China-GP der Formel 1: So hat Daniel Ricciardo Mercedes und Ferrari düpiert

Daniel Ricciardo hat bislang sechs Rennen in der Formel 1 gewonnen.
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Weil Ferraris Strategie-Abteilung patzte, sahen Valtteri Bottas und Mercedes beim Großen Preis von China lange wie die sicheren Sieger aus. Doch dann kam das Safety Car - und Daniel Ricciardo. Der Red-Bull-Pilot erlebte ein Formel-1-Wochenende mit Ups and Downs und zeigte mal wieder, dass er als Überhol-König zur Stelle ist, wenn es drauf ankommt.

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Was ihn mehr geärgert habe, fragte RTL-Ikone Kai Ebel den frustrierten Sebastian Vettel direkt nach dem Rennen: die schlechte Strategie von Ferrari oder die haarsträubende Kollision mit Max Verstappen? "Der Boxenstopp", zögerte Vettel nicht lange. Durch diesen nämlich verlor der Heppenheimer überhaupt erst seine Spitzenposition. Und zwar unnötig wie selten zuvor.

Vettel führte das Rennen im ersten Stint mit über drei Sekunden Vorsprung vor Valtteri Bottas an. Souverän und unbedrängt. Das hätte so bleiben können - wenn er und Ferrari sich ein Beispiel an Lewis Hamilton und den beiden Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Daniel Ricciardo genommen hätten. Diese wechselten als erste der Spitzengruppe ihre Reifen und brannten sofort so schnelle Rundenzeiten in den chinesischen Asphalt, dass Ferrari stutzig hätte werden müssen.

Idealerweise hätte die Scuderia also direkt reagiert und Vettel einen Umlauf später an die Box geholt. Doch das italienische Lager hielt die Füße still, ließ seinen viermaligen Weltmeister auf der Strecke und gab Bottas so die Chance auf einen Undercut.

Mercedes ließ sich nicht zweimal bitten, rief den Finnen vor Vettel zum Reifenwechsel. Ergebnis: schnelle Inlap, schneller Boxenstopp, schnellere Outlap. Platz eins.

Nico Rosberg kritisiert Ferrari: "Verschenkt"

"Das war verschenkt, wirklich schwach von Ferrari", kritisierte Nico Rosberg den roten Kommandostand bei RTL: "Diesen Undercut hätte man vermeiden können. Das hat Ferrari völlig verhauen, ich glaub's einfach nicht. Wie ich schon vor dem Rennen sagte, ist Ferrari in Sachen Strategie nicht bei 100 Prozent, Mercedes ist da hingegen eine Macht."

Ob Ferrari einfach schlief? Oder ob man Angst hatte, mit einem zu frühen Stopp ein Deja-vu des Bahrain-GP zu erleben, bei dem am Ende die Reifen so sehr abbauten, dass man fast das Rennen verloren hätte? Klar ist nur, wie Vettel geknickt feststellte, dass Ferrari sich für den falschen Weg entschied: "Wir waren uns sicher, dass es mit dem Abstand reichen würde. Da haben wir uns ein bisschen vertan, Valtteri hat nach dem Stopp eine gute Runde hingelegt. Da kann man niemandem direkt die Schuld geben."

Eine harte - und ebenfalls unerfolgreiche - Strategie wählte Ferrari bei Kimi Räikkönen, der als Bottas-Blocker geopfert wurde und damit offenkundig den Status des Nummer-zwei-Fahrers innehat. Der Finne machte seine Sache zwar löblich, war gegen den heranrauschenden Landsmann aber chancenlos. Und so kam es, dass Mercedes wie der sicherer Sieger aussah - bis zur 31. Runde. Bis zu der Runde, die das komplette Geschehen auf den Kopf stellte.

Nur Red Bull reagiert auf Safety-Car-Phase

Weil nach einem Zusammenstoß der beiden Toro Rossos zu viele Teile auf der Strecke lagen, entschied die Rennleitung, das Safety Car auf die Bahn zu schicken. Die Frage jetzt: Nochmal an die Box kommen, Plätze verlieren und dann mit frischen Reifen attackieren? Oder auf Nummer sicher gehen? "Die beiden Red Bull waren so mutig, es zu tun. Wir hingegen hielten unsere Position auf der Strecke für wichtiger. Damit lagen wir falsch, sie hatten Recht. Deshalb ist der Sieg verdient", resümierte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Im Nachhinein", so der Österreicher weiter, "bist du eben immer schlauer".

Während Bottas und Vettel bereits an der Boxeneinfahrt vorbei waren, als das Safety Car alarmiert wurde, hatten Verstappen, Hamilton, Ricciardo und Räikkönen die Chance, einen Stopp unter neutralisierten Rennbedingungen durchzuführen. Nur Red Bull reagierte. "Die Entscheidung fiel in letzter Sekunde", sagte Horner später gegenüber Sky. Auch Ricciardo sprach von einer hektischen Phase.

Der Australier liebt solche ungeordneten Situationen. Er ist ein Meister darin, das Chaos zu seinen Gunsten zu drehen. Bereits beim verrückten Aserbaidschan-GP 2017 zeigte Ricciardo ein Händchen für die Anarchie und fuhr zu seinem bis hierhin letzten Sieg. "Es scheint, als könnte ich keine langweiligen Rennen gewinnen", juxte der nun sechsmalige GP-Gewinner auf dem Podium.

Daniel Ricciardos bisherige Formel-1-Siege:

DatumRennen
8. Juni 2014Großer Preis von Kanada
27. Juli 2014Großer Preis von Ungarn
24. August 2014Großer Preis von Belgien
2. Oktober 2016Großer Preis von Malaysia
25. Juni 2017Großer Preis von Aserbaidschan
15. April 2017Großer Preis von China

Während es Teamkollege Verstappen gegen Hamilton und Vettel im Mario-Kart-Modus versuchte und dabei kläglich scheiterte, behielt Ricciardo die Nerven. Wissend, dass er die besten Reifen an seinem RB14 aufgeschnallt hat, wartete er auf die richtigen Momente zum Überholen.

Hamilton krallte sich der Aussie-Boy dabei in für ihn typischer Manier: Trotz einigen Metern Abstand bremste sich Ricciardo am Ende der langen Geraden einfach neben den amtierenden Weltmeister und ging in der Haarnadel vorbei. Vettel schnupfte er mit noch weniger Mühe auf. Erst bei Bottas wurde es eng, doch auch hier quetschte sich der 28-Jährige durch die enge Lücke vorbei und bereitete so seinen Sieg vor. "Daniel hat ein perfektes Rennen abgeliefert", lobte Teamchef Christian Horner seinen Schützling nicht umsonst.

Für Ricciardo dürfte der Triumph einige Wogen geglättet haben. Immerhin schied er in Bahrain schon nach zwei Runden mit einem Motorschaden aus. Und auch im dritten Freien Training zum China-GP streikte der Renault-Antrieb, fast hätte er das Qualifying verpasst.

Daniel Ricciardo verzweifelte am Schicksal

Große Zweifel machten sich in der Folge bei ihm breit, wie Ricciardo nun verriet: "Ich ärgerte mich über den Sport und darüber, so vieles darin nicht beeinflussen zu können. Manchmal habe ich mich auch gefragt, warum ich diesen Sport überhaupt betreibe, gerade weil es so vieles gibt, was du nicht selbst in der Hand hast. Das zieht dich schon mal runter. Aber wenn du einen Tag wie diesen hast, dann macht er alleine 50 schlechte wieder wett!"

Schlechte Tage dürfte "Mister Shoey" in dieser Saison noch einige erleben. Schließlich wird es in ein paar Rennen aller Voraussicht nach Startplatzstrafen hageln, weil sein Motorenkontingent schon bald aufgebraucht sein wird. Doch mit diesen Zukunftsaussichten will sich Ricciardo jetzt nicht befassen. Er wird sich freuen, dass er sich abermals als Überholkönig bewiesen und dank besserer Strategie die rot-silberne Konkurrenz düpiert hat.

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