Der China-GP hatte aus fahrerischer Sicht zwei ganz große Helden, Lewis Hamilton und Mark Webber. Obwohl die Aufholjagd von Webber sehr beeindruckend war, habe ich mich im Ranking für Hamilton als Sieger entschieden. Bei Sebastian Vettel reichte es diesmal nicht fürs Podium.
Meine Wertung für den China-GP:
Platz 1, Lewis Hamilton: Nach seinem Reifen-Drama von Malaysia hat er diesmal allein schon aus taktischer Sicht alles richtig gemacht, indem er sich einen Reifensatz im Qualifying gespart hat. Diese Weitsicht, die bisher nicht unbedingt sein großes Aushängeschild war, hat ihm letztlich den Sieg gebracht. Der wäre aber ohne Hamiltons Kernkompetenz nicht möglich gewesen - das Überholen. Seine Manöver waren alle klasse, vor allem das gegen Vettel kurz vor Schluss. Herausheben möchte ich trotzdem das Manöver gegen Button, das wirklich halsbrecherisch war. Hamilton muss großes Vertrauen in seinen Teamkollegen haben, wenn er aus so einer Position an so einer Stelle angreift. Ich behaupte, mit anderen Fahrern hätte es in der gleichen Situation auf jeden Fall einen Crash gegeben.
Platz 2, Mark Webber: Die Zahlen sprechen für sich. Von 18 auf drei, das ist überragend, auch wenn Webber im schnellsten Auto im Feld gesessen hat. Man muss bedenken, dass im Rennen wieder mal KERS nicht problemlos funktioniert hat und er sich somit komplett aus eigener Kraft durch das Feld arbeiten musste. Herausragend war sein Endspurt, als er noch an Button, Rosberg und Massa vorbeigegangen ist. Dass das Qualifying so verzockt wurde, muss ich auch ihm anlasten. Er ist erfahren genug, um vom Team weiche Reifen zu fordern, wenn er sie haben will.
Platz 3, Nico Rosberg: Ein ganz starkes Wochenende von ihm, auch wenn ich seine Aussage, er hätte gewinnen können, doch für arg optimistisch halte. Aber er war Michael Schumacher um Längen voraus, hat sich im Gegensatz zum Rekordchampion im Qualifying in Q3 gekämpft, obwohl seine Ausgangslage direkt hinter Sergio Perez viel schlechter war. Dann hat er im Rennen spektakuläre Überholmanöver gegen Alonso und Massa gezeigt. Sein einziger Fehler war der Verbremser, der ihn hinter Massa und Button zurückgeworfen hat. Ansonsten war das wieder der Rosberg, der mich 2010 im Ranking regelmäßig begeistert hat.
Platz 4, Sebastian Vettel: Diesmal kein Podestplatz für den Überflieger des Saisonstarts. Er hat fahrerisch außer dem schwachen Start nicht viel falsch gemacht und sein Qualifying war wie gewohnt perfekt. Dazu noch sein starkes Überholmanöver gegen Hamilton vor dem ersten Boxenstopp. Aber danach war sein Rennen nicht annähernd so spektakulär wie die der drei Fahrer vor ihm. Dass er sich am Ende von Hamilton hat abkochen lassen, werfe ich ihm nicht vor, denn seine Reifen waren einfach fertig.
Platz 5, Felipe Massa: Schon das zweite gute Rennen des Brasilianers in Folge. Vor allem das zweite, in dem er Alonso geschlagen hat. Massa profitiert von seinen guten Starts, bei denen er mit schöner Regelmäßigkeit seinen Ferrari-Kollegen abkocht. In China ist er danach ein fehlerloses Rennen gefahren und lag sogar auf Podestkurs, bevor ihn wie Vettel die Reifen im Stich gelassen haben. Aber Massas Formkurve zeigt nach dem desolaten Jahr 2010 wieder klar nach oben.
Platz 6, Jenson Button: Er hat mich an diesem Wochenende verwirrt. Im Qualifying war er extrem stark, dafür hat er im Rennen den Reifenverschleiß überhaupt nicht in den Griff bekommen. Das genaue Gegenteil seiner sonstigen Leistungen. Von der Spitze weg hatte er zunächst keine Gelegenheit, sein Überhol-Talent zu beweisen, später war er dann ohne Grip mehr eine rollende Schikane. Vor der Serie der ersten Boxenstopps war er so langsam und hielt Hamilton und Vettel so sehr auf, dass danach Rosberg klar in Führung lag. Dazu noch sein Aussetzer in der Boxengasse, als er die Crew von Red Bull ansteuerte, und das verlorene Duell gegen Hamilton - da ist nicht mehr als Platz sechs im Ranking drin.
Platz 7, Fernando Alonso: Im Qualifying hat er es nicht geschafft, Rosberg im Mercedes hinter sich zu halten, und sein Start war auch alles andere als gut. Im Rennen hat er einige schöne Überholmanöver gezeigt, vor allem das gegen Schumacher nach rundenlangem Kampf. Ein tolles Duell zweier Champions! Aber er hat sich eben auch von Rosberg in der Zielkurve einmal böse überrumpeln lassen. Dazu das verlorene Ferrari-Duell gegen Massa - nur Rang sieben.
Platz 8, Michael Schumacher: Mercedes-Sportchef Norbert Haug hat ihn etwas euphorisch zum Überholkönig des Rennens gemacht. Ganz so war es ja nicht. Er hatte zwar einen gewohnt bärenstarken Start und hat sich tolle Duelle auf der Strecke geliefert - vor allem mit Alonso und Webber. Aber letztlich ist er dann doch mehr überholt worden als dass er überholt hätte. Sein Ausscheiden im Qualifying war zwar nicht allein seine Schuld, weil bei seinem Verbremser der Heckflügel nicht richtig funktioniert hat, aber auch vorher war die Runde schon nicht perfekt.
Platz 9, Heikki Kovalainen: Endlich kann ich ihm Punkte geben! Schon im Ranking vom Malaysia-GP war ich kurz davor, diesmal komme ich an ihm beim besten Willen nicht mehr vorbei. Es ist frappierend, wie er in dieser Saison den alternden Jarno Trulli im Griff hat. Der Italiener sieht gegen den Finnen kein Land. Kovalainen versteht es, das Potenzial des Lotus so auszureizen, dass er in China sogar einen Sauber und einen Williams auf der Strecke geschlagen hat. Okay, Perez musste eine Strafe absitzen, aber wer hätte im letzten Jahr gedacht, dass eine Durchfahrtsstrafe reichen würde, um hinter einen Lotus zurückzufallen? Sowohl in Malaysia als auch in China war Kovalainen nur eine Runde hinter dem Sieger. Mehr kann man von ihm beim besten Willen nicht erwarten. Einfach nur stark!
Platz 10, Kamui Kobayashi: Er hat im Rennen sein Überholtalent immer wieder aufblitzen lassen und immerhin einen WM-Punkt für Sauber gerettet. Kleiner Fleck auf seiner Weste ist die Niederlage im Quali-Duell gegen Perez. Insgesamt wurde er seiner Rolle als Teamleader aber wieder völlig gerecht.
Härtefall, Timo Glock: Das war eines der schlechtesten Wochenenden von ihm, an das ich mich erinnern kann. Von vorne bis hinten ging gar nichts. Erst baute ein Aushilfs-Mechaniker die Dämpfungs-Federn an seinem Auto falsch herum ein, dann bekam er keine Abstimmung hin und verlor sowohl das Qualifying als auch das Rennen gegen seinen Teamkollegen D'Ambrosio. Glock muss aufpassen, dass er sich nicht von seinem desolaten Team mit herunterziehen lässt.
Blog: Die Tops und Flops des China-GP