiloten wie Sebastian Vettel oder Fernando Alonso ins Team holen
- einen der Mercedes-Junioren Pascal Wehrlein oder Esteban Ocon befördern.
"Was würden Ferrari oder McLaren im Dezember ohne Vettel oder Alonso tun?", sagte Wolff noch im Dezember: "Oder Williams ohne Bottas?"
Williams bestätigt: Bottas zu Mercedes
Die Antwort ist einfach: Williams hat Felipe Massa überredet noch ein Jahr in der Formel 1 dranzuhängen. Dabei hatte der Brasilianer sich mit Ende der Saison 2016 in den Ruhestand verabschiedet, weil "es der richtige Zeitpunkt" sei.
Routinier mit besonderer Aufgabe
Nun soll der Routinier als Ausbildungshilfe für Lance Stroll dienen, dessen Vater Millionen in das Privatteam pumpt. Familienmensch Massa als Betreuer für einen Rookie? Keine schlechte Wahl. Doch größtmögliches Streben nach sportlichem Erfolg bringt Williams damit keinesfalls zum Ausdruck. Der Nummer-1-Pilot geht zum eigenen Motorenpartner, während der alternde Brasilianer seinen Vorruhestand verschiebt. Seine Bestform hat Massa schon seit Jahren nicht mehr erreicht.
Nur für Bottas ist der Wechsel scheinbar eine Chance. Er kann sich in einem Spitzenteam gegen Lewis Hamilton beweisen. Seinen künftigen Teamchef kennt er bestens, Wolff war sein Manager und Anteilseigner bei Williams, als der Finne dort in die Formel 1 kam. Und doch steht ein Fragezeichen hinter seinem Wechsel. Denn Bottas ist kein Starpilot vom Schlag Vettel oder Alonso. Er ist die klare Nummer 2 hinter Lewis Hamilton.
Letztlich hat Wolff sich zur konservativsten Möglichkeit durchgerungen. Abgesehen von Kimi Räikkönen und Daniil Kvyat hätten sich alle Piloten bei ihm gemeldet, betonte Wolff bei der Gazzetta, "auch Pastor Maldonado."
Wehrlein bleibt auf der Strecke
Auf der Strecke bleibt dabei Pascal Wehrlein. Nach einer Saison beim Hinterbänklerteam Manor muss er nun zum anderen Hinterbänklerrennstall Sauber.
Für den DTM-Champion der Saison 2015 ist das nur ein halber Beinbruch. Er kann weiter Erfahrung sammeln. Er kann darauf hoffen, dass Lewis Hamilton bald dem Beispiel von Nico Rosberg folgt und sich in die Formel-1-Rente verabschiedet.
Der wahre Verlierer der Personalrochade ist Mercedes. Immer wieder hatte Wolff die Qualitäten seines Nachwuchspiloten betont. Ende 2015 versuchte er sogar, einen dritten Silberpfeil in die Startaufstellung zu bekommen. "Es wäre für die Fans spannend, wie sich ein Wehrlein oder ein Stoffel Vandoorne in diesen Autos gegen die Superstars schlagen", betonte er damals im SPOX-Interview.
Die Chance für Wehrlein, genau das zu tun, hat Wolff ihm genommen. Er wird weiter hinterherfahren, während Vandoorne sich bei McLaren gegen Fernando Alonso beweisen und vom zweifachen Weltmeister lernen darf.
Mercedes? Rückschlag
Für Mercedes' hehres Ziel, künftig die besten Fahrertalente für sich zu rekrutieren, ist die Entscheidung ein Rückschlag. Die Rechnung LH44+VB77 ergibt ein Minus.
Wenn Wehrlein, der sein Meisterpotenzial in der DTM bewiesen, ein Jahr als Einsatzfahrer hinter sich und unzählige Testkilometer im Silberpfeil abgeschrubbt hat, nicht bereit für die Beförderung ist, wer soll es dann werden?
Die erste Wahl bleibt Red Bull. Die Österreicher zieren sich nicht, ihre Talente ins kalte Wasser zu schmeißen, und werden dafür belohnt. Dass Max Verstappen sich für die Österreicher und gegen die Stuttgarter entschieden hat, war kein Zufall.
Formel 1: Der WM-Endstand der Saison 2016