Nico Rosberg hat alles richtig gemacht

Lewis Hamilton und Nico Rosberg sind nach dem Unfall in Spa weiter gespalten
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Der Streit der Mercedes-Fahrer ist eskaliert. Nico Rosberg hat Lewis Hamilton beim Großen Preis von Belgien in Spa bei einer Kollision den Reifen aufgeschlitzt und erntet dafür Kritik von seinem eigenen Team. Doch für den WM-Führenden hat es auch einen Vorteil: Er hat der Öffentlichkeit und seinem härtesten Konkurrenten etwas Wichtiges bewiesen. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Alexander Maack.

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Die Zeiten von Britney sind endgültig gezählt. Durch den Zusammenstoß der beiden Mercedes-Piloten in Les Combes ändert sich das Bild von Rosberg grundlegend. Lange galt der Deutsche als vom Verstand gesteuerter Fahrer: Lieber dreimal zurückziehen und Punkte mitnehmen, als einen Crash zu riskieren. Lieb und nett, deswegen auch sein Spitzname in Anlehnung an Popstar Britney Spears.

Und jetzt? Für Niki Lauda und Toto Wolff war die Situation in Spa schnell geklärt. Sie verurteilten das "Harakiri-Manöver". Dass sich insbesondere der Aufsichtsratsvorsitzende prompt auf die Seite des Engländers stellte, kam kaum überraschend. Lauda holte Hamilton zu Mercedes, er pflegt intensiven Kontakt, geht mit ihm essen, teilt seinen Jet. Kein Wunder, dass die Schuldfrage für ihn eindeutig ausfiel.

Belgien-GP: Großbrand unter dem silbernen Dach

Dass Hamilton sich aufregte, Rosberg hätte die Kollision vermeiden können, verstehe ich vollkommen. Doch auch er wusste, dass der Deutsche im nachfolgenden Linksknick immer noch neben ihm sein könnte. Auch er hatte die Chance, den Unfall zu vermeiden: Er hätte nur nicht die engste Linie wählen müssen, die es gibt. Platz ließ er in Turn 6 im Gegensatz zu seinen eigenen Aussagen nämlich kein bisschen. Stattdessen bewies er "Racer-Qualitäten".

Rosberg wollte etwas beweisen

Für mich war vom ersten Moment an klar, dass Rosberg etwas beweisen wollte. Nachdem er sich über Jahre ausschließlich in den Dienst des Teams gestellt hatte und sich fügte, als er beispielsweise Hamilton in Malaysia 2013 nicht angreifen durfte, hat er sich verändert. Schon damals funkte er an das Team: "Merkt euch das." Jetzt war der stete Tropfen zu viel.

Rosberg kämpft als Individuum um den größten Erfolg seiner Karriere: die Weltmeisterschaft. Sein größter Konkurrent, der Mann im gleichen Auto, hat ihm schon in dieser Saison mehrmals die Grenzen aufzeigt - ohne Rücksicht auf Verluste. Erinnert sich noch jemand an Bahrain? Da war Rosberg eigentlich schon an Hamilton vorbei, fuhr auf der Ideallinie, war neben seinem Teamkollegen. Doch statt vom Gas zu gehen, schlug der Engländer die Tür zu.

Dass es nicht schon früher zum Crash kam, verdankte Mercedes allein Rosberg, der in die Auslaufzone auswich und sich hinter Hamilton einordnete. Die Wahrnehmung aber war eine andere: "Rosberg fehlt das Zeug zum Champion. Lewis ist ein Monster, ein gnadenlos guter Racer", lautete die Mehrheit der Urteile.

Brechstange als Erinnerungshilfe

Von seinem Image als intelligenter Fahrer kann sich der Deutsche nichts kaufen, wenn Hamilton sich wie in Ungarn - verständlicherweise - Teamordern widersetzt, während Rosberg als treuer Dackel auf ihre Umsetzung wartet. Er hat die Sommerpause genutzt, um seine Herangehensweise zu überdenken. Er musste sich neu positionieren: Wenn das Team sich nichts merkt, weist er es mit der Brechstange darauf hin.

Der Crash, an dem Rosberg die Hauptschuld trägt, ist ein Ausrufezeichen, eine Kampfansage an Lewis Hamilton: "Ich ziehe nicht zurück, wenn du deinen Dickkopf durchsetzen willst." Der Engländer hat selbstverständlich Recht, wenn er sagt, dass Rosberg in Spa die Kollision hätte vermeiden können. Er hätte nur die Lenkung aufmachen und wieder in die Auslaufzone fahren müssen. Doch was hätte er dadurch gewonnen?

Hamilton wäre vorne gewesen und hätte sich mit größter Wahrscheinlichkeit den Sieg geholt. Er hätte sein Programm weiter durchgezogen: keine Rücksicht auf niemanden, immer Vollgas - der Gegner steckt schon zurück. Mancher kategorisiert das als "Qualität eines Champions".

Rosberg hat Eier gezeigt

Und genau die kann Rosberg nun auch für sich beanspruchen. Er hat nicht klein beigegeben, sondern seinen Platz verteidigt. Es stimmt: Er war am Kurveneingang nicht vor Hamilton, er war neben ihm. Rosberg hat es allen bewiesen: Er nutzt jede Möglichkeit, die sich ihm bietet. Wie würde Oliver Kahn es ausdrücken? Der Mann hat Eier!

Rosberg hat alles richtig gemacht: Er hat seinem Team gezeigt, dass es die Fahrer gleich behandeln muss. Er wählt Hamiltons Waffen - auch wenn er dadurch einen Ausfall riskiert. Jetzt ist der Brite dran: Ist auch er bereit, selbst zurückzuziehen, oder fährt er weiterhin nur für sich? Dann wird es wieder krachen - egal was Mercedes in den nächsten zwei Wochen beschließt. Der Rubikon ist bereits überschritten.

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