Formel 1 - Kommentar zu den Massencrashs im Australien-GP: Die Bosse denken zu viel an Netflix!

Von Christian Guinin
Formel 1, GP Australien, Crash
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Beim Großen Preis von Australien überschlagen sich kurz vor Rennende die Ereignisse. Rote Flaggen, Safety-Car-Phasen und Rennunterbrechungen sorgen für chaotische Schlussrunden, die bei Verantwortlichen und Experten gleichermaßen Kritik hervorrufen. Der Rennleitung den schwarzen Peter dafür gänzlich zuzuschieben, wäre falsch, an der Entstehung des Durcheinanders hat sie aber durchaus einen großen Anteil. Ein Kommentar.

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Und täglich grüßt das Murmeltier. Der letzte Rant über die Rennleitung der Formel 1 ist noch keine zwei Wochen her, da sorgen die Regelhüter beim Großen Preis von Australien schon für die nächsten fassungslosen Gesichter bei Fahrern, Fans und Verantwortlichen.

Aber von Anfang an: Dass wir überhaupt über die Geschehnisse in der Schlussphase beim Rennen in Melbourne diskutieren müssen, haben wir Nico Hülkenbergs Teamkollege Kevin Magnussen zu verdanken. Dieser manövrierte seinen Haas drei Runden vor Rennende mit einem, vorsichtig formuliert, sehr fragwürdigen Aussetzer in die Streckenbegrenzung und sorgte für den Einsatz des Safety Cars. So weit, so gut.

Anstatt das Feld für die verbliebenen Umläufe aber ganz entspannt - und dem Rennverlauf auch absolut angemessen - hinter dem Fahrzeug ins Ziel fahren zu lassen, entschied sich die Rennleitung, das Rennen abzubrechen und alle verbliebenen 16 Piloten an die Boxengasse zurückzubeordern. Hier muss das erste Mal das Urteilsvermögen der Stewards in Frage gestellt werden, schließlich gab es für die Rote Flagge keinen wirklich triftigen Grund.

Weder befand sich das Auto Magnussens an einer für den Boliden-Lindwurm hinter dem Safety Car unpassierbaren Stelle, noch waren die äußeren Bedingungen für ein Weiterfahren auf der Strecke nicht gegeben. Aller Voraussicht nach wäre es ohnehin nicht mehr zu einer Rückkehr in den Renntrimm gekommen, da die Aufräumarbeiten am Wrack des Dänen deutlich länger als die noch zu absolvierenden drei Runden gedauert hätten.

Formel 1, Australien-GP, Melbourne
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Formel 1, Australien-GP: Massenkarambolage nach stehendem Restart

Dass die Rennleitung aber das Rennen auch im Sinne der Action partout wieder stehend starten und die letzten drei Runden im Renntempo absolvieren lassen wollte, müssen sich die Kommissare ankreiden lassen. Wenn auch vor allem wegen ihres fehlenden Fingerspitzengefühls davor. Denn der Ablauf an sich verlief nach dem Rennabbruch absolut regelkonform. Die Entscheidung, den Neustart des Rennens so abzuwickeln, sollte dennoch für weitreichende Konsequenzen sorgen.

Auf den kalten und bei vielen auch schon ziemlich lang benutzten Reifen resultierte der Restart gewissermaßen mit Ansage in einer Massenkarambolage - inklusive Ausritten ins Kiesbett, Blechschäden und dem Ausscheiden vier weiterer Fahrzeuge. "So etwas habe ich noch nie erlebt. Es war schwierig, zu verstehen, was da passiert ist", kommentierte Veteran und Doppel-Weltmeister Fernando Alonso (Aston Martin) die chaotischen Zustände, Sky-Experte Ralf Schumacher sprach von einem "schlechten Scherz" der Verantwortlichen.

Unabhängig von der richtigen Anwendung des Reglements ist den Stewards dieses fehlende Gefühl für die richtigen Entscheidungen in solchen Momenten anzukreiden. Gleichzeitig muss das Regelwerk auch als Ganzes unter die Lupe genommen werden, schließlich steht einerseits die Fairness im Wettbewerb und andererseits die Gesundheit der Piloten auf dem Spiel.

Denn so gut und unterhaltend die Schlussphase in Melbourne auch gewesen sein mag, die sportliche Komponente wurde dabei völlig vergessen. Auf der Suche nach der bestmöglichen Show wird dieser Gedanke in der jüngeren Vergangenheit zu häufig nur an zweite Stelle gestellt. Man wird bisweilen das Gefühl nicht los, dass die Verantwortlichen vor allem in solchen Situationen daran gelegen ist, der zu Recht rasend erfolgreichen Netflix-Dokumentation "Race to Survive" möglichst actiongeladenes, kaum mehr zu bearbeitendes Material zu liefern. Und sei es auf Kosten des Sports, oder schlimmer noch: auf Kosten der Gesundheit der Fahrer.

Man kann es auch übertreiben mit der Show.

So oder so: Langsam, aber sicher ist es müßig, aufgrund fehlender Klarheit und Transparenz Wochenende für Wochenende über fragwürdige FIA-Entscheidungen diskutieren zu müssen. Ungeachtet von Entertainment und geilem Racing.

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Formel 1: Der WM-Stand (nach 3 von 23 Rennen)

  • Fahrerwertung:
PlatzFahrerTeamPunkte
1Max VerstappenRed Bull69
2Sergio PérezRed Bull54
3Fernando AlonsoAston Martin45
4Lewis HamiltonMercedes38
5Carlos SainzFerrari20
6Lance StrollAston Martin20
7George RussellMercedes18
8Lando NorrisMcLaren8
9Nico HülkenbergHaas6
10Charles LeclercFerrari6
  • Konstrukteurswertung:
PlatzTeamPunkte
1Red Bull123
2Aston Martin65
3Mercedes56
4Ferrari26
5McLaren12
6Alpine8
7Haas7
8Alfa Romeo6
9AlphaTauri1
10Williams1
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