Formel 1 - Erkenntnisse zum Niederlande-GP: Schumacher und Mazepin werden für Haas zum Problem

Christian Guinin
06. September 202111:31
Mick Schumacher und Nikita Mazepin werden wohl keine Freunde mehr.imago images / PanoramiC
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Während Max Verstappen und Red Bull beim Großen Preis der Niederlande einen völlig ungefährdeten Sieg einfahren, geraten die Haas-Teamkollegen Mick Schumacher und Nikita Mazepin wieder aneinander. Die Strecke in Zandvoort bietet derweil die perfekte Unterhaltung, sowohl für Fans als auch für Fahrer. Die Erkenntnisse zum Niederlande-GP.

1. Red Bull und Max Verstappen waren nicht zu schlagen

Nach zwei Rennen, in denen Max Verstappen die Möglichkeit genommen wurde, um den Sieg mitzufahren (Silverstone und Budapest) sowie dem komischen Wochenende in Belgien, triumphierten der Niederländer und sein Rennstall Red Bull sehr souverän in Zandvoort.

Dabei machte Konkurrent Mercedes seine Hausaufgaben nicht einmal schlecht. Die Taktik, die Strategien von Lewis Hamilton und Valtteri Bottas zu splitten und so Verstappen stets zum Reagieren statt Agieren zu zwingen, war clever. Vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass mit Sergio Perez (Start aus der Boxengasse) Red Bull ein wichtiges taktisches Mittel an der Spitze fehlte.

Doch keiner der Versuche, die Konkurrenz zu verunsichern und zu Fehlern zu zwingen, funktionierte. Den ersten Stopp von Hamilton in Runde 21 beantwortete Verstappen eine Runde später, ein Undercut klappte dementsprechend nicht. Danach sollte Bottas wie geplant als Bremsklotz fungieren und den Niederländer aufhalten, dabei wurde auch in Kauf genommen das Rennen des zweiten Mercedes-Piloten zu ruinieren.

Doch auch das schlug fehl. Der zuvor als überholunfreundlich eingestufte Kurs stellte sich nämlich als gar nicht so überholunfreundlich heraus. Ein kleiner Fehler von Bottas beim Herausbeschleunigen aus der letzten Kurve mit abgenutzten Reifen reichte, auf der anschließenden Start-und-Zielgeraden zog Verstappen ohne jegliche Probleme vorbei. Spätestens von diesem Zeitpunkt an war Bottas als taktisches Mittel Geschichte, der Finne sollte im Kampf um den Sieg keine Rolle mehr spielen.

Auch beim zweiten Stopp kann man den Strategen der Silberpfeile wenig vorwerfen. Erneut holte man Hamilton, diesmal sogar mit weniger Rückstand zum Red Bull, zuerst herein, wieder coverte Verstappen das Manöver und blieb vorne. Die anschließende Kritik von Hamilton, man hätte ihn nicht mitten in den Überrundungsverkehr schicken sollen, ist insofern wenig gehaltvoll, dass beinahe überall auf der Strecke Verkehr herrschte. Zudem wollte Mercedes Verstappen frühestmöglich auf die weiche Reifenmischung zwingen, um einen früheren Verschleiß zu provozieren.

Wolff über Hamilton-Kritik: "Das ist in Ordnung"

Doch die Österreicher machten erneut alles richtig. Anstatt der weichen Mischung wählte man den (zuvor wenig getesteten und deshalb mit etwas Risiko behafteten) härtesten Reifen für den letzten Stint. Verstappen hatte auf den Hards keinerlei Schwierigkeiten das Tempo Hamiltons zu fahren und auf schnelle Rundenzeiten des Briten zu reagieren. Mit aller Kraft versuchte Hamilton schließlich eine Entscheidung auf der Strecke zu erzwingen, ins DRS-Fenster des Niederländers kam er aber nie.

"Im Nachhinein ist man immer schlauer", meinte Mercedes-Teamchef Toto Wolff im Anschluss. An der Strategie seines Teams übte er keine Kritik. "Wir hatten nicht erwartet, dass sie auf den harten Reifen gehen würden, weil der eine Unbekannte war. Wir sind den Hard am Freitag nicht gefahren und dachten, dass wir sie früh zu den Softs zwingen können. Aber es ist, wie es ist", sagte Wolff.

Dass Hamilton während und nach dem Rennen deutliche Kritik äußerte, ist für Wolff in Ordnung: "Wir sind jetzt im neunten Jahr gemeinsam. Dem Fahrer musst du ein Ventil geben. Wenn du frustriert im Auto bist, und es läuft nicht so, wie du willst, dann spei dich auch mal aus. Das ist in Ordnung. Wir nehmen das. Dafür sind wir da, das abzudämpfen."

Der WM-Kampf geht nach mehreren Mercedes-Triumphen somit wieder an Red Bull. Ändern könnte sich das in der kommenden Woche schon in Monza - traditionell eine Mercedes-Strecke. Vielleicht ist es dann genau anders herum und Mercedes und Lewis Hamilton nicht zu schlagen.

2. Für Haas wird die Kombi Schumacher/Mazepin zum Problem

Gute Freunde werden Nikita Mazepin und Mick Schumacher in diesem Leben wohl nicht mehr. In Zandvoort haben die Spannungen zwischen den beiden Haas-Rookies einen neuen Höhepunkt erreicht. Während Mazepin sich über den Vorfall am Qualifying-Tag echauffierte, teilte Schumacher am Tag danach kräftig gegen den Russen aus.

"Ich bin Russe. Ich glaube, wir Russen sind sehr direkt", sagte Mazepin am Samstag. Ein Satz, der fast wie eine Drohung klingt - und eine harte Verbalattacke gegen Schumacher einleitete: "Ich mag es nicht, wenn jemand dreist ist, obwohl es nur um den 19. Platz geht. Das zeigt dessen wahres Gesicht, und das toleriere ich nicht."

Zuvor waren beide Haas-Piloten im Schlussspurt von Q1 aneinandergeraten. Schumacher fuhr zunächst, genau wie abgemacht, hinter Mazepin aus der Box. Weil es am Boxenausgang staute, fiel seine Reifentemperatur in den Keller. Deshalb erkundigte sich der Deutsche, ob er überholen dürfe - und bekam von der Boxenmauer grünes Licht.

Aus Mazepins Sicht sah die Sache ein bisschen anders aus. Er wurde in der Aufwärmrunde von seinem Renningenieur angewiesen, höher als sonst durch Kurve drei zu fahren. Prompt schlüpfte Schumacher innen durch, worauf der Russe erbost funkte: "Ich dachte, Mick darf mich nicht überholen? Das ist nicht okay. Ihr habt gesagt, er darf nicht überholen!" Eine schnelle Runde ging sich im Anschluss nicht mehr aus, was Mazepin noch mehr auf die Palme brachte: "What the fuck? Ihr habt mir gesagt, ich bin das erste Auto!"

Nikita Mazepin und Mick Schumacher gerieten wieder aneinander.getty

Schumacher: "Solche Aktionen sind lebensgefährlich"

Auch am Tag danach kam es zum direkten Aufeinandertreffen auf der Strecke - und wieder sollte es problematisch ablaufen. Am Ende der ersten Rennrunde setzte Schumacher zu Beginn der Start-und-Zielgeraden mit ordentlich Geschwindigkeitsüberschuss zum Überholen an. Mazepin zog in der Voraussicht, seinen Platz an den Teamkollegen zu verlieren, in Richtung des Schwesterautos. Schumacher musste blitzschnell ausweichen, nur Dank der schnellen Reaktion sowie einer Portion Glück konnte ein heftiger Crash verhindert werden.

"Mit dieser Aktion hat er nichts in der Formel 1 zu suchen", schimpfte Micks Onkel Ralf Schumacher nach dem Rennen bei Sky. "Solche Aktionen bei Hochgeschwindigkeiten sind lebensgefährlich. Da muss das Team dringend eingreifen."

Mick selbst stufte die Aktion ebenfalls als gefährlich ein. "Und was war das, bitte?", fragte er zunächst noch über den Boxenfunk, nach dem Rennen wurde der 22-Jährige dann deutlicher. "Im Endeffekt ist da die Boxenmauer. Wenn man die mitnimmt, schleudert es das Auto in die Luft und es fliegt in die Leute rein oder weiß der Teufel, was da passieren kann. Er hat mir das Rennen kaputtgemacht, weil dann mein Frontflügel kaputt war und wir reinkommen mussten. Das ist nicht richtig." Die Rennleitung solle ein Auge auf Mazepin haben: "Das mit Nikita ist nicht nur mir passiert, sondern mehreren Fahrern auf dem Grid. Sergio Perez ist auch zu mir gekommen und hat gefragt: 'Was macht der?'"

Teamchef Steiner will die Situation intern klären, einen klaren Schuldigen macht er aber nicht fest. "Es ist passiert, also werden wir daran arbeiten, eine Lösung zu finden." Ein klärendes Gespräch solle es geben, ob das jedoch fruchtet, darf bezweifelt werden. "An mir soll es nicht liegen", meinte Schumacher, dennoch habe der Deutsche Zweifel, ob bei Mazepin ein Einsehen erfolgen wird. Er vermisse einen "gewissen Respekt" beim Russen.

Der große Verlierer des erneuten Hahnenkampfes zwischen den beiden Piloten ist Haas aber selbst. In dieser Saison mag das noch keinen Unterschied machen, schließlich fährt man Woche für Woche um die goldene Ananas, im kommenden Jahr, wenn sowohl Schumacher als auch Mazepin voraussichtlich erneut im Haas Platz nehmen werden, könnte es aber zum Problem werden. Schließlich wird das Feld mit einer neuen Rennwagen-Generation komplett durcheinandergewürfelt, Haas könnte dementsprechend wieder ein Punktekandidat sein. Und dann ist ein solcher Konflikt zwischen den zwei Fahrern äußerst unpraktisch.

3. Die Formel 1 braucht Strecken wie Zandvoort

"Wir geben Zandvoort für die Zukunft mit Sicherheit den Daumen nach oben", sagte Alpine-Pilot Fernando Alonso nach dem Qualifying angesprochen auf den Spaßfaktor des Circuit Park Zandvoort. Der Spanier steht damit stellvertretend für die Meinung der meisten Piloten über den 4,25 Kilometer langen Kurs. Viel war im Vorfeld über das Comeback der Strecke gesprochen worden, als "zu langweilig" und "nicht mehr zeitgemäß für die moderne Formel 1" war sie abgestempelt worden.

Doch nach den ersten beiden Fahrtagen sind sich die meisten Fahrer im Grunde einig: Die Formel 1 braucht Strecken wie Zandvoort. "Das ist eine großartige Strecke", feierte Lewis Hamilton, der sie in einem Atemzug mit Suzuka, Silverstone und Spa nennt. "Das sind die Originalstrecken, und die hier ist einfach phänomenal zu fahren." Sogar als seine "neue Lieblingsstrecke" bezeichnete sie der amtierende Weltmeister.

Mit seiner schnellen und flüssigen Natur mag Zandvoort für den Rennsonntag nicht optimal designt sein, doch auch in diesem Punkt stellte sich die Strecke als nicht so schlimm wie befürchtet heraus. Bestes Beispiel ist unter anderem Sergio Perez, der trotz eines überflüssigen Boxenstopps (wegen eines Reifenplatten) sowie ohne die Hilfe einer Safety-Car-Phase o.Ä. aus der Box startend bis auf Platz acht vor fuhr. Für die Fahrer ist die Strecke zudem eine echte Herausforderung. Vor allem im Qualifying mit wenig Sprit haben die Piloten auf kaum einer anderen Strecke so viel Spaß.

Denn Zandvoort hat eine Menge zu bieten: Vor dem Wochenende wurde viel über die beiden neuen Steilkurven gesprochen, die in der Formel 1 einzigartig sind, doch auch andere Stellen haben es in sich. Es geht bergauf, bergab, es gibt blinde Kurveneingänge und an kaum einer Stelle darf man sich einen Fehler erlauben, weil es keine asphaltierten Auslaufzonen gibt. Fahrer müssen sich dementsprechend im Verlauf des Wochenendes von unten an die Strecke herantasten - und das stößt auf Gefallen. "Die Strecke gehört definitiv zu meinen Top 5", meinte Lokalmatador Max Verstappen.

Die Strecke in Zandvoort hat viel Abwechslung zu bieten.imago images / ANP

Wolff: "Dann machst du dir in die Hose"

Für Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff ist Zandvoort eine Blaupause, wie Strecken in der Formel 1 aussehen müssen: "Das ist eine richtige Rennstrecke. Du musst dich langsam herantasten, weil es herausfordernd ist, weil es schnell ist und Fehler so bestraft werden, wie es sein muss. Keiner spricht über Tracklimits. Ist das nicht toll?", so Wolff. "Und wenn du die Onboards anschaust, dann machst du dir in die Hose!"

Natürlich gab es auch einige Stimmen, die vor dem Wochenende Sicherheitsbedenken hatten. Denn Zandvoort passt eben so gar nicht zu den modernen Strecken wie Abu Dhabi oder Le Castellet, die weder bei Fahrern noch bei Fans wirklich beliebt sind. in Zandvoort sind die Streckenbegrenzungen trotz hoher Geschwindigkeiten noch nah - auch nach der Modernisierung der Anlage.

"Natürlich möchtest du niemals in die Begrenzung einschlagen, aber das gehört dazu", meinte Verstappen. "Wir fahren auch in Monaco, oder? Und dort sind die Leitplanken natürlich noch näher dran." Ein Abflug ist dank der installierten Tech-Pro-Barrieren aber vergleichsweise sicher. "Die sind wirklich hochmodern. Natürlich kann man dann das Auto abschreiben, aber sie sind beim Aufprall wie eine Art Kissen. Es tut weh, aber nicht zu sehr. Es herrscht eine gute Balance zwischen Chance und Risiko", sagte McLaren-Pilot Daniel Ricciardo.

Abgerundet wird das Gesamtpacket von den frenetisch feiernden Massen, welche das Wochenende in Zandvoort wohl zu einem der absoluten Highlights des Jahres machen dürften. "Es war unglaublich, so viele Fans auf den Tribünen zu sehen", meinte Ferrari-Teamchef Mattia Binotto. Und auch Wolff zeigte sich von der Atmosphäre begeistert: "Das war sehr stark. Das ist eine neue Messlatte in Sachen Stimmung."

Formel 1: Die WM-Wertung nach 13 von 22 Rennen

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull224,5*
2Lewis HamiltonMercedes221,5*
3Valtteri BottasMercedes123
4Lando NorrisMcLaren114
5Sergio PerezRed Bull108
6Charles LeclercFerrari92
7Carlos SainzFerrari89,5*
8Pierre GaslyAlphaTauri66
9Daniel RicciardoMcLaren56
10Fernando AlonsoAlpine46
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Mercedes344,5*
2Red Bull332,5*
3Ferrari181,5*
4McLaren170
5Alpine90
6AlphaTauri84
7Aston Martin53
8Williams20
9Alfa Romeo3
10Haas0
  • *Beim 12. WM-Lauf in Belgien wurden aufgrund der nicht vollständig absolvierten Renndistanz nur halbe Punkte vergeben.