Nach drei erfolglosen Jahren wird die Partnerschaft zwischen McLaren und Honda zur neuen Saison aufgelöst. Der Traditionsrennstall fährt ab 2018 mit Renault-Antrieben, während die Japaner künftig Toro Rosso mit Motoren beliefern. Im Zuge des Deals wird Carlos Sainz Jr. nächste Saison Renault-Teamkollege von Nico Hülkenberg. Was heißt das für die Beteiligten? Und wie geht es für Fernando Alonso und Red Bull weiter? SPOX beleuchtet das Formel-1-Beben.
Wie geht es mit McLaren und Fernando Alonso weiter?
McLaren-Honda prägte eine Ära. Zwischen 1988 und 1991 gewann das Team mit Ayrton Senna und Alain Prost am Steuer vier Konstrukteurs- und vier Fahrertitel. Die Dominanz, die die englisch-japanische Symbiose dabei an den Tag legte, war und ist nahezu unvergleichbar.
Nach der Trennung 1993 kam es 2015 schließlich zur Reunion von McLaren-Honda. Mit den Weltmeistern Fernando Alonso und Jenson Button an Board wollte man an die glorreichen Zeiten der Vergangenheit anknüpfen, nichts weniger als Titel sollten her.
Daraus ist bekanntlich nichts geworden. Statt Rennsiegen und Trophäen hagelte es Spott, Verzweiflung und Frustration waren bei allen Beteiligten an der Tagesordnung. Nun, nach drei erfolglosen Jahren, wird die Partnerschaft beendet - und die Formel 1 hat ihr Beben des Jahres.
McLaren wird künftig mit Renault-Motoren an den Start gehen. Darauf einigten sich die Beteiligten nach dem Großen Preis von Italien Anfang September. Vorausgegangen waren lange Verhandlungen, bei denen gleich mehrere Steine aus dem Weg geräumt wurden: Honda musste zunächst einmal ein anderes Kundenteam finden. Um auf der einen Seite weiter Teil der Königsklasse zu bleiben. Und um auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass die weiteren Motorenhersteller nach wie vor nur je drei Teams beliefern müssen. Acht Autos wollte so kurzfristig weder Renault noch Ferrari oder Mercedes ausrüsten.
Letztlich fiel die Wahl auf Toro Rosso. Das Schwesterteam von Red Bull wird bisher von Renault angetrieben und tauscht jetzt die Aggregate mit McLaren. Das Team aus Woking hat somit das erreicht, wonach man monatelang gestrebt hat: Honda loswerden.
Weil weder Mercedes noch Ferrari sich als Motorenpartner zu Verfügung stellten, blieb nur noch Renault. Die Franzosen liegen sowohl bei der Power als auch bei der Zuverlässigkeit hinter den beiden Top-Teams zurück, wirken Stand jetzt aber gefestigter als Honda. In zwei Jahren will man auf Augenhöhe mit Mercedes und Ferrari sein - eine Zielsetzung, in die McLaren wohl mehr Vertrauen setzt als in japanische Durchhalteparolen.
Finanziell brechen für den 1965 gegründeten Rennstall nun jedoch härtere Zeiten an. Honda kam für die Motoren auf, zahlte das kolportierte 30-Millionen-Euro-Gehalt von Alonso und gab obendrauf noch einen Entwicklungszuschuss. Renault, an das sich McLaren bis zum Ende des aktuellen Motorenreglements 2020 gebunden hat, wird sich an diesen Kosten nicht beteiligen.
Und apropos Alonso: Der galt seit dem ersten Jahr der gemeinsamen Zusammenarbeit als einer von Hondas Hauptkritikern. Sein "Bobby Car" mit "GP2-Motor" (O-Ton) war dem Spanier mehr als nur einmal "peinlich", sodass die Trennung von den asiatischen Motorenbauern eine der Grundvoraussetzungen für Alonsos Verbleib bei McLaren gewesen sein dürfte. Ein Wechsel zu einem anderen Team oder gar ein Ende seiner Formel-1-Karriere scheint nun unwahrscheinlich.
Was hat Toro Rosso von dem Honda-Deal?
Die Übereinkunft mit Honda macht für Toro Rosso auf den ersten Blick wenig Sinn. Warum sich den bis dato schlechtesten Motor ins Heck schrauben lassen und gleichzeitig seinen besten Fahrer, Carlos Sainz Junior, zu Renault ziehen lassen?
Immerhin hat der Spanier in der bisherigen Saison 36 WM-Punkte gesammelt (Teamkollege Daniil Kvyat kommt lediglich auf 4 Zähler) und damit großen Anteil am sechsten Konstrukteursrang.
Eine baldige Wiederholung eines solchen Resultats scheint unter den neuen Umständen nächstes Jahr nicht möglich zu sein. Zumindest dann nicht, wenn Honda keinen Wunder-Motor aus dem Hut zaubert.
Und doch gibt es aus Toro Rossos Sicht gute Gründe für den Deal. Der wohl entscheidendste: Honda spült Geld in die Kassen des kleinen Teams aus Faenza. Die Japaner stellen ihre Antriebe gratis zu Verfügung und geben zusätzliche Finanzspritzen für die Entwicklung.
Dieses Geld kann Toro Rosso dann in die Verbesserung des Chassis stecken und damit die Mängel auf Motorenseite zumindest teilweise ausgleichen. Und wer weiß: Gibt man Honda genügend Zeit, um die vorhandenen Fehler auszumerzen, kann die Scuderia langfristig wieder konkurrenzfähiger werden.
Welchen Nutzen zieht Red Bull aus dem Deal?
Wie stark Toro Rosso und Red Bull miteinander verwoben sind, ist hinreichend bekannt. Insofern wird die große Schwester auch bei dem Honda-Deal ihre Finger im Spiel gehabt haben - und Toro Rosso als eine Art Versuchskaninchen ins Rennen schicken.
Der Plan: Tritt Honda in seiner Entwicklungsarbeit auch 2018 auf der Stelle, setzt Red Bull in Zukunft ganz einfach weiter auf Renault-Motoren.
Sollte Honda aber der Durchbruch gelingen, könnten die roten Bullen ab 2019 mit Honda-Antrieben fahren. Dann wäre RB Premiumpartner der Japaner und könnte sich entsprechend einiger Vorteile sicher sein. Vorhandenes Risiko? Quasi null.
Darüber hinaus schafft Red Bull Platz für Nachwuchsfahrer Pierre Gasly, der i der kommenden Saison das Toro-Rosso-Cockpit von Sainz übernehmen könnte.
Der Franzose gilt als hochtalentiert und gewann im Vorjahr die GP2. Eigentlich wurde sein Einstieg in die Königsklasse schon für 2017 in Erwägung gezogen, am Ende entschieden sich die Verantwortlichen dann aber doch für einen Verbleib von Kvyat. Nun bekommt Gasly seine Chance. Für Red Bull eine gute Gelegenheit, einen neuen Youngster auszuprobieren und zu beobachten, wie viel Potenzial wirklich in ihm steckt.
Was bedeutet der Deal für Renault?
Renault liegt in der Weltmeisterschaft auf einem enttäuschenden achten Platz. Das Potenzial des Autos ist - zumindest seit dem Aerodynamik-Upgrade zum Großbritannien-GP - zweifelsfrei größer.
Allerdings haben die Franzosen mit Nico Hülkenberg nur einen Fahrer in ihren Reihen, der Punkte sammelt. Jolyon Palmer gelang in den bisherigen 13 Saisonrennen nicht einmal der Sprung in die Top 10.
Das soll sich nun ändern: Sainz wird den Platz neben Hülkenberg einnehmen und dann aller Voraussicht nach öfter in die Punkte fahren als Palmer. Darüber hinaus dürfte Sainz' Speed den Emmericher nochmal etwas mehr kitzeln und nach vorne pushen. Bei der künftigen Fahrerpaarung hat sich Renault also alle Wünsche erfüllt.
Langfristig könnte der komplexe Deal, der die Einigung mit McLaren miteinschließt, aber nachteilig für Renault sein. Als Red Bulls Motorenlieferant rüstet man ohnehin schon ein Topteam aus. Mit McLaren kommt ein Rennstall hinzu, der auf Chassis-Seite zu den Besten der Branche gehört.
Sollten sich die Österreicher 2019 gegen Honda entscheiden, besteht die Gefahr, dass sich Renault als Werksteam hinten anstellen muss. Und das, obwohl man seit dieser Saison eigentlich einen Dreijahres-Plan verfolgt, der am Ende den Weltmeistertitel sieht. Eine Verfehlung wäre für das eigene Image nur schwer verdaulich.
Was bedeutet für Sainz der Wechsel zu Renault?
Seit Carlos Sainz Junior 2010 in das Förderprogramm von Red Bull aufgenommen wurde, war das Ziel klar: Eines Tages sollte der Sohn von Rallye-Legende Carlos Sainz ins Lenkrad des viermaligen Weltmeisterteams greifen. Der erste große Schritt bis dahin wurde fünf Jahre später gemacht. Er bekam einen Stammplatz bei Toro Rosso.
Dort ging es für Sainz zuletzt aber nicht wirklich weiter. Als es vergangenes Jahr um die Nachfolge von Kvyat bei Red Bull ging, wurde ihm Max Verstappen vorgezogen. Der Niederländer und Ricciardo sind seitdem fest im Sattel bei dem Spitzenteam - ein Aufstieg zur nächsten Saison? Unmöglich.
Also suchte Sainz nach Alternativen und ist nun bei Renault fündig geworden. Ob er wirklich schon diese Saison bei dem Werksteam anheuert, steht noch nicht fest. Toro Rosso würde den 23-Jährigen gerne bis zum Saisonende halten, um in der WM bessere Chancen zu haben. Renault hätte ihn lieber jetzt als gleich.
Unabhängig davon wird er laut motorsport-total.com vorerst nur auf Leihbasis verpflichtet. So könnte er ab 2019 wieder zur Red-Bull-Familie zurückkehren - für den Fall, dass Verstappen oder Ricciardo ihre Verträge nicht verlängern. Bleibt das Duo, könnte Sainz bei Renault verlängern. Oder zu Ferrari wechseln, wenn Kimi Räikkönen die Italiener verlässt?