Damals, als Ferrari noch Titel sammelte, als ein gewisser Michael Schumacher die Formel 1 in ein leuchtendes Rot tauchte und Rekorde im Vorbeigehen sammelte, da war Stefano Domenicali einer der führenden Köpfe in Maranello. Als Sportdirektor des Formel-1-Teams gestaltete er die legendäre Ära mit, in der die Lichtgestalt Schumacher von 2000 bis 2004 ununterbrochen Weltmeister war.
An seiner Seite hatte Domenicali einen Teamchef namens Jean Todt, heute Präsident des Automobil-Weltverbandes FIA, und einen genialen Technikchef namens Ross Brawn, seit vier Jahren Sportdirektor der Formel 1. Dieses Triumvirat ist künftig wieder vereint: An der Spitze der Formel 1, wo Domenicali im Januar 2021 den seit 2017 amtierenden CEO Chase Carey ablösen wird. Formel-1-Eigner Liberty Media bestätigte den Wechsel am Freitag.
Dass Chase Carey, der US-Manager mit dem gewaltigen Schnauzbart, seinen Platz nach vier Jahren räumt, soll bereits zu Beginn seiner Amtszeit klar gewesen sein. Der 66-Jährige, der sich selbst nicht als "Petrolhead", sondern als Sportfan bezeichnet und dessen Herz den New York Yankees gehört, soll der Formel 1 in beratender Funktion erhalten bleiben. So wie vor ihm bereits der im Januar zurückgetretene Finanzchef Sean Bratches, dessen Aufgaben Carey zuletzt mit übernommen hatte.
Und nun also Stefano Domenicali, der Mann, der als Teamchef im Jahr 2007 den bis dato letzten WM-Triumph für Ferrari durch Kimi Räikkönen mitverantwortete und Maranello 2014 nicht im allerbesten Einvernehmen verließ. Er ging dann zunächst zu Audi, von dort 2016 zur VW-Tochter Lamborghini, wo er als CEO etliche Neuerungen auf den Weg brachte und die Verkaufszahlen deutlich verbesserte. Der Top-Manager gilt als ruhig und umgänglich mit herausragenden Qualitäten in der Personalführung. Er setze sich, so formulierte es die Gazzetta dello Sport, "mit einem Lächeln durch".
Formel 1: Hilft Domenicali Ferrari zum Wiederaufstieg?
Ob er mit seinem Lächeln auch dem taumelnden Formel-1-Riesen Ferrari wieder in die Spur helfen kann, ob seine Berufung an die Spitze der Vollgas-Branche vielleicht sogar unter anderem diesem Zweck dienen soll, ist zumindest nicht ausgeschlossen. Klar ist, dass der studierte Betriebswirt für die Scuderia ein wichtiger Ansprechpartner sein wird, zumal er stets betont, dass jede Krise eine große Chance birgt.
Dass Formel-1-Eigner Liberty Media sich bei der Suche nach einem Nachfolger für Chase Carey letztlich für Domenicali entschied, ist eine kleine Überraschung. Zuletzt war unter anderem Mercedes-Teamchef Toto Wolff als heißer Kandidat gehandelt worden, neben ihm galten auch Christian Horner (Red Bull) und Zak Brown (McLaren) als nicht ganz chancenlos.
Chase Carey hinterlässt in jedem Fall ein bestelltes Haus. Die Concorde-Vereinbarung, in der die kommerziellen Voraussetzungen für die kommenden fünf Jahre geregelt sind, hat er mit den zehn Teams ausgehandelt und verabschiedet. Die Basis für die Zukunft der Formel 1 ist gelegt, nun ist Domenicali am Zug. "Er wird strategische Beschlüsse zur Revitalisierung der von der Coronapandemie schwer gebeutelten Formel 1 ergreifen müssen", schrieb der Corriere della Sera. Wahrscheinlich tut er das mit einem Lächeln.