Am kommenden Sonntag ist es endlich wieder so weit. Die Formel 1 kommt aus der Winterpause zurück. Bevor die Boliden aber um den Sakhir International Circuit rasen (ab 17 Uhr im LIVETICKER), klärt SPOX die wichtigsten Fragen zum Saisonstart: Holt sich Lewis Hamilton seinen achten WM-Titel? Wie werden sich Sebastian Vettel und Mick Schumacher schlagen? Und wer könnte die Überraschung werden?
Was ist zur Saison 2021 neu?
Deutlich weniger als zunächst geplant. Die für 2021 geplante große Revolution in Sachen Boliden und Regelwerk ist aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie schon im vergangenen Jahr auf Eis gelegt worden und soll nun erst zur kommenden Saison umgesetzt werden. Einige Dinge ändern sich aber dennoch.
Die Formel 1 will endlich wieder eine Rennserie sein, in der die Kleinen durch gute Arbeit die Großen schlagen können. Die jahrelang andauernde Dominanz von Mercedes soll ein Ende finden. Eingeführt wird deshalb eine neue Budgetgrenze. Ab diesem Jahr beträgt sie 145 Millionen US-Dollar (gut 120 Millionen Euro), in den kommenden Jahren soll sie stetig weiter sinken. Auch wenn der große Effekt erst 2022 zu erwarten ist, hilft es den kleineren Teams, näher an die Big Player heranzurücken.
Im technischen Bereich sind vor allem die neuen Beschränkungen des Unterbodens interessant. Dort wurde eine Beschneidung vorgenommen, um den Boliden etwa zehn Prozent des Abtriebs zu kappen und sie langsamer zu machen. Grund dafür ist Reifenhersteller Pirelli, der zur neuen Saison keine neuen Pneus an den Start bringen wird. Schnellere Autos hätten dies aber verlangt.
Hinzu kommen ein Verbot des 2020 von Mercedes entwickelten DAS-Systems, welches eine Justierung der Lenkung während des Fahrens ermöglichte, eine Erhöhung des Minimalgewichts auf 749 Kilogramm und ein extra neu eingeführter Regelabschnitt, der das Kopieren von eigens konstruierten Teilen verhindern soll. Letzterer verhindert von nun an einen zweiten "pinken Mercedes".
Auch auf dem Fahrermarkt hat sich im Vergleich zum Vorjahr einiges getan. Neben Mick Schumacher kommen mit Fernando Alonso, Yuki Tsunoda und Nikita Mazepin drei neue Gesichter (zurück) in die Formel 1. Mit den zur letzten Saison identischen Fahrerpaarungen gehen lediglich Mercedes, Alfa Romeo und Williams an den Start.
Holt sich Lewis Hamilton seinen achten Weltmeistertitel?
In Anbetracht der Tatsache, dass sich aufgrund der weitestgehenden Einfrierung des Reglements sowie der nur bedingten Weiterentwicklung der Boliden an den Rahmenbedingungen für 2021 kaum etwas geändert hat, müssten eigentlich Lewis Hamilton und Mercedes als die unangefochtenen Top-Favoriten ins neue Jahr starten. Der Weg des Briten zum achten WM-Titel und dem damit verbundenem alleinigen Rekord schien wie ein Spaziergang.
Doch der W12 hatte bei den Testfahrten mit ungeahnten Problemen zu kämpfen. Mit lediglich 1.645 Kilometern legte man die wenigsten aller Teams zurück und auch die von Hamilton gesetzte, schnellste Runde der Silberpfeile war über eine Sekunde langsamer als die Top-Zeit von Max Verstappen. Laut Teamchef Toto Wolff sei der Bolide für beide Piloten "einfach ein wenig giftig zu fahren und auch gerade bei Seitenwind relativ instabil". Großes Problem scheint die fehlende Balance und das unkontrollierbare Heck zu sein.
"Ein flaches Auto wie der Mercedes hat das Zentrum des Anpressdrucks schön mittig unter dem Auto. Durch den Einschnitt (am Unterboden, Anm. d. Red.) verlieren sie im hinteren Teil Anpressdruck und das Zentrum des Anpressdrucks wandert dadurch nach vorne. Dadurch ist das Auto aus der Balance", schätz Experte Marc Surer bei formel1.de die Lage um den Silberpfeil ein.
Ein Problem, was zwar bei den Testfahrten zu teils gehörigen Schwierigkeiten führte und dem Team wertvolle Kilometer kostete, in der Summe aber relativ leicht zu beheben ist und beim Saisonstart in Bahrain kein Thema mehr sein sollte. "Für mich ist es nur ein Balanceproblem, das sie in den Griff kriegen müssen", so Surer. Wolff ließ zudem durchblicken, dass man wohl mit relativ viel Benzin unterwegs gewesen ist. "Ich denke, wir waren in Bahrain mit Sicherheit das schwerste Team, was den Sprit betrifft."
Dennoch sollte Mercedes sich vor einem Team ganz besonders in Acht nehmen: Red Bull. Die Österreicher erlebten ihrerseits ein starkes Testwochenende und machen sich, auch dank einer neuen Fahrerpaarung, große Hoffnungen, die Mercedes-Dominanz in diesem Jahr endlich durchbrechen zu können.
An die Seite der klaren Nummer eins namens Max Verstappen nimmt 2021 Sergio Perez Platz. Der Mexikaner überzeugte im vergangenen Jahr mit starken Leistungen und ist gegenüber Vorjahrespilot Alexander Albon ein deutliches Upgrade. Zwei starke Piloten dürften Red Bull speziell in Sachen Taktik neue Optionen geben. Wenn das Auto nun den Eindruck der Wintertests bestätigen kann, hat RB für die kommende Saison das vielleicht beste Gesamtpaket des Feldes. Für einen Angriff auf Mercedes scheint man bereit.
Was ist von Sebastian Vettel zu erwarten?
Nach fünf gemeinsamen Jahren endete 2020 für Sebastian Vettel das Kapitel Ferrari. Der Traum vom Titel in Rot ging nicht in Erfüllung, stattdessen geht der 33 Jahre alte Heppenheimer in der kommenden Saison für Aston Martin an den Start, das den Platz als Nachfolgerennstall von Racing Point einnimmt.
Für Gerhard Noack, Entdecker und langjähriger Förderer Vettels die Richtige Entscheidung. "Das ist das Beste, was er machen konnte. Zu seiner Anfangszeit war Ferrari noch ein Rennstall, mit dem man um Titel kämpfen konnte. In den letzten beiden Jahren sind sie aber fast schon zu einem Hinterbänkler-Team geworden", sagt Noack gegenüber SPOX. Mit Aston Martin hätte Vettel seiner Meinung nach "den richtigen Schritt gemacht. Ich freue mich für ihn. Ich glaube, er ist ganz guter Dinge, auch wenn die Tests nicht ganz so gut gelaufen sind".
Dort hatten die Engländer nämlich vor allem an den ersten Tagen immer wieder mit der Zuverlässigkeit ihres Boliden zu kämpfen. Vettel kam auf lediglich 117 Test-Runden, die wenigsten aller Stammfahrer des diesjährigen Fahrerfeldes. Zudem war auch die Pace des AMR21 keineswegs überragend, im der Zeitenjagd war nur Haas auf eine Runde noch langsamer. Für Experte Marc Surer ist Aston Martin deshalb auch eines der großen Fragezeichen vor Saisonstart: "Die haben ja keinen Motor gewechselt, wie McLaren das gemacht hat, und trotzdem hatten sie alle möglichen Probleme. Das gibt einem ein bisschen zu denken."
gettyVettel selbst beschäftigt sich mit solchen Details nicht. "Ist alles relativ", zog er nach den Tests Zwischenbilanz. "Es ist natürlich vieles neu, und die Bedingungen waren auch nicht die besten. Am letzten Tag lief es ein bisschen besser für mich, aber die ersten zwei Tage waren ziemlich brutal", so der Heppenheimer. Was das Kräfteverhältnis betrifft, sähe es für ihn "ziemlich eng aus. Und es wäre gut, wenn es so wäre".
Ob Vettel, der seinem neuen Dienstwagen in Anlehnung an das erste Bond-Girl den Namen "Honey Ryder" gegeben hat, und Aston Martin also schon in diesem Jahr Podestplätze und Siege einfahren können, werden die ersten Rennen zeigen. Ziel der Briten ist es ohnehin, sich in den kommenden Jahren kontinuierlich zu entwickeln - Vettel soll dabei mit seiner Erfahrung und Expertise eine zentrale Rolle spielen.
"Ich denke, dass er mindestens die kommenden zwei, vielleicht drei Jahre dort fahren wird. Er hat so viel Erfahrung wie nur wenige andere in diesem Sport. Ein erfahrener Fahrer kann einem Team viel vermitteln und sich einbringen", meint auch Noack. Sollte der Traditionsrennstall in dieser Zeit Fortschritte machen, traut Noack Vettel sogar zu, noch einmal ganz vorne angreifen zu können. "Ich traue ihm auch mit Aston Martin zu, noch einmal Weltmeister zu werden. Man muss nur das richtige Material und Team hinter sich haben sowie Leute, die zu einem stehen. Das Fahren hat er ja nicht verlernt."
Was ist von Mick Schumacher zu erwarten?
Genau 30 Jahre nach dem ersten Rennen seines Vaters sind alle Augen der Formel-1-Welt auf das Debüt des nächsten "Schumis" gerichtet. Die Gefahr, dass ihm sein Name sowie der immense Druck der Öffentlichkeit zum Verhängnis werden, besteht durchaus.
Der Name Schumacher sorge "für viel Aufmerksamkeit, davon profitiert die ganze Serie", sagt Formel-1-Chef Stefano Domenicali. Zugleich sieht der Italiener den immensen Druck, der daraus entsteht: "Man muss Mick die Chance geben, sich in Ruhe zu entwickeln." Vieles wird auf Schumacher einprasseln in den kommenden Tagen und Wochen, ein normales Debüt wird es nicht geben.
Mick Schumacher vor seinem Debüt: Das Lebensgefühl "Schumi" kehrt zurück
Erschwerend hinzu kommt, dass sich sein diesjähriges Dienstauto, der Haas VF-21, bei den Testfahrten nicht unbedingt mit Ruhm bekleckerte. Während man bei der Konkurrenz der vergangenen Saison, Alfa Romeo und Williams, in Sachen Performance einen deutlichen Schritt nach vorne erkennen konnte, gurkte Haas am Ende des Feldes herum. Weder in den Longruns noch auf eine Runde scheint der Haas schnell genug, um irgendein anderes Auto des aktuellen Feldes schlagen zu können.
gettyVergleiche mit seinem Vater sind da wenig förderlich, findet auch Noack: "Für ein Kind ist es immer ein Problem, wenn man mit seinem Vater verglichen wird, bei dem Namen Schumacher noch einmal ganz besonders." Dennoch glaubt er, dass Mick das Talent habe, um der Aufgabe Formel 1 gewachsen zu sein. "Mick kommt wie fast alle Formel-1-Fahrer aus dem Kartsport. Dort ist es so, dass man sich immer wieder durchsetzen muss und zeigen muss, was man kann, um weiterzukommen." Nach einer "Lern- und Entwicklungsphase" traut Noack Schumacher sogar den Sprung zu einem "aussichtsreichen Team" zu.
In seiner ersten Saison in der Königsklasse für sportliche Highlights zu sorgen, wird für Mick Schumacher sehr schwer. Bei chaotischen Bedingungen, vielen Ausfällen oder einem Regenrennen besteht zwar eventuell die Möglichkeit, das ein oder andere Mal in die Punkte zu fahren, der Regelfall sollte dies aber nicht sein. Stattdessen sollte er sich primär darauf konzentrieren, regelmäßig seinen Teamkollegen Nikita Mazepin zu schlagen. Das Zeug dazu sollte er haben.
Wer wird zur großen Überraschung?
Neben dem japanischen Neuling Yuki Tsunoda, der im AlphaTauri nach Max Verstappen mit der zweitschnellsten Zeit überhaupt aufhorchen ließ und von dem man beim Mutterteam Red Bull große Stücke hält, zeigten auch Alfa Romeo und Alpine bei den Testfahrten Leistungen, mit der sie für die eine oder andere Überraschung gut sein könnten.
Eine Kombination darf 2021 jedoch zu den ganz heißen Eisen gezählt werden: Daniel Ricciardo und McLaren. Der Australier geht in sein insgesamt zehntes Formel-1-Jahr, zählt also trotz seiner erst 31 Jahre schon zu den erfahrensten Piloten im Feld. Seine Qualität hat er in dieser Zeit unzählige Male unter Beweis gestellt. Unter anderem schlug er in seiner ersten Red-Bull-Saison den damals amtierenden Weltmeister Sebastian Vettel im teaminternen Duell, auch gegen Megatalent Max Verstappen bewegte er sich stets auf Augenhöhe.
getty"Er ist die Bezugsgröße, die wir für unsere Entwicklung noch brauchten", sagt Teamchef Andreas Seidl über Ricciardo, denn man wisse: "Hat er das passende Material, dann kann er Rennen gewinnen." Und da will McLaren hin. Beim britischen Traditionsrennstall geht es seit drei Jahren stetig bergauf, im vergangenen holte das Team hinter Mercedes und Red Bull Rang drei in der Konstrukteurs-WM. Zudem wird das ohnehin schon starke Auto ab dieser Saison nicht mehr von einem Renault- sondern von einem Mercedes-Motor angetrieben, von der besten Power-Unit der Königsklasse.
Kann McLaren den guten Eindruck der Testfahrten bestätigen, ist mit Ricciardo zu rechnen. Wenn die großen Teams schwächeln, sind Podestplätze drin, an chaotischen Tagen vielleicht sogar mehr.