Von dem breiten Dauergrinsen, das sich sonst eigentlich immer über sein Gesicht zieht, sah man an diesem Tag nichts. Stattdessen: Frust, Enttäuschung, Wut. "Ich wurde zwei Rennen in Folge beschissen. Das ist kacke. Es tut weh", klagte Daniel Ricciardo nach dem Rennen in seiner Wahl-Heimat vor zwei Jahren.
Gerade hatte Red Bull Ricciardos Sieg bei dem so prestigeträchtigen Grand Prix aus der Hand gegeben - und das auf die vielleicht unnötigste und zugleich kurioseste Art und Weise überhaupt. Auf abtrocknender Piste rief man den führenden Australier zum Boxenstopp, um auf Slicks zu wechseln. Doch die Mechaniker kramten in dem Kuddelmuddel den falschen Reifensatz heraus, holten einen neuen und ließen den entblößten Ricciardo satte zehn Sekunden in der Boxengasse warten. Der dahinter fahrende Lewis Hamilton dankte und fuhr auf die Eins. Ricciardo wurde Zweiter.
"Diesen Sieg bekomme ich niemals zurück", stellte er mit eiserner Miene fest: "Das ist Fakt." Man muss dem heute 28-Jährigen Recht geben: Die verlorenen sieben Punkte sind für immer weg. Und dennoch kann der Sunnyboy nun endlich Frieden mit dem Großen Preis von Monaco schließen. Immerhin erlebte er am Sonntag seine persönliche Wiedergutmachung für das 2016er-Fiasko.
Red Bull dominiert in Monaco
Der Weg dorthin schien spätestens nach dem Qualifying ein leichter zu sein. Red Bull dominierte das Geschehen im Fürstentum bereits am Donnerstag nach Belieben. Als dann auch noch Max Verstappen im dritten Freien Training crashte und nicht am Qualifying teilnehmen konnte, war die Pole Position für Ricciardo genauso vorprogrammiert wie der Rennsieg. Eigentlich.
Der zweimalige Pole-Setter diktierte das Geschehen an der Spitze und ließ Vettel hinter sich verhungern - bis zur 26. Runde. "Ich verliere Leistung", meldete Ricciardo da über Funk und erklärte so das Bild, das sich bereits die Umläufe zuvor gezeigt hatte. Vettel schloss Stück für Stück auf und verkürzte seinen Rückstand von über zwei auf weniger als eine Sekunde.
Daniel Ricciardos Vorsprung auf Vettel im Verlauf:
Runde | Ricciardos Vorsprung auf Vettel |
23 | - 2,2 Sekunden |
25 | - 2,1 Sekunden |
27 | - 1,4 Sekunden |
29 | - 0,7 Sekunden |
Ricciardo einzigartig - Verstappen in der Kritik
Zunächst schien der Defekt vom Getriebe auszugehen. Ricciardo benutzte statt acht nur noch sechs Gänge. Doch das Problem war laut Red Bulls Motorsportchef Helmut Marko massiver und stammte "aus dem Motorenumfeld", wie er im ORF erklärte. Konkret fiel die MGU-K - also der Teil des Hybridmotors, der die kinetische Energie in Strom umwandelt - für 15 Runden aus und verursachte damit einen Leistungseinbruch um 25 Prozent. 30 km/h fehlten plötzlich auf den Geraden, 2,5 Sekunden auf die Runde gerechnet.
Und Ricciardo? Der wuchs über sich hinaus und machte sich einen Namen als Krisenmanager. Während er durch den Leitplanken-Dschungel von Monte Carlo kurvte, bei dem es praktisch keine Zeit zum Verschnaufen gibt, korrigierte er ganz nebenbei das Motormapping und passte seinen Fahrstil auf die neuen Gegebenheiten an. Scheinbar mühelos fuhr er so zu seinem sechsten Sieg in der Königsklasse.
"Daniel ist ein unglaubliches Rennen gefahren. Das Team sagte mir, dass wir das Auto in zwei Runden hereinholen und abstellen müssten. Doch er gab nie auf und ließ das alles wie eine Kaffeefahrt wirken", überschüttete Teamchef Christian Horner seinen Piloten mit Lob: "Dabei so ruhig zu bleiben, ist beeindruckend. Er ist der perfekte Rennfahrer." Auch Marko war schwer beeindruckt. Gegenüber Sky sagte er, Ricciardo habe das "Manko durch eine gezielt andere Fahrweise ausgeglichen" und damit Einmaliges geleistet: "Wie er das hingekriegt hat, war unglaublich. Ich denke nicht, dass das ein anderer Fahrer geschafft hätte."
Ein Satz, den Verstappen nicht gerne hören wird. Immerhin war der 20-Jährige lange Zeit Red Bulls Lieblingszögling und derjenige, den die Talentschmiede wohl gerne als nächsten Weltmeister gesehen hätte. Nun aber fährt Verstappen von Missgeschick zu Missgeschick und erprobt damit die österreichische Geduld mit harten Bandagen. Unter der Woche soll er gar zum Krisengespräch anrücken.
Daniel Ricciardo 2019: Red Bull? Ferrari? Mercedes?
So etwas hat Ricciardo aktuell nicht nötig. Der Aussie Boy ist in Topform und macht sich damit zum heißesten Eisen auf dem Fahrermarkt. Immerhin läuft sein Vertrag am Ende der Saison aus und er wird ganz genau ausloten, was ab 2019 das für ihn beste Paket ist.
Red Bull ist sicherlich die erste Alternative. Er kennt das Team, das Potenzial und wird immer mehr wertgeschätzt. "Ich habe klargemacht, dass wir Daniel behalten wollen", bestätigte Horner entsprechend am Sonntag. Allerdings: Ricciardo will Weltmeister werden und ob das mit Renault- oder gar Honda-Power in naher Zukunft möglich ist? Fraglich.
Insofern wäre vielleicht Ferrari oder Mercedes die bessere Alternative. Beide Rennställe sollen an einer Verpflichtung interessiert sein, zumal die Zukunft von Kimi Räikkönen und Valtteri Bottas alles andere als sicher ist.
Es sind Überlegungen, die alle Beteiligten noch einige Monate beschäftigen werden. Auch wenn in Monaco erstmal anderes angesagt war: Zum Beispiel der Sprung in den Red-Bull-Pool, der Ricciardo vor zwei Jahren verwehrt wurde. Einen besseren Ort, um die perfekte Revanche für 2016 zu feiern, gibt es wohl nicht.