Als die Nachricht in der Welt war, überschlug sich das Internet mit Beiträgen der Kategorie "Es musste ja so kommen": Andrea Kimi Antonelli mal als Knirps mit Mercedes-Kappe und erhobenem Daumen vor einem Silberpfeil, mal als zwölf Jahre altes Grid Kid beim ehrfürchtigen Händeschütteln mit Lewis Hamilton. Am Samstag wurden diese Komponenten zusammengefügt: Der erst seit wenigen Tagen volljährige Antonelli erhält bei Mercedes im kommenden Jahr das Cockpit von Formel-1-Rekordweltmeister Hamilton. Es ist ein gewagtes Projekt mit allerdings viel Fantasie.
"Unsere Fahrerpaarung für die Saison 2025 vereint Erfahrung, Talent, Jugend und puren Speed", schwärmte Teamchef Toto Wolff mit Blick auf den 26-jährigen George Russell und den acht Jahre jüngeren Wunderknaben Antonelli. Wolff, der ein glühender Antonelli-Fan ist, seit sich der Italiener vor sechs Jahren dem Mercedes-Juniorprogramm anschloss, ernannte den zweimaligen Grand-Prix-Sieger Russell sogleich zum Mentor, von dem Antonelli "lernen kann, um sein Können zu verbessern".
Vom Potenzial des Italieners ist Wolff gleichwohl vollauf überzeugt - obwohl Antonelli am Freitag bei seinem ersten Formel-1-Trainingseinsatz in Monza den Silberpfeil von Russell in der Parabolica in den Reifenstapel stopfte. "Wir müssen ihn eher einbremsen, als ihn schneller zu machen. Seine ersten Runden waren erstaunlich", sagte Wolff anschließend. Spätestens als der Österreicher hinzufügte, dass dieser Crash keinerlei Einfluss auf die Fahrerwahl habe, war klar: Antonelli darf Hamilton beerben.
Doch wie lange? Offiziell sind Russell/Antonelli für 2025 bestätigt worden. Bezüglich ihrer Zukunft über das kommende Jahr hinaus äußerte sich Wolff in einer Medienrunde am Samstagmittag ausweichend: "Diese beiden sind die Zukunft. Sie haben Verträge, die sehr viel länger laufen. Es ist aber kompliziert mit Optionen." Mercedes sei "ein Schnellkochtopf", merkte Wolff an, "aber wir wollen auf diese beiden setzen." Bereits "fünf Minuten", nachdem ihn Hamilton über seinen Wechsel zu Ferrari informierte, habe er "instinktiv" an Russell und Antonelli gedacht.
Zugleich, das ist kein Geheimnis, hätte Wolff liebend gern auch den dreimaligen Weltmeister Max Verstappen in seinen silbernen Rennwagen gesetzt. Der aber ist bei Red Bull bis 2028 gebunden und auch trotz Querelen beim Weltmeisterteam und eines zuletzt schwächelnden Rennwagens kurzfristig nicht zu bekommen.
Nicht allein wegen der gewählten Lösung erwartet Mercedes 2025 eine Übergangssaison. Im Jahr darauf dann kommt ein neues technisches Reglement, besonders auf Motorenseite werden die Karten neu gemischt.
Zunächst darf Antonelli sich beweisen in einem Team, das nach langer Dominanz und einer tiefen Talsohle in diesem Jahr bislang immerhin drei Rennsiege aufweisen kann. Und eine stolze Motorsportnation hat wieder einen Anwärter für vordere Plätze. Der letzte Italiener auf einem Formel-1-Podium war Giancarlo Fisichella im März 2006 - fünf Monate später wurde Antonelli geboren.
Dessen junge Karriere ist mit Erfolgen gepflastert. Im Kart schon war er ein Überflieger und fiel nicht nur Mercedes auf. 2022 wurde er hochsouverän Meister der Formel 4 in Italien und Deutschland, feierte zusammengenommen 22 Siege in nur 35 Rennen. 2023 siegte er in der Formula Regional Europameisterschaft. Die Formel 3 übersprang er, in seiner ersten Formel-2-Saison gewann Antonelli bislang zweimal. Eine Karriere im Schnelldurchlauf. Nächste Station: Schnellkochtopf.