"McLaren beabsichtigt momentan nicht, ein FRIC-Aufhängungssystem beim Großen Preis von Deutschland einzusetzen", erklärte ein Sprecher gegenüber dem "Motorsport-Magazin" und gab damit bekannt, die Weisung von Charlie Whiting zu beachten.
Der FIA-Rennleiter hatte in seiner Funktion als Technischer Delegierter nach dem Großbritannien-GP eine Depesche herausgegeben: "Nachdem wir fast jedes aktuelle Design von Front-and-Rear-Linked-Suspension-Systemen gesehen haben, sind wir, die FIA, zu dem Schluss gekommen, dass die Legalität dieser Systeme in Zweifel gezogen werden kann."
Wie funktioniert FRIC?
Doch was heißt das überhaupt? Artikel 3.15 des technischen Reglements legt unter anderem fest, dass jedes Teil, das die Aerodynamik beeinflussen kann, "starr am gefederten Teil des Autos befestigt" sein muss. Was das bedeutet, wird erst einen Absatz später klar: "Jede Vorrichtung oder Konstruktion, die dafür entworfen wurde, die Kluft zwischen dem gefederten Teil des Autos und dem Boden zu überbrücken, ist unter allen Umständen verboten."
Genau dieser Satz ist der Grund, warum die FIA sich zu einer Klarstellung veranlasst sah. FRIC vernetzt die vier Aufhängungen hydraulisch miteinander. Steigt der Fahrer etwa auf die Bremse, wird das Öl von vorne zu den Dämpfern an der Hinterachse gepumpt, wo der Druck das Ausfedern verringert. Lenkt ein Fahrer nach rechts ein, wird das Öl mit demselben Effekt von den linken Aufhängungen nach rechts geleitet.
Wird die Technik vom Team optimal beherrscht, bewegt sich das Monocoque nicht mehr, nur die Räder gehen hoch und runter, der Unterboden schwebt wenige Zentimeter über dem Asphalt und bleibt dabei parallel zur Fahrbahn. Das Auto wird somit stets in der aerodynamisch optimalen Position gehalten - das Kippen beim Bremsen oder Beschleunigen, das Rollen bei Lenkbewegungen und Sprünge über die Kerbs können so ausgeglichen werden.
Wer ist am stärksten betroffen?
Mercedes gilt als FRIC-Mutter und könnte deshalb am stärksten eingebremst werden. Schon bei den Testfahrten vor der Saison 2013 experimentierte das Team mit einer prototypreifen Version und beeindruckte mit dem schnellsten Auto auf einer Runde. Aussagen zu der Technik verweigerte der Rennstall damals wie heute. Doch auch Red Bull, Ferrari, Williams Lotus und McLaren investierten massiv in die Technik.
"Es macht keinen Sinn, sich zu beschweren. Wir müssen alle Daten genauestens analysieren, um bestmöglich auf die Umstellung vorbereitet zu sein", so Motorsportdirektor Toto Wolff: "Alle haben geschrieben, dass ein FRIC-Verbot uns besonders treffen wird. Wir wollen jetzt beweisen, dass wir ohne Fric nicht eingeschränkt sind, sondern das Gegenteil der Fall ist."
Bisher weiß keiner genau, welches Team wirklich am stärksten betroffen ist. Red Bull gilt ebenfalls als starker FRIC-Profiteur, doch weder Ferrari noch McLaren oder Williams zeigten sich öffentlich begeistert von der Bekanntgabe der FIA.
Mercedes regt ein anderer Aspekt auf: "Ob es sinnvoll ist, die Technik während der Saison in Frage zu stellen, sei dahingestellt. Ich habe da meine ganz persönliche Meinung. Aber die tut nichts zur Sache", so Wolff angefressen. Dabei hatte Whiting sogar eine Hintertür offengelassen: Hätten sich alle Teams darauf geeinigt, die Gegner nicht anzuschwärzen, wäre das Verbot erst in der nächsten Saison in Kraft getreten.
Wer profitiert vom Verbot?
Unstrittig ist, dass spätestens seit der Saison 2013 alle Teams die aerodynamischen Vorteile der Vernetzung nutzen. Der Grad der Komplexität und damit der Effizienz ist aber unterschiedlich. Mindestens ein Team wollte deshalb das Gentlemen's Agreement nicht eingehen. Angeblich ist es Caterham. "Auto Motor und Sport" berichtet, dass Marussia und seit dieser Woche auch Red Bull, Toro Rosso und McLaren die FIA angerufen haben.
Nicht nur die Hinterbänkler dürfen darauf hoffen, näher an die Spitze heranzurücken. Auch Force India, das in Silverstone auffallend stark mit Balance-Problemen kämpfte, könnte jetzt Vorteile haben. Geschäftsführer Otmar Szafnauer räumte ein, das Team habe FRIC nur unregelmäßig benutzt. Bei Nico Hülkenbergs Team ist seit Jahren bekannt, dass sie mit relativ konventionellen Autos vergleichsweise viel Ertrag einfahren.
"Wir stecken aber noch in den Anfängen mit FRIC, und wir haben die Aerodynamik nicht speziell dafür entwickelt", gab Force-India-Technikchef Andy Green gegenüber "Auto Motor und Sport" zu: "Ein Team, das die Technologie voll beherrscht, kann da mehr als eine halbe Sekunde herausholen." Die aktuelle Ausbaustufe der Inder habe in Silverstone dagegen nur zwei bis drei Zehntel gebracht.
Wie reagieren die Teams?
Schon bei den Tests nach dem Silverstone-Rennen waren Mercedes' Zeiten auffallend langsam. 1:35,573 Minuten brauchte Nico Rosberg am Dienstag für seine schnellste Runde, 1:36,680 Minuten war Lewis Hamiltons Bestmarke am Mittwoch. Im 3. Freien Training war der Engländer im Trockenen noch in 1:34,508 Minuten die Bestzeit gefahren.
Der Grund ist klar: Die Silberpfeile testeten ohne ihre Entwicklung, um sich auf Hockenheim vorzubereiten. "Wenn du FRIC die ganze Zeit an Bord hast, testest du anders im Windkanal als wenn du ein konventionelles Fahrwerk im Einsatz hast", bestätigt Green: "Du optimierst dein Auto um dieses System herum."
Das Problem des führenden Teams in der WM ist, dass der W05 komplett auf den Vorteil der Vernetzung ausgelegt ist. Die Aerodynamik muss also verhältnismäßig stark an die sich nun wieder ändernden Fahrzeughöhen angepasst werden. Zudem müssen die Aufhängungen jetzt härter eingestellt werden, um Roll- und Kippbewegungen zu verringern.
Wer früher von der Möglichkeit informiert war, dass die Systeme nicht den Regeln entsprechen könnten, dürfte bei der Entwicklung für den Umbau einen signifikanten Vorsprung haben. Oder er geht den anderen Weg: Bei der technischen Abnahme am Donnerstag kann ein Team die Kommissare auch explizit fragen, ob sein FRIC-System legal ist. Unter Umständen fahren also einige Teams weiter mit dem Vorteil, während die anderen die komplexeren Systeme ausbauen müssen.
Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM