Nachtrennen, Spannung und eine außergewöhnliche Atmosphäre. Singapur ist ein absoluter Fixpunkt des Formel-1-Kalenders, auch wenn bisher erst sechs Rennen ausgetragen wurden. Pirelli erfüllte seinen Auftrag 2013 optimal und ermöglichte einen Strategie-Krimi, der die letzten Runden extrem spannend machte. Davon bekam nur einer nichts mit: Sebastian Vettel - die Überlegenheit in Person.
Meine Wertung für den Singapur-GP:
Platz 1, Sebastian Vettel: Überlegenheit und Dominanz beschreiben den aktuellen Status des Heppenheimers nur unzureichend. Sebastian Vettel ist der Souverän, er hat die Herrschaft über die Formel 1 übernommen. Nur im 1. Freien Training war er schlagbar, als Lewis Hamilton die Bestzeit holte, danach räumte Vettel alles ab: Pole-Position, schnellste Rennrunde, Start-Ziel-Sieg: Grand Slam - zum dritten Mal in der noch jungen Karriere, wobei nur acht anderen Fahrern in der F1-Historie dieses Kunststück häufiger gelang.
Kurzum: Es kann am Singapur-Wochenende einfach keinen anderen Fahrer geben, der das Driver-Ranking gewinnt. Allein wie souverän er nach dem Start Nico Rosberg vorbei ließ, um dann in Kart-Manier zu kontern, unterstreicht seine Abgebrühtheit. Dass der starke Red Bull einen Anteil an der Dominanz des Dreifachweltmeisters hat, ist unbestritten. Trotzdem erklärt es nicht die Art und Weise, mit der Vettel seiner Konkurrenz um die Ohren fährt. "Wenn ich könnte, würde ich Vettel heute für dieses Rennen allein schon den Titel verleihen, so gut fuhr er", lobte Niki Lauda.
Der Heppenheimer hat in Singapur endlich das Monster rausgelassen, das in ihm steckt und sich nicht von seinen Ingenieuren bremsen lassen. Über 30 Sekunden Vorsprung hatte er am Ende, dabei verlor er über zehn durch die Safety-Car-Phase. Vettel vereint aktuell die Qualifying-Stärke von Lewis Hamilton mit der Abgeklärtheit von Kimi Räikkönen und der Rennintelligenz von Fernando Alonso. Sein vierter Titel in Folge ist eigentlich schon in Stein gemeißelt - auch wenn das manchem Zuschauer nicht gefällt.
Platz 2, Kimi Räikkönen: Es war das Gerücht des Samstags: Der Iceman soll nicht wegen eines ausgerenkten Wirbels im Qualifying früh gescheitert sein, sondern in der Nacht zuvor zu hart gefeiert haben und dabei hingefallen sein. Die typischste Boulevard-Story, die sich anbietet, wenn Räikkönen involviert ist. Ich glaube da doch lieber der offiziellen Verlautbarung von Räikkönen und seinem Lotus-Team.
Dass Räikkönen sich trotz der Rückenschmerzen auf dem unebenen Marina-Bay-Street-Circuit durchbiss, rechne ich ihm hoch an. Seine Quali-Performance ist deshalb kein Grund für einen Punktabzug. Am Sonntag präsentierte sich der designierte Ferrari-Pilot wieder in besserer Form, obwohl er noch immer Schmerzen hatte. Beim physisch anspruchsvollsten Grand Prix der ganzen Saison damit vom 13. auf den 3. Platz zu fahren - ohne Worte.
Allein das Manöver außen gegen Jenson Button war ein absolutes Highlight. Der Weltmeister von 2007 überholte aber noch drei weitere Fahrer mustergültig und ließ sich dabei nicht von der dafür unpassenden Streckencharakteristik aufhalten. Dass er so weit nach vorn fahren würde, hatte ich vor dem Start nicht für möglich gehalten. Deshalb gibt es von mir 18 Punkte für den Iceman.
Platz 3, Fernando Alonso: Der Spanier hat in Singapur die spektakulärste Szene abgeliefert: Sein Raketenstart und die Wahl der Außenbahn in der ersten Kurve katapultierte ihn von sieben auf drei. Ohne diese kluge Aktion wäre ein Podestplatz wohl ausgeschlossen gewesen.
Im weiteren Rennverlauf fehlte Alonso nämlich die nötige Durchschlagskraft, um sich weiter nach vorne zu arbeiten. Die Runden hinter dem langsamen Paul di Resta hätten so zum Verhängnis werden können, wenn Ferrari seinem Toppiloten nicht mit einem Strategiecoup zu Beginn der Safety-Car-Phase Platz zwei gesichert hätte.
Letztlich fuhr auch Alonso ein sehr gutes Rennen, weil er mit einem Reifensatz 36 Runden überstand, ohne wirkliche Performance-Probleme zu bekommen. Dass er allerdings zum fünften Mal in dieser Saison im Qualifying gegen Teamkollege Felipe Massa verlor, lässt ihn über Platz drei nicht hinauskommen.
Platz 4, Romain Grosjean: "Noooooooooooooo" schallte es durch den Boxenfunk, als Lotus seinen Franzosen wegen Problemen am Renault-Motor in die Box holte. Romain Grosjean wollte es nicht wahrhaben. Er hatte sich mit dem angeblich im Qualifying schwachen Lotus als Dritter qualifiziert und beste Chancen auf einen Podestplatz, da machte ihm mal wieder die Technik einen Strich durch die Rechnung.
Für Grosjean war es der vierte Ausfall im 13. WM-Lauf 2013, wobei das Auto dreimal streikte. Bitter: In Singapur zeigte er die wohl beste Leistung seiner F1-Laufbahn. Das frühere Crashkid hat dazugelernt und nimmt sich in der Startphase zurück, wodurch er an diesem Wochenende zwar Plätze verlor, aber keinen Unfall riskierte.
Anschließend fuhr Grosjean souverän und klemmte sich in Mark Webbers Windschatten, ein falsch getimter Boxenstopp kostete ihn jedoch Zeit. Insgesamt hat der Franzose aus meiner Sicht aber nur minimale Abzüge verdient.
Platz 5, Nico Rosberg: Die letzten Wochen konnten den Weltmeistersohn kaum zufriedenstellen. Seit seinem Sieg in Silverstone war er nur in Belgien über den sechsten Platz hinausgekommen. Das zweite Stadtrennen der Saison gab ihm endlich die Chance, seine eigenen Stärken und die des Mercedes auszuspielen.
Schon am Samstag ließ Rosberg seinen Teamkollegen Lewis Hamilton hinter sich, dabei gilt der Brite als einer der besten Qualifyer überhaupt. Fast hätte der 28-jährige Wahl-Monegasse sogar Vettels perfektes Wochenende versaut und ihm die Pole Position abgenommen. Am Ende trennten 92 Tausendstel die beiden Deutschen.
Beim Start beschleunigte Rosberg Vettel erst aus, kam dann aber zu weit von der Linie ab. Weil Mercedes in den Strategiepoker der übrigen Teams nicht einstieg, verlor Rosberg schließlich Platz zwei und musste sich mit zeitraubenden Gummistücken im Frontflügel wieder nach vorne kämpfen. Mehr als Platz vier war unter den Voraussetzungen absolut unmöglich.
Platz 6, Jenson Button: Der Engländer ist einer der unauffälligsten Fahrer der Formel 1. Dennoch hat er auch in Singapur bewiesen, warum er kein Mittelklasse-Pilot ist. Auf dem Papier mag die Bilanz der letzten Runden, als Button innerhalb von sieben Umläufen von drei auf acht durchgereicht wurde, desaströs erscheinen. Es war aber lediglich das Resultat der unterschiedlichen Strategien.
Der Weltmeister von 2009 hielt im Qualifying seinen McLaren-Teamkollegen Sergio Perez hinter sich und leistete sich im Rennen wie gewohnt keinen einzigen Fehler, der Anlass zur Kritik geben würde. Stattdessen verteidigte er sich absolut fair gegen Räikkönen und hielt den Finnen länger aus als gedacht.
Platz 7, Nico Hülkenberg: Im Qualifying vom DRS-System gehandicapt, verpasste der Emmericher die Top Ten. Am Sonntag sollte der Gegenschlag folgen, der von den Stewards allerdings mit einem schlechten Witz ausgebremst wurde.
Nachdem er Sergio Perez taktisch klug hinter sich gelassen hatte, indem er Valtteri Bottas als Puffer nutzte, musste Hülkenberg den Platz wieder zurückgeben. Danach steckte Hülkenberg fest. Er ging zwar das Tempo der McLaren mit, kam aber nicht mehr vorbei. Dafür verteidigte er sich ordentlich gegen Adrian Sutil, der von hinten drückte.
Platz 8, Felipe Massa: Das größte Argument für die Punkte des Brasilianers: Sein teaminterner Sieg im Qualifying gegen Alonso. Beim Start steckte er eingekeilt auf der Innenbahn fest, später bremsten ihn Pastor Maldonado und Paul di Resta. Während sich Rosberg, Alonso und Webber in der Schlussphase als Gruppe nach vorne arbeiteten, musste Massa weiter hinten aufholen. Das gelang nur eingeschränkt.
Platz 9, Lewis Hamilton: Die Voraussetzungen stimmten: Hamilton als Singapur-Experte sicherte sich im 1. Freien Training direkt die Bestzeit und meldete Mercedes nach den enttäuschenden Leistungen auf den Highspeed-Strecken wieder in der Spitzengruppe an. Allerdings lief danach nicht mehr viel zusammen.
Rosberg dominierte den Silberpfeil-Teamkollegen in den restlichen Sessions bis zum Rennstart. Hamilton selbst gab zu, dass die Leistung im Qualifying enttäuschend war. Dann musste der Engländer in der ersten Kurve neben die Strecke und eine Position an Felipe Massa freiwillig abgeben. Danach steckte er fest und konnte seine eigentlich gute Pace zu lange nicht nutzen.
Platz 10, Esteban Gutierrez: Auch der Mexikaner bekommt seinen Punkt vor allem fürs Qualifying. Erstmals schlug er Nico Hülkenberg. Zum ersten Mal in seiner noch jungen F1-Karriere stand der Rookie in Q3. Das respektable Ergebnis konnte er im Rennen nicht ganz wiederholen. Der Reifenabbau verhinderte ein besseres Resultat als Platz zwölf. Trotzdem hat sich Gutierrez nach seinem schwierigen Start in die Formel 1 mittlerweile stabilisiert und entwickelt sich zu einem soliden Fahrer.
Härtefall, Mark Webber: Während sein Teamkollege brilliert, hat der Australier mal wieder Nebenkriegsschauplätze. Erst kann er die Pace des Autos nicht umsetzen, dann fällt er mit technischen Problemen aus. Es ist zwar fast unfair, Vettel und Webber an diesem Wochenende in Verbindung zu setzen, der Deutsche war dennoch meilenweit überlegen.
Dass er beim Korea-GP wegen seiner dritten Verwarnung strafversetzt wurde, sollte ihn eher glücklich stimmen. Seine Entscheidung, die Strecke zu betreten und sich von Fernando Alonso an die Box fahren zu lassen, wäre beinahe nach hinten losgegangen: Lewis Hamilton hätte ihn fast überfahren. Webber wurde nicht für diese eine Aktion strafversetzt, sondern für drei Vergehen in 13 Rennen. Das ist berechtigt.
Der Stand in der Fahrer- und Konstrukteurs-WM