Formel 1 - Erkenntnisse zum Ungarn-GP: Jetzt wird der Titelkampf richtig schmutzig - Vettels P2 ist noch zu retten

Christian Guinin
02. August 202108:15
Max Verstappen und Lewis Hamilton bei der Fahrerparade beim Ungarn-GP.getty
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Während beim Großen Preis von Ungarn zwischen Mercedes und Red Bull die nächste Fehde ausbricht und es im Titelkampf jetzt so richtig schmutzig werden könnte, wird ein Ex-Weltmeister zum Königsmacher von Esteban Ocon. Derweil herrscht Verwirrung um Sebastians Vettel aberkannten Podestplatz. Die Erkenntnisse zum Ungarn-GP.

1. Jetzt wird der Titelkampf richtig schmutzig

Böse Zungen würden behaupten, dass Valtteri Bottas an diesem Wochenende seinen Job in Perfektion erfüllt hat. Wegen des durch ihn ausgelösten Massencrashs in Runde eins des Ungarn-GPs wurde das Rennen von Mercedes' härtestem Konkurrent im Kampf um den Titel, Max Verstappen, ruiniert, Sergio Perez im zweiten Red Bull konnte den GP gar nicht einmal mehr fortsetzen.

Wie war es dazu gekommen? Kurz vor Rennbeginn war ein kurzer, aber heftiger Regenschauer über den Hungaroring in Budapest gezogen, was einen Start unter nassen Streckenbedingungen zur Folge hatte. Auf der feuchten Start-und-Zielgeraden kam der Finne schlecht vom Fleck und musste seinen Platz an McLaren-Pilot Lando Norris abdrücken. Beim Anbremsen auf Kurve eins verschätzte sich Bottas schließlich, seine Vorderreifen blockierten und er rauschte mit voller Wucht in das Heck von Norris. Dieser wiederum kam ebenfalls ins Schlittern und räumte Verstappen ab, der bereits zum Einlenken abgesetzt hatte. Auch Perez konnte der Finne letztlich nicht mehr ausweichen.

Selbstverständlich muss an dieser Stelle betont werden, dass Bottas - entgegen der Meinung einiger wütender RB-Fans - dieses Manöver nicht mit Absicht durchgeführt hat. Das erste Mal überhaupt in seiner Karriere musste der Mercedes-Pilot seinen Boliden in der ersten Runde abstellen, auch sonst ist Bottas keineswegs als unfairer Sportsmann bekannt. Und dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, auch weil es nach dem viel diskutierten Crash in Silverstone schon das zweite Mal ist, dass Verstappen durch die Handlung eines Mercedes-Piloten um wichtige WM-Punkte gebracht wurde.

Gleich zwei RB-Autos wurden durch das Zutun von Bottas abgeräumt.getty

Horner: Bottas mit "tollem Job für Mercedes"

Das spielgelt sich auch im Verhalten der Beteiligten wieder, vor allem auf Red Bulls Seite scheint der Geduldsfaden langsam zu reißen. "Es war natürlich die Schuld von Bottas. Es war wieder ein Mercedes-Auto", tobte Verstappen nach Ende des Rennens, welches er im Gegensatz zum Großbritannien-GP immerhin noch als Zehnter beendete.

Sein Teamchef Christian Horner schlug in eine ähnliche Kerbe. Bottas habe "einen tollen Job für Mercedes gemacht, indem er beide unsere Autos rausgekegelt hat." Die Konsequenzen des Unfalls seien "natürlich enorm. Die Teile kosten, der Motor kostet. Da sind auch die Jobs einiger Leute. Und das zu Zeiten der Budget-Obergrenze. Das muss sich die FIA nochmal genau anschauen."

Toto Wolff versuchte den Vorfall herunterzuspielen und sprach von einem "extrem unglücklichen Vorfall. Valtteri ist schlecht weggekommen, dann sind die beiden vor ihm zusammengezogen und dann war es auch schon zu spät." Die Fünf-Platz-Grid-Strafe, die Bottas für das nächste Rennen in Belgien aufgebrummt bekam, werde man bei Mercedes "so hinnehmen, weil die Konsequenzen für die drei Fahrzeuge natürlich enorm waren."

Schon in der Vergangenheit waren sich Red Bull und Mercedes in vielen Dingen uneinig, behandelten sich dabei jedoch immer mit dem nötigen Respekt. Dieser scheint aufgrund der jüngsten Ereignisse etwas abhandengekommen zu sein. Weiteres Feuer legte Horner nach dem Rennen, als er, so berichtete Sky-Experte Nico Rosberg, die Entschuldigung von Wolff für den Crash und den Schaden an beiden RB-Boliden ausgeschlagen habe. Alles läuft darauf hinaus, dass auf die Fans der Formel 1 ein richtig schmutziger Titelkampf zukommt.

2. Sebastian Vettels Podestplatz ist noch zu retten

Bei vielen Zuschauern des Ungarn-GPs waren die Fernseh-/Streaming-Geräte schon aus, als der Automobilverband FIA die Disqualifikation von Sebastian Vettel verkündete. Bei der Kontrolle am Boliden des Heppenheimers, der ursprünglich hinter Überraschungssieger Esteban Ocon den zweiten Platz auf dem Hungaroring eingefahren hatte, wurde am späten Sonntagabend festgestellt, dass der Aston Martin statt der für die Probe benötigten Menge von einem Liter Benzin nur noch etwa 300 Milliliter Sprit im Tank hatte.

Das steht wiederum im Widerspruch zu Artikel 6.6.4 des Technischen Reglements der Formel 1. Dort heißt es, dass der Wettbewerber sicherstellen muss, "dass dem Auto zu jeder Zeit während einer Veranstaltung eine Spritprobe der Menge 1,0 Liter entnommen werden kann." Bei Vettels Aston Martin war genau das nicht der Fall, die Disqualifikation war daher die einzig logische Folge.

Dabei war für Vettel am Rennsonntag zunächst vieles nach Plan verlaufen. Als einer der großen Profiteure des Massencrashs in Runde eins spülte es ihn trotz eines "sehr, sehr schlechten Starts" schnell in die Spitzengruppe auf Rang drei vor. Nach Hamiltons unfreiwilligem Boxenmalheur kletterte er dann sogar auf den zweiten Platz. Von da an fuhr er knapp 70 Runden hinter Esteban Ocon her, für einen wirklichen Angriff reichte es aber nie. P2 fuhr er nach Hause, bis am Abend die Disqualifikation kam.

Bei Aston Martin hat man dennoch noch Hoffnungen, die FIA von einer Revidierung der Entscheidung zu überzeugen. Das britische Team deponierte beim Automobilverband die Absicht, gegen das Urteil in Berufung zu gehen, und rechnet sich gute Chancen aus, die 18 WM-Punkte doch noch zurückzubekommen.

Aston Martin: Noch über 1,5 Liter Benzin im Tank

Demnach hält Aston Martin eine defekte Benzinpumpe für den Grund, dass der für die FIA-Benzinprobe erforderliche Liter nicht aus dem Auto entnommen werden konnte. Genügend Benzin, genauer gesagt über 1,5 Liter sollen sich aber im Auto befunden haben. "Ich kann bestätigen, dass wir vorhaben, einen Protest einzureichen", erklärte AM-Teamchef Otmar Szafnauer gegenüber Motorsport-Total.com. "Sobald wir mehr wissen und sagen können, ob es dafür eine Grundlage gibt, werden wir protestieren."

Nach Berechnungen der Briten "sollten sich noch 1,44 Liter Benzin im Auto befinden. Und zwar nachdem die 300 Milliliter an Probe entnommen wurden. Es sieht danach aus, dass die Förderpumpen das Benzin nicht aus dem Auto kriegen. Genau können wir das aber nicht sagen, denn wir haben das Auto noch nicht auseinandergenommen", führte Szafnauer weiter aus. Man müsse der FIA nun beweisen, "dass das Benzin noch da war, und dass 300 Milliliter genug sind für eine repräsentative Probe. Das wird die Basis unseres Protests sein."

Dass die Regel klar aussagt, dass das Benzin physisch entnommen werden muss, relativierte der Aston-Martin-Teamchef: "Das ist eine alte Regel, die zurückreicht in die Zeit, bevor wir all die Messungen und Sensoren hatten." Aston Martin weiß demnach offenbar genau, wie viel Benzin ins Auto eingefüllt wurde. Und dank des von der FIA homologierten "Fuel-Flow-Meters" kann auch der Verbrauch während des Rennens exakt bestimmt werden. "Der Unterschied zwischen der getankten Menge und der verbrauchten Menge ist das, was noch da sein muss. Und das müssten 1,74 Liter sein", so Szafnauer.

Weil von denen bereits 0,3 Liter entnommen wurden, bleiben 1,44 Liter übrig. Zumindest theoretisch. Denkbar ist auch, dass die Sensoren nicht exakt kalibriert waren, falsche Ergebnisse geliefert haben und Vettel deshalb einfach ohne Benzin ausgerollt ist. Genauere Untersuchungen sollen in den nächsten Tagen folgen. Gute Chancen, dass Vettel seinen zweiten Platz doch noch behalten darf, gibt es aber.

3. Fernando Alonso wird zum Königsmacher

Esteban Ocon war der alles überragende Mann des Rennens auf dem Hungaroring. Mit dem nötigen Rennglück sowie sehr starker Pace holte der Franzose den ersten Sieg seines Teams seit Kimi Räikkönens Triumph in Australien 2013 (damals noch als Lotus-F1-Team) sowie den überhaupt allerersten Sieg seiner Karriere.

Neben der eben genannten fehlerfreien Performance gab es aber noch einen anderen Grund, weshalb Ocon den Triumph letztlich sicher nach Hause fahren konnte. Und dieser hört auf den Namen Fernando Alonso.

Der Ex-Weltmeister zeigte in Budapest einmal mehr, weshalb er mit seinen 40 Jahren noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Im Schlusssprint hielt der Spanier über 10 Runden lang Lewis Hamilton hinter sich, der neben seinem deutlich schnelleren Boliden auch die frischeren Reifen aufgezogen hatte. Das verschaffte Ocon die nötige Zeit. "Es war nicht wirklich sehr hart. Er hatte knapp 1,5 Sekunden Vorteil gegen mich und das schnellere Auto. Aber er hat das nicht ausnutzen können und hat auch ein paar kleine Fehler gemacht. Deswegen ist er lange hinter mir geblieben", beschrieb Alonso den rundenlangen, teils harten, aber insgesamt sehr fairen Zweikampf.

Erst fünf Runden vor Rennende fand der Brite den Weg an seinem ehemaligen Teamkollegen vorbei, da war es aber schon zu spät. Zwar schnappte sich Hamilton noch den an Position drei liegenden Carlos Sainz (Ferrari), ein Angriff auf das Spitzenduo Ocon/Vettel gelang aber nicht mehr. Bei nur 1,5 Sekunden Rückstand auf Vettel hätte Hamilton vielleicht noch zwei bis drei Runden länger gebraucht, um sich den Sieg zu schnappen. Diese Chance hatte er dank Alonso nicht mehr.

Ocon: Alonso "ein fantastischer Kerl"

"Das fühlt sich so gut an. Glückwunsch auch an Fernando, weil ich den Sieg auch ihm und seinen Kämpfen zu verdanken habe. Das ist Teamwork. Es war ein fantastischer Tag", dankte Ocon nach dem Rennen seinem Teamkollegen. "Wir arbeiten zusammen und pushen das Team, damit wir uns verbessern und näher an die Spitze kommen", sagte der Franzose über die Zusammenarbeit mit Alonso, der zuvor bei vielen - vor allem Teamkollegen - nicht immer den besten Ruf genoss und als schwieriger Typ gilt. "Alle haben mir vorher Dinge über Alonso gesagt, aber das ist alles nicht wahr. Ich kann sagen, dass er im Team ein fantastischer Kerl ist, mit dem ich wirklich gerne zusammenarbeite", stellte Ocon klar.

Auch nach dem Rennen konnte man das gute Verhältnis beider Piloten zueinander sehen. Beinahe die gesamte Auslaufrunde fuhren beide nebeneinander her, später ließ Alonso seinen jungen Teamkollegen für dessen Sieg hochleben.

Formel 1: Die WM-Wertung nach 11 von 22 Rennen

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Lewis HamiltonMercedes195
2Max VerstappenRed Bull187
3Lando NorrisMcLaren113
4Valtteri BottasMercedes108
5Sergio PerezRed Bull104
6Carlos SainzFerrari83
7Charles LeclercFerrari80
8Pierre GaslyAlphaTauri50
9Daniel RicciardoMcLaren50
10Esteban OconAlphaTauri39
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Mercedes303
2Red Bull291
3McLaren163
4Ferrari163
5Alpine77
6AlphaTauri68
7Aston Martin48
8Williams10
9Alfa Romeo3
10Haas0