Optimismus trotz Demontage

Die RB10 von Vettel und Ricciardo sind in Spa mit den kleinstmöglichen Heckflügeln ausgestattet
© getty

Mercedes hat im Qualifying zum Großen Preis von Belgien (14 Uhr im LIVE-TICKER) ein neuerliches Ausrufezeichen gesetzt. Die WM-Führenden Nico Rosberg und Lewis Hamilton demontierten die Konkurrenz, selbst Weltmeister Sebastian Vettel hatte in Spa-Francorchamps als Dritter über zwei Sekunden Rückstand.

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"Auf den Intermediates steht das Auto höher. Vielleicht haben wir für diese Bodenfreiheit das beste Auto. In Sachen Aerodynamik können auch kleine Dinge eine große Wirkung haben", spekulierte Rosberg über den Grund für die Überlegenheit.

Trotzdem herrscht bei den Geschlagenen Optimismus. "Drückt die Daumen, dass Mercedes Reifenabbau am Sonntag hat", sagte Daniel Ricciardo. Der Australier hofft, nach Kanada und Ungarn zum dritten Mal vom Pech der Silberpfeile zu profitieren: "Wenn Mercedes entscheidet, uns die Chance zu geben, ergreife ich sie."

Ricciardo gibt sich beim Blick auf seine Aussichten für den zwölften Saisonlauf auf der Ardennen-Achterbahn trotz seines Fehlers im Qualifying positiv. "Seb, Fernando, Valtteri und ich - es gibt einige unter uns, die um den dritten Platz kämpfen können. Es könnte eine Schlacht werden."

Red Bull verändert seine Prinzipien

Die Formel 1 ist mittlerweile auch in den Köpfen in zwei Klassen geteilt: Die 6-44-Klasse fährt in silber, der Rest mischt sich bunt. Auffällig ist, dass Red Bull seinen Ansatz verändert hat. Statt wie gewohnt auf maximalen Abtrieb zu setzen, denken Adrian Newey und sein Team mittlerweile um.

Wie beim Italien-GP sehen die Heckflügel der beiden RB10 in Belgien aus. "Nicht ganz Monza, aber das kleinste, was wir für Spa verantworten konnten. Wir mussten wegen unseres Leistungsmankos etwas machen", zitiert "Auto Motor und Sport" das Design-Genie. Motorsport-Berater Helmut Marko scherzte: "In Monza fahren wir ohne Flügel."

Überholchance statt Pole

Die Überlegung ist eigentlich einfach: Ein kleiner Spoiler bedeutet eine höhere Endgeschwindigkeit und bessere Überholchancen - also die Möglichkeit, im Rennen zuzuschlagen, auch wenn zuvor nicht die Pole-Position gesichert wurde. Die ist schließlich sowieso außer Reichweite.

"Wir haben Abtrieb weggenommen und das sollte morgen im Rennen die richtige Entscheidung sein", sagt Ricciardo. Er war im Qualifying plötzlich der drittschnellste Fahrer, seine Geschwindigkeit war höher als die von Rosberg. Im Trockenen lag er sogar vor beiden Silberpfeilen.

Bisher fanden sich die Red Bull immer am untersten Ende der Rangliste wieder, gewannen Zeit in schnellen Kurven, scheiterten dafür aber beim Überholen. Ist die Strecke nass, braucht das Auto allerdings mehr Abtrieb. Im Qualifying war aufgrund der neuen Setup-Strategie die Leistung von Vettel deshalb besonders stark.

Vettel: "Im Trockenen näher dran"

"Wir wissen, wo der Unterschied liegt. Wir sind im Trockenen etwas näher dran als im Nassen", sagte der 27-Jährige, der im Gegensatz zu seinem Teamkollegen das offensichtliche Geheimnis nicht öffentlich ausplaudern wollte.

Dafür bekam er Lob von seinem Teamchef. "Eine starke Leistung von Sebastian. Er ist toll zurückgekommen, nachdem er gestern kaum fahren konnte. Bei diesen Bedingungen mit einem kleinen Heckflügel hat er einen tollen Job gemacht", sagte Christian Horner.

Mercedes fürchtet Red Bull

Der Job war so toll, dass Mercedes sich nicht sicher ist, was im Rennen passiert. "Es ist eine gute Leistung, ein Auto, das auf so wenig Abtrieb getrimmt ist, soweit vorne hinzustellen", erklärte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: "Das wird morgen in den ersten Runden sicher ein Thema für uns, dass der Red Bull nicht zur Gefahr wird."

Darauf spekuliert auch Vettel. "Wenn wir einen guten Start haben, haben wir vielleicht sogar die Chance, hoch zur Kurve fünf, in die Schikane rein den einen oder anderen Mercedes zu ärgern", so der Weltmeister. Ärgern, nicht besiegen. "Danach wird es schwer, denn wie man gesehen hat, sind sie doch noch ein bisschen schneller." Ricciardo war am Freitag beim Longruntest allerdings nur knapp langsamer als Rosberg - und schneller als Hamilton. Benzinfüllung natürlich unbekannt.

Dreikampf hinter den Silberpfeilen

Hat Red Bull also Siegchancen? Aus eigener Kraft eher nicht. Die wirklichen Gegner im Rennen sind andere: Williams oder Ferrari. Obwohl Fernando Alonso mit Platz vier die bessere Ausgangslage hat, betrachtet Ricciardo das Privatteam offenbar als größere Gefahr: "Ich denke, wir können auf jeden Fall mit ihnen kämpfen. Bei der Geschwindigkeit auf der Geraden zählen wir jetzt zu den besten."

Doch auch die Williams-Piloten geben sich optimistisch. "Wenn es trocken bleibt, dann haben wir eine gute Chance, Ferrari und Red Bull herauszufordern", sagt Valtteri Bottas. Felipe Massa stimmt zu: "Der Regen war heute schwierig und hat uns daran gehindert, unsere wahre Pace zu zeigen."

Das Problem: Das Auto aus Grove kann vom Abtrieb nicht mit den besten mithalten. Die größte Stärke ist die Antriebseinheit von Mercedes und die ausgeprägtere Stromlinienförmigkeit des Autos. Weniger Luftwiderstand macht das Auto in Spa im ersten und dritten Sektor schnell, solange der Regen nicht verstärkten Abtrieb fordert.

Ferrari-Attacke auf Mercedes?

Etwas anders sieht die Lage bei Ferrari aus: Obwohl Fernando Alonso zugab, dass der vierte Startplatz ohne Niederschlag kaum möglich gewesen wäre, schielt er auf mehr als einen Kampf mit seinem Dauerrivalen Vettel: "Wir wissen, dass Mercedes in den letzten Rennen einige mechanische Probleme hatte. Wir müssen da sein und jede Möglichkeit nutzen."

Kommt Mercedes ohne Probleme durch, dürften Rosberg und Hamilton den Sieg allerdings mal wieder unter sich ausmachen. "Im vergangenen Jahr stand ich auf der Pole, aber auf der Kemmel-Geraden flog Seb an mir vorbei", erinnerte Hamilton und machte sich Mut: "Der zweite Platz könnte also die beste Ausgangsposition sein, ein versteckter Vorteil." Rosberg hielt dagegen: "Erster zu sein, ist die beste Ausgangslage für das Rennen."

Für Mercedes zählt letztlich nur der Erfolg. "Wir sind insgesamt sehr glücklich, dass beide Autos in der ersten Reihe stehen und wir ein reibungsloses Qualifying hatten. So etwas haben wir seit einigen Rennen nicht mehr erlebt", erinnerte der Technik-Chef an die Fahrfehler und Defekte der letzten vier Grands Prix. In Spa sollen nach den verglasten Bremsen im Qualifying keine weiteren folgen. Dann würde der Vorsprung in der Konstrukteurs-WM auf mindestens 190 Punkte ansteigen.

Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM

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