Den Ruckelstart des neuen Silberpfeils dürfte Sebastian Vettel mit einem Anflug von Schadenfreude registriert haben. Nur wenige Meter weit rollte der Mercedes bei seiner Jungfernfahrt am Donnerstagmittag, erst im zweiten Anlauf kam der W09 EQ Power+ mit Valtteri Bottas am Steuer auf Touren und legte auf dem Traditionskurs von Silverstone seine ersten Runden zurück.
Bei Ferrari liefen da noch die letzten Vorbereitungen auf die eigene Fahrzeugvorstellung in Maranello, wenig später präsentierte dann auch die Scuderia mit reichlich Pathos ihre neue "knallrote Göttin".
Neuer Ferrari soll Vettel zum Titel führen
"Wenn man das Auto zum ersten Mal als Ganzes sieht, will man nur noch einsteigen und losfahren", sagte Vettel mit strahlenden Augen über den Ferrari SF71H: "Ich bin überzeugt, dass dieses Auto ein großer Schritt nach vorn ist." Sein finnischer Teamkollege Kimi Räikkönen ergänzte: "Wenn ein Auto gut aussieht, ist es meistens auch schnell."
Nach vielen Jahren wurden am Ferrari die weißen Stellen an Flügeln und Airbox durch ein knalliges Rot ersetzt. In technischer Hinsicht wurde der Radstand etwas verlängert, damit orientiert sich Ferrari am Rivalen Mercedes.
Die Scuderia wartet für ihre eigenen hohen Ansprüche viel zu lange auf einen Titel. Die letzte von bislang 16 Konstrukteursweltmeisterschaften datiert aus dem Jahr 2008, ein Jahr zuvor hatte Räikkönen die letzte Fahrer-WM für die Roten geholt.
Der Heppenheimer Vettel (Vertrag bis 2020) steht unter erheblichem Erwartungsdruck - obwohl oder gerade weil er 2017 lange die WM-Führung innehatte. Sein Idol und Freund Michael Schumacher hatte seinerzeit gar fünf Anläufe bei den Roten benötigt, dann aber von 2000 bis 2004 mit der Scuderia sämtliche Titel gewonnen.
Erstes Kräftemessen am Montag
Was der neue Ferrari auf der Strecke zu leisten imstande ist, wird man am Montag wenigstens erahnen, wenn sich die Formel-1-Teams bei den ersten Testfahrten in Barcelona (bis 1. März) messen. Bis zum Saisonstart am 25. März in Melbourne wird allerdings ein Schattenboxen zwischen den jeweils viermaligen Weltmeistern Lewis Hamilton und Vettel sowie ihren Teams erwartet.
Konstrukteurs-Weltmeister Mercedes hatte am Donnerstagmittag vorgelegt. "Es ist etwas ganz Besonderes, wenn man zum ersten Mal alle Teile zusammengefügt sieht", sagte der Engländer Hamilton über den W09 EQ Power+, der dem Team die fünfte Fahrer- und Konstrukteursweltmeisterschaft in Folge einbringen soll: "Wir haben die DNA von 2017 behalten. Aber dieser Wagen ist besser als das Auto vom vergangenen Jahr - in jeglicher Hinsicht."
Cockpitschutz Halo markanteste Änderung
Markantestes neues Element des weiterhin in den Farben Silber, Schwarz und Türkis gehaltenen Boliden ist der Cockpitschutz Halo, der zur neuen Saison in der Formel 1 verpflichtend eingeführt wird - zum Missfallen von Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff, der erklärte: "Wenn Sie mir eine Kettensäge geben, schneide ich ihn ab."
Ansonsten ist Mercedes seinem Konzept aus dem Vorjahr weitgehend treu geblieben. "Wir hatten 2017 das schnellste Auto. Aber der Wagen war auch eine Diva", sagte Wolff: "Bei dem neuen Wagen wollten wir die negativen Eigenschaften beseitigen, ohne etwas von unserem Speed einzubüßen."
Der letztjährige WM-Dritte Bottas legte die ersten Kilometer mit dem neuen Mercedes zurück, später drehte auch Hamilton einige Runden. Vettels Jungfernfahrt im SF71H wird erst am Montag in Barcelona erwartet.
Dann wird auch Wolff ganz genau hinschauen. "Vergangenes Jahr hat uns Ferrari alle überrascht und ein Auto auf die Strecke gebracht, das von Beginn an funktioniert hat", sagte der Österreicher.