Kai Ebel im Interview: "Formel 1 ist so oberflächlich wie unsere Gesellschaft"

Dominik Geißler
14. März 201916:01
Kai Ebel mit seiner Frau Mila Wiegand in Monaco.imago
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Kai Ebel begleitet die Formel 1 seit knapp 27 Jahren live vor Ort und gehört damit zu den bekanntesten TV-Journalisten Deutschlands. Im Interview spricht der 54-Jährige über seinen ungewöhnlichen Kleidungsstil, ein peinliches Erlebnis mit einem vermeintlichen Porno-Darsteller und die vielen Persönlichkeiten von Lewis Hamilton.

Außerdem erzählt Ebel von Michael Schumacher, angeblich fehlenden Typen in der Königsklasse sowie Pellkartoffeln in der Startaufstellung. Und er erklärt, warum die Formel 1 ein Querschnitt durch die Gesellschaft ist.

Herr Ebel, Sie sind bekannt für Ihren extravaganten Kleidungsstil. Wenn Sie jetzt in Ihren Schrank blicken, wie viele Kleidungsstücke finden Sie dort?

Kai Ebel: Das ist ja kein Kleiderschrank, sondern ein begehbarer Bereich. Und wie viel da drin ist, kann ich gar nicht zählen. Es ist aber genug da, um mal zu wechseln. (lacht)

Das Männermagazin GQ hat Sie vor einigen Jahren zu Deutschlands Moderator mit dem schlechtesten Kleidungsgeschmack gewählt. Wie viel Verständnis haben Sie dafür?

Ebel: Vollstes Verständnis, wenn ich mir angucke, wie modisch die Menschen hier sind. Die Jury fand mich offenbar ein bisschen zu laut, was das angeht und war es anscheinend nicht so gewohnt, dass sich Männer modisch anziehen. Wenn man sich heute mal die Fußballspieler anguckt, brauche ich aber ja nichts mehr zu sagen ... Es waren halt noch andere Zeiten. Und im Endeffekt ist es ein Lob, wenn man dort erwähnt wird, weil es zeigt, dass ich denen aufgefallen bin. Trotzdem hätte ich von denen gerne mal eine Entschuldigung, schließlich war ich damit ein ziemlicher Vorreiter für viele, die nachgekommen sind. (lacht)

Das letzte Formel-1-Rennen ist nun rund dreieinhalb Monate her. Wie haben Sie die Winterpause verbracht?

Ebel: Ich war viel zu Hause, konnte Urlaub machen und meine Kontakte pflegen - all die Sachen eben, zu denen ich sonst nicht komme. Und im Dezember bin ich immer Stammgast auf unserem Weihnachtsmarkt.

Ebel über seine späte Liebe, Oberflächlichkeiten und Hamilton

Sie begleiten die Formel 1 seit 1992 und waren mittlerweile bei über 460 Rennen live vor Ort. Etwas, von dem Sie schon geträumt haben, als Sie mit Ihrem ersten eigenen Auto, einem VW Golf L, durch Ihre Heimatstadt Mönchengladbach gefahren sind?

Ebel: Überhaupt nicht. Autos haben mich nie interessiert, das ist ja das Verrückte. Ich war für Fußball, Boxen und generell für Sport zu haben, aber Formel 1 stand nie auf der Liste. Mein erstes Rennen, das ich gesehen habe, war tatsächlich live im Einsatz bei der Arbeit. Da habe ich dann direkt festgestellt, wie riesig das Aufgabengebiet ist und was man dort alles machen kann. Mittlerweile ist es eine richtige Liebe geworden.

Im April steht das 1000. Formel-1-Rennen an. Sie waren also bei knapp der Hälfte dabei.

Ebel: Verrückt, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Ich glaube übrigens, dass es den Traditionalisten gar nicht gefällt, dass das 1000. Rennen ausgerechnet in China stattfindet. (lacht) Das ist ja kein historischer Kurs für die Formel 1. Vielleicht sollten sie das Rennen also verschieben.

Die Formel 1 gilt als Königsklasse des Motorsports - nicht nur aufgrund ihrer Geschwindigkeit, sondern auch wegen des fließenden Geldes, den Prominenten im Paddock und ihrem elitären Glanz. Wie oberflächlich ist die Formel 1?

Ebel: Genauso oberflächlich wie unsere Gesellschaft. Da, wo es um viel Geld geht, steht viel auf dem Spiel. Ich mache da auch keinen signifikanten Unterschied zum Fußball fest. Es werden Märchen erzählt und Politik betrieben wie eigentlich überall. In dem Sinne ist die Formel 1 ein Querschnitt durchs Leben und alle Gesellschaftsschichten. Zum Arbeiten ist es dort aber sehr, sehr angenehm.

Wie ist das beim Boxen, wo Sie auch regelmäßig vor Ort sind?

Ebel: Da ist es schon etwas spezieller. Die Formel 1 ist ja ein Treffen, bei dem alle 14 Tage dieselbe Familie zusammenkommt. Beim Boxen gibt es zwar ebenfalls Schnittmengen, doch kommt es immer darauf an, wer der Veranstalter ist. Das sind singuläre Ereignisse, bei denen man als Fernsehteam mehr Mitspracherecht hat.

Welche Interviews mögen Sie mehr: die kurz vor oder kurz nach dem Rennen?

Ebel: Das Schönste ist die Startaufstellungsphase. Wenn man merkt, dass die Jungs nervös wie die Rennpferde sind und es gleich losgeht. Da ist die Vorfreude immer am größten. Wobei es auch seinen Reiz hat, hinterher die Reaktionen einzufangen.

Haben Sie auf beruflicher Ebene so etwas wie einen Lieblingsfahrer?

Ebel: Ich komme zum Beispiel mit Nico Hülkenberg und Max Verstappen super klar. Das sind Querdenker, die einfach sagen, was gerade in ihrem Kopf vor sich geht. Die sind nicht allzu angepasst, sodass immer etwas Überraschendes oder Lustiges bei herumkommt. Und machen wir uns nichts vor: Wir betreiben ja keine Kriegsberichterstattung. Wir reden hier von Sport. Deswegen ist es für mich auch ein Stück weit Unterhaltung und nicht alles so bierernst zu nehmen.

Nicht immer unterhaltend ist es mit Lewis Hamilton. Er gilt teilweise als schwieriger Interviewpartner.

Ebel: Richtig. Wenn es bei ihm gut läuft, kann er der brillanteste Entertainer überhaupt sein. Wenn das aber nicht der Fall ist, kommt nur ein "Ja", "Nein", "weiß nicht". Seine Stimmlage verändert sich dann auch deutlich und man weiß gar nicht, mit wem man da gerade sein Interview führt. Der hat mindestens drei, vier Persönlichkeiten.

Gibt es ein Interview in Ihrer Laufbahn, das Ihnen besonders peinlich ist?

Ebel: Ich dachte mal, dass ich Rocco Siffredi, diesen Pornostar aus Spitzenfilmen für Erwachsene, interviewe. In Wirklichkeit habe ich da aber mit einem - man achte darauf - Stabhochspringer aus dem ehemaligen Jugoslawien gesprochen. Man könnte also einen gewissen Zusammenhang zwischen beiden Personen herbeischreiben. (lacht) Die Verwechslung ist aber bis auf einen aufmerksamen Zuschauer, der mir geschrieben hat, Gott sei dank niemandem aufgefallen.

Als Sebastian Vettel 2010 das erste Mal Weltmeister wurde, hat Ihnen dessen Vater Norbert auf der WM-Party die Hose zerrissen. Wie kam es dazu?

Ebel: Norbert stand plötzlich hinter mir, zog an meiner Tasche herum und riss meine Hose in zwei. Ich muss aber dazu sagen, dass er das vorher angekündigt hatte: 'Wenn mein Sohn Weltmeister wird, zerreiß isch dir de Buchs'.

Welche Erlebnisse sind Ihnen noch besonders im Kopf geblieben?

Ebel: Zum Beispiel die Anreise zu einem unserer ersten Auftritte in Magny-Cours. Damals haben in Frankreich die LKW-Fahrer gestreikt und alle Straßen gesperrt. Wir als Formel-1-Neulinge mussten natürlich trotzdem irgendwie von Paris zur Strecke kommen. Als wir dann gesehen haben, wie alles gesperrt war, haben wir erst an einen Atomunfall gedacht. Man musste dann improvisieren, durch Wälder und über Landstraßen nach Magny-Cours finden. Besonders kreativ war das japanische Fuji-TV-Team, das in einem Krankenwagen angereist ist. Völlig verrückt.

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Ebel über Schumi, Typen in der Formel 1 und die neue Saison

Sie sagten mal, dass Michael Schumacher Ihr persönlicher Held ist. Er galt auf der Strecke als extrem ehrgeizig, konsequent und hart. Wie haben Sie ihn privat kennengelernt?

Ebel: Er war immer höchst professionell und hatte nur ein Ziel vor Augen. Alles, was im Weg stand, musste dafür zur Seite. Er war aber mit Sicherheit nie arrogant. Dass ihm das viele immer wieder unterstellt haben, ist völliger Quatsch. Das Fahrerlager war nun mal sein Arbeitsplatz, auf dem er überhaupt nicht abgeschaltet hat. Privat war er ganz anders. Und ich glaube, er ist nach seinem endgültigen Karriereende in seinem neuen Leben irgendwann richtig angekommen. Dass ausgerechnet dann dieser Unfall passierte, ist besonders bitter.

Immer wieder wird bemängelt, dass der heutigen Formel 1 "Typen" fehlen. Mit Recht?

Ebel: Nein. Jungs wie Hülkenberg oder Verstappen haben Charisma und gerade ein Hamilton ist, egal, was die Leute sagen, definitiv ein Typ. Einen Tag ist der Politiker, den anderen Umweltschützer, dann Komponist, Model, Designer und bei allem nebenbei noch Rennfahrer und Botschafter für irgendwas. Bei aller Liebe, man kann nicht sagen, dass er langweilig ist.

Wie erklären Sie sich dann diesen Ruf nach Charakterköpfen, wie es zum Beispiel Niki Lauda und James Hunt waren?

Ebel: Die Fahrer damals waren natürlich schon anders drauf. Da hat niemand so einen Schwachsinn gemacht wie in Singapur und gesagt, wir bleiben jetzt in der europäischen Zeitzone. Die haben in der Startaufstellung auch kein Müsli und keine Pellkartoffeln gegessen. Da muss man sich nur den Unterschied zwischen Vater und Sohn Rosberg angucken. Keke stand am Abend vor dem Rennen noch mit einem Glas Champagner und einer Zigarre in den Händen auf der Straße, während Nico in der Startaufstellung Pellkartoffeln gegessen hat, damit er die Energie beim Start freisetzen kann. Es geht heutzutage aber um mehr Geld. Die Sponsoren möchte man nicht enttäuschen, deswegen sagt man lieber nichts als etwas Falsches. Das sieht man auch im Fußball. Es ist immer schwierig, die verschiedenen Zeiten miteinander zu vergleichen.

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Kommen wir auf die neue Saison zu sprechen. Bei den Winter-Testfahrten machte Mercedes den im Vergleich zu Ferrari langsameren Eindruck. Dürfen sich die Formel-1-Fans auf ein neues Kräfteverhältnis freuen?

Ebel: Da ist natürlich immer viel Schattenboxen bei, aber Ferrari scheint sich zumindest nicht verzockt zu haben. Auch der Honda-Motor ist wirklich gut, daher rechne ich mit einem Dreikampf. Bei Mercedes wird es Hamilton sein, bei Red Bull Verstappen. Bei Ferrari muss Sebastian erst einmal Charles Leclerc aus dem Weg räumen. Der hat es innerhalb des Teams am schwersten. Da darf man also gespannt sein.

Zum Abschluss eine kleine Prognose: Werden Vettel oder Hamilton Schumachers Rekord von sieben WM-Titeln knacken?

Ebel: Ich glaube nicht. Das ist eine zu große Zahl für beide. Und Verstappen wird da auch etwas gegen haben.