Dominik Geißler: Das neue Reglement ist ein Flop!
Die größte Regeländerung für 2017 betrifft das Design der neuen Formel-1-Boliden. Alle waren gespannt, wie die neuen Wagen aussehen würden? Breiter! Bulliger! Kurzum: einfach geiler!
So zumindest der Plan. So die Hoffnung. Was daraus geworden ist, offenbarte Sauber im Februar als erstes Team. Williams, Renault, Ferrari und Co. legten in den Folgetagen nach. Statt Staunen und Begeisterung trat beim Fan des aggressiv-klassischen Designs bisweilen Enttäuschung ein.
Die Frontpartien sind in Form und Ausführung ähnlich verschnörkelt wie in den Vorjahren - und damit nicht gerade schön. Wer will schließlich schon die Dreizacknase des Force India oder ein Nasenloch wie im Red-Bull-Flügel sehen? Auch die hintere Hälfte der Autos überzeugt nicht. Die Heckflügel sehen zwar tatsächlich brachialer aus, werden aber von diesem kantigen Stück Karbon hinter der Airbox - liebevoll Haiflosse genannt - optisch zerstört. Besonders in der Seitenansicht kein schöner Anblick.
Die Schuld trifft dabei nicht die Ingenieure. Die versuchen nur, das Schnellste aus den Vorgaben herauszuholen. Einen Schönheitspreis wollen sie nicht gewinnen. Die Verantwortung liegt bei der FIA, die durch klarere Regeln etwaige Design-Auswüchse hätte verhindern können. Nein, müssen.
Perlenketten statt Überholmanöver
Neben dem Wunsch nach einem aggressiveren Look wollte die Formel 1 auch in ihrer Leistungsfähigkeit wieder zur Königsklasse des Motorsports werden. Klar, die neuen Autos sind mehrere Sekunden schneller pro Runde. Doch sieht ein Zuschauer wirklich, ob Sebastian Vettel den Circuit de Spa-Francorchamps in 1:43 Minuten umrundet oder doch 1:47 Minuten braucht? Wohl eher nicht.
Die dazugewonnene Geschwindigkeit wird dabei nach wie vor zu einem großen Teil über die Aerodynamik generiert. Je mehr Abtrieb und je höher die Kurvengeschwindigkeiten, desto schwieriger ist es, dem Vordermann zu folgen. Überholmanöver sind dann schwieriger. "Die Krux ist, dass du bei mehr Downforce auch eher von den Luftverwirblungen des Vorderwagens beeinträchtigt wirst", merkte auch Williams' abgelöster Technikchef Pat Symonds an. Statt Action wird in vielen Rennen Langeweile angesagt sein.
Apropos Langeweile: Die herrschte in den letzten Jahren doch eigentlich nur an der Spitze. Weil klar war, dass ein Mercedes gewinnen würde. Jetzt das Reglement zu ändern, birgt für die Verfolger um Ferrari und Red Bull zwar die große Chance, die Lücke zu schließen. Doch kommt dem Motor 2017 eine noch größere Bedeutung zu und wer hier Branchenprimus ist? Müßig zu erwähnen.
Die Geschichte hat zudem gezeigt, dass sich ein Feld, je länger an den Regeln festgehalten wurde, immer weiter angenähert hat. Das Jahr 2017 wäre die Chance der Mercedes-Konkurrenz gewesen. Die Testfahrten machten zwar Hoffnung auf eine Wachablösung, doch dass Mercedes wirklich schon alle Karten auf den Tisch gelegt hat, ist zu bezweifeln. Der Freitag in Australien unterstreicht diese Vermutung.
Kein Platz für Strategie
Nächstes Kapitel: Reifen. Vor allem die dicken Hinterreifen sehen zugegebenermaßen fantastisch aus. Allerdings war Pirelli angehalten, langlebige Gummis zu produzieren - und die sorgen naturgemäß für wenige Boxenstopps. "Der Soft schafft hier locker 80 Runden", sagte Pirelli-Boss Paul Hembery am Rande der Testfahrten in Barcelona. Ein-Stopp-Rennen sind damit wieder an der Tagesordnung, taktische Spielereien und strategische Clous hingegen ausgestorben. Schade.
Beim sportlichen Reglement lockert die FIA die Strafverfolgung der Piloten. Konkret heißt es nun: "Wenn es für die Stewards nicht klar ist, dass ein Fahrer einen Zwischenfall komplett oder überwiegend verursacht hat, gibt es keine Strafe." Wann genau ein Vergehen als komplett oder überwiegend verschuldet gilt, wird hier nicht klar. Die Entscheidungen für einen eigentlich gleichen Zwischenfall könnten also nach wie vor von Rennen zu Rennen differieren. Zweifelhaft, ob der durchaus sinnvolle Versuch der FIA damit seinen Zweck erfüllt.