Vettel war nach dem Rennen auf dem Circuit of The Americas fast vollkommen zufrieden. "Es war ein fantastisches Rennen. Es hätte kaum besser laufen können", fasste Vettel sein Wochenende bei der F1-Premiere in Austin zusammen. "Wir können extrem zufrieden sein, dass es mit dem Konstrukteurs-Titel heute geklappt hat. Alles andere lag nicht in unserer Hand."
Dabei hatte Red Bull insgeheim gehofft, auch die Fahrerwertung schon bei der Rückkehr in die Vereinigten Staaten zu entscheiden. Sogar Vettels Freundin Hanna war extra angereist. Sonst lässt sie sich fast nie an den Strecke blicken, um den Doppelweltmeister nicht abzulenken.
Die Chancen dafür standen eigentlich nicht schlecht. Bei einem Sieg hätte es für den Deutschen zur erneuten Titelverteidigung gereicht, wenn Alonso maximal als Fünfter ins Ziel gekommen wäre. Der Spanier hätte beim letzten Saisonrennen damit die Punktzahl maximal egalisieren können. Bei Punktgleichheit wird aber Vettel Weltmeister, weil er mehr Siege eingefahren hat.
Ferrari zieht alle Register
Dass es dafür nicht gereicht hat, lag vor allem an Ferraris Cleverness. Die Italiener nutzten das Reglement aus und verletzten das Siegel am Getriebe von Felipe Massa, der dadurch um fünf Plätze strafversetzt wurde.
"Einfach da zu sitzen und nichts zu tun, wäre auch der falsche Weg", erklärte Luca Colajanni, Sprecher der Scuderia anschließend: "Wir machen es offen und für jeden sichtbar. Die Entscheidung wurde getroffen, um Fernando einen bestmöglichen Start zu ermöglichen."
"Bester Sieg der Karriere"
Bei der Konkurrenz erzeugte das Spielchen der Italiener dagegen keine Beigeisterung. "Das war schon hart", sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh etwa: "Das schlimmste in diesem Fall war, dass einige andere Leute auf die dreckige Seite rutschten."
Immerhin blieb die Strafversetzung Massas für seine Piloten ohne Konsequenzen. "Wir blieben auf der schmutzigen Seite der Startaufstellung. Wenn wir uns für die saubere Seite qualifiziert hätten, dann aber wegen so etwas auf die dreckige Seite gekommen wären, dann hätte ich schon ziemlich genervt reagiert", sagte Whitmarsh dem "Daily Telegraph".
So aber konnte sich McLaren-Mercedes vollends freuen, weil Lewis Hamilton erstmals seit dem Italien-GP Anfang September wieder ein Rennen gewann. "Ich persönlich finde, dass es sein bester Sieg seiner Karriere war", sagte dessen Vater Anthony Hamilton nach dem Sieg: "Es ist einfach unglaublich, was diese Jungs leisten. In jeder Runde sind sie bis auf ein paar Tausendstelsekunden gleich schnell. In welchem anderen Sport gibt es das noch?"
Karthikeyan steht wieder im Weg
Die entscheidenden Sekundenbruchteile verlor Vettel ausgerechnet beim Überrunden. HRT-Pilot Narain Karthikeyan hielt den Deutschen in den schnellen S-Kurven des ersten Sektors auf, wodurch Hamilton Zeit gut machte und anschließend unter Einsatz des DRS mühelos an Vettel vorbei zog. Ein Deja-vu: Beim Regenrennen in Malaysia waren Vettel und der Inder sogar kollidiert.
Dass sämtliche Red-Bull-Verantwortlichen und Vettel selbst Karthikeyan anschließend kritisierten, erzeugte im Fahrerlager zumindest kein Verständnis. "Es gilt die Regel, dass ich spätestens bei der dritten blauen Flagge überholen lassen muss. Nicht vorher", sagte Marussia-Pilot Timo Glock: "Wir fahren unser eigenes Rennen."
Die Reaktion des angegriffenen Inders viel wesentlich deutlicher aus."Ich kann den Bullshit nicht mehr hören! Im Fahrer-Briefing hat uns Charlie Whiting ganz klar erklärt, dass wir im ersten Teil des Geschlängels niemanden vorbeilassen müssen. Du bist so schnell dort, dass es gar nicht möglich ist. Ich hätte neben die Ideallinie in den Dreck rausfahren müssen", echauffierte sich Karthikeyan: "Vettel war bei der Fahrerbesprechung dabei. Hat er nicht zugehört? Warum beschwert er sich dann? Er tut es zu oft und zu heftig. Das regt mich langsam auf!"
Alonso: "Podium ist wie ein Sieg"
Der Griff in die Trickkiste ging für Ferrari unterdessen voll auf: Alonso verbesserte sich von der griffigeren rechten Startseite um drei Positionen, Massa machte sogar vier Plätze gut.
"Wir wussten, dass wir eine gute Chance haben, Leute in der ersten Kurve zu überholen, und dann ist unser Tempo am Sonntag normalerweise gut genug, um die anderen hinter uns zu halten", so Alonso: "Dieses Podium ist nach all den Schwierigkeiten, die wir dieses Wochenende hatten, wie ein Sieg für uns."
Überhaupt kann der WM-Zweite mit seinen Starts in dieser Saison mehr als nur zufrieden sein. Insgesamt verbesserte er sich in den Auftaktrunden um 27 Plätze. Ohne die beiden Unfall-Rennen in Belgien und Suzuka bedeutet das im Schnitt eine Verbesserung um 1,6 Plätze. Bei keinem einzigen Start fiel der Spanier zurück. Sieht man von den Pole Positionen in Großbritannien und Deutschland ab, schaffte es Alonso nur in Kanada nicht, sich nach Runde eins um mindestens einen Platz zu verbessern.
"Unsere Meisterschaftshoffnungen sind nur dank der ersten Runden noch am Leben", erklärte auch Alonso: "Wir sind im Qualifying immer Siebter oder Achter und sind dann normalerweise nach der ersten Runde Dritter oder Vierter. Wenn das passiert, wenn man in der Spitzengruppe ist, wird das Leben ein bisschen einfacher."
Vettel in Brasilien Favorit, aber...
Bei Red Bull hat man mittlerweile schon die Rechenschieber ausgepackt. Mit 13 Punkten Vorsprung auf Alonso reist Vettel nach Sao Paulo und kann sich trotzdem noch nicht sicher sein, seinen dritten Titel in Folge zu holen.
"Also wenn Alonso in Brasilien gewinnt, muss Vettel Vierter werden, um den Titel sicherzustellen", verdeutlichte Berater Helmut Marko die Ergebnisse der Mathematik-Übrungen: "Alonso muss gewinnen, das ist wichtig. Er muss Risiko fahren. Interlagos ist bekannt für verrückte Rennen."
Von seinem Top-Piloten erhält er Zustimmung. "Brasilien wird schwer. Es ist immer eine große Herausforderung", sagte Vettel: "Wir konzentrieren uns auf das Rennen dort, auf jeden einzelnen Schritt, auf jede einzelne Runde."
"Auf dem Papier sieht die Chance vielleicht nicht so groß aus, aber ich denke, dass sie nicht unerheblich ist", erklärte Alonso: "In Interlagos kann alles passieren wir haben heute wieder gesehen, was für eine wichtige Rolle die Zuverlässigkeit spielt. Je mehr unbekannte Faktoren das Rennen beeinflussen, desto besser für uns."
F2012: Der Käfer der Formel 1
Während der F2012 als Käfer der Formel 1 läuft und läuft und läuft und noch keinen einzigen Technikdefekt in der Statistik steh, zickte die RB8-Diva auch in Austin. Die Lichtmaschine von Webber zwang den Australier zum Aufgeben. Bei Red Bull schrillen nun die Alarmglocken, weil das Teil bereits zum dritten Mal im Rennen aussetzte.
"Das ist wirklich eine tickende Zeitbombe, weil man nie weiß, wann die Maschine kaputtgeht", sagte Chefdesigner Adrian Newey zu "Sky Sports F1" und ging mit dem eigenen Motorenlieferanten hart ins Gericht: "Renault hat da leider noch keine zufriedenstellende Lösung gefunden."
Red Bull mit neuer Lichtmaschine?
Teamchef Horner stimmte umgehend ein. "Ich bin wirklich besorgt. Punkt", sagte der Brite: "Das war bei uns jetzt leider schon der dritte Lichtmaschine-Defekt im Rennen, bei anderen Autos gab es ebenfalls Ausfälle."
Renault hat mittlerweile eine Version entwickelt, die in Austin erstmals im Rennen getestet wurde, allerdings nur bei Williams oder Lotus. "Ich hoffe, dass sie uns in Brasilien auch zur Verfügung steht", so Horner.
"Vettel fährt Ding nach Hause"
Somit muss Red Bull weiter zittern, während Alonso völlig befreit auffahren kann. Wer unter normalen Umständen in Interlagos gewinnt, ist für RTL-Experte Christian Danner jedenfalls eindeutig: "Die Papierform bei Trockenheit ist klar: Vettel fährt das Ding locker nach Hause. Aber wenn es regnet, dann ist Alonso auf Augenhöhe, man kann auch sehr schnell raus fliegen und dann ist wieder alles offen."
Läuft alles normal, ist Vettel der Titel kaum mehr zu nehmen. Doch was ist in dieser Saison schon normal? Zur Sommerpause schien Alonso überlegen, dann drehte Red Bull die Tendenz. Die WM bleibt bis zur letzten Runde spannend und Vettel hat alles selbst in der Hand.
Der WM-Stand bei Fahrern und Konstrukteuren im Überblick