Platz 1, Nico Rosberg: Ob der gebürtige Wiesbadener besser mit dem Defekt des Hybrid-Systems umging als Hamilton oder nur mehr Glück hatte, ich vermag es nicht zu beurteilen. Für die Bewertung seiner persönlichen Leistung ist das ohnehin zweitrangig. Rosberg hat mich in Montreal überzeugt, was vor allem an seiner Pole-Position liegt.
Auch wenn Lewis Hamilton eigentlich der Kanada-Experte ist, sein deutscher Teamkollege nahm ihm mit einer außergewöhnlichen Runde in Q3 den besten Startplatz ab und verteidigte die Führung auch trotz des etwas schlechteren Starts. Danach folgte eine kontrollierte, fehlerlose Vorstellung. Hätte die MGU-K nicht hitzefrei genommen, Rosberg wäre kaum abzufangen gewesen. So aber musste er sich nach dem zweiten Boxenstopp einzig und allein darauf konzentrieren, den lädierten W05 irgendwie ins Ziel zu bringen.
Sergio Perez hielt Rosberg in den beiden ersten Sektoren Runde um Runde in Schach, sodass der Mexikaner überhaupt nicht in DRS-Schlagweite kam, nur im Kampf gegen Daniel Ricciardo war der Leistungsunterschied der Power Units von über 100 PS zu groß - so viel wie zwischen einem Käfer und einem BMW 5er. VW-Fahrer dürften wissen, dass sich damit eigentlich kein Duell gewinnen lässt.
Platz 2, Sebastian Vettel: Der zweite Gewinner in den teaminternen Duellen der beiden Teams ist für mich der Weltmeister. Warum? Dass Vettel Dritter und nicht Erster wurde, hat er vor allem seinem Team zu verdanken.
Sein erster Reifenwechsel war schlecht getimt, der Weltmeister hing 21 Runden lang hinter Nico Hülkenberg und fand dank seiner geringeren Motorleistung einfach keinen Weg vorbei. Insgesamt lieferte Red Bull taktisch ein ziemlich schlechtes Bild ab. Auch Vettels zweiter Boxenstopp kam zur Unzeit. Der 26-Jährige musste sich hinter Jean-Eric Vergne einordnen und verlor dadurch seinen Platz an seinen Teamkollegen, den späteren Sieger. Hätte das Team ein glücklicheres Händchen gehabt, Vettel wäre auf dem Podest ganz oben gestanden.
Wie der Heppenheimer mit der verpassten Chance umging, nötigt mir Respekt ab. Vettel ging im Parc fermé direkt zu Ricciardo, umarmte ihn und ließ ihn hoch leben. Es soll Fahrer geben, die selbst einen Handschlag verweigern. Insgesamt war der Deutsche nämlich der bessere Red-Bull-Pilot. Starker dritter Startplatz mit außergewöhnlicher Leistung in den beiden Schlusssektoren, den Mercedes-Zweikampf zum Sprung auf Platz zwei ausgenutzt, danach fehlerlos und schnell das Auto ins Ziel gebracht. Mehr geht nicht.
Platz 3, Daniel Ricciardo: Der 24-Jährige gewann sein erstes Formel-1-Rennen im siebten Rennen für Red Bull - ohne Frage eine tolle Leistung. Doch war er wirklich der Beste? Für mich nicht mit deutlichem Abstand. Ricciardo fuhr fehlerlos, profitierte dabei aber fast ausschließlich von Vettels Taktikpech.
Im Qualifying hatte er schon das Nachsehen gehabt, im Rennen hing er erst hinter beiden Williams, dann nur noch hinter Valtteri Bottas. Auf Platz drei wurde er also durch die Taktik und eine extrem gute Inlap zum zweiten Reifenwechsel gespült. Wie er dann aber binnen der letzten fünf Runden zum Sieg fuhr, war stark.
Den Fehler von Sergio Perez nutzte der Australier eiskalt in Turn 1 mit einer bedingungslosen Attacke aus, kam dabei mit zwei Rädern auf die Wiese und blieb trotzdem vorn. Das Überholmanöver gegen Rosberg war dann kein Problem mehr. Das Überholmanöver, das der Mexikaner in 22 Runden nicht mal ansetzte, zog Ricciardo binnen einer Runde durch. Das war wiederum richtig stark!
Platz 4, Lewis Hamilton: Der Brite ist der Verlierer des Kanada-GP und kann nicht mal was dafür. Sein Rückstand im Qualifying war minimal, als die Ampeln ausgingen, kam er besser weg, vermied in der ersten Kurve eine Kollision und wich aufs Gras aus. Lediglich beim Restart machte Hamilton keine optimale Figur. Mit voller Leistung hätte er sich Vettel schnappen können, verlor aber den Anschluss.
Danach geduldete sich der 29-Jährige hinter dem Red Bull, bis das DRS-Fenster geöffnet wurde. Man kann ihm vorwerfen, dass er den Angriff nicht probierte, für mich war die Entscheidung allerdings richtig. So konnte sich Hamilton ein paar Körner für Rosberg aufsparen und den Führenden schnell unter Druck setzen.
Beeindruckend war vor allem, wie schnell Hamilton den Rückstand vernichtete und wie schnell er den Teamkollegen in einen Fehler zwang. Als er anders als Rosberg direkt nach dem Verpassen der Zielschikane vom Gas ging, bewies er Sportsgeist. Die Situation war aber eine andere als zuvor beim Deutschen, der auch vom Gas ging. Hamilton hatte einen wesentlich größeren Vorteil. Der Ausfall markierte schließlich das bittere Ende eines starken Wochenendes.
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Platz 5, Nico Hülkenberg: Für mich war der Emmericher einmal mehr einer der Höhepunkt-Lieferanten am Sonntag. Einen Tag zuvor war er noch knapp an Q3 gescheitert, weil Force India das Auto ausschließlich aufs Rennen auslegte. Dann aber schlug seine Stunde. Hülkenberg blockierte auf der härteren Reifenmischung erst Kevin Magnussen und dann Sebastian Vettel. Damit ermöglichte er Teamkollege Perez seine famose Fahrt auf den zwischenzeitlichen zweiten Rang.
Der Mexikaner konnte unbedrängt hinter den Mercedes herfahren und dabei seine superweichen Reifen schonen, während Hülkenberg die Verfolger einbremste. Eine andere Möglichkeit blieb dem Deutschen mit der Ein-Stopp-Strategie gar nicht und er zog es ohne größere Probleme durch. Erst in der Schlussphase, als die Supersofts hinüber waren, blieb Hülkenberg keine Chance mehr.
Platz 6, Jenson Button: Die Verwunderung war riesig, als der McLaren-Pilot als Vierter über die Ziellinie fuhr. Zwei Runden vor Schluss war er Achter, dann sprintete er in unglaublicher Weise nach vorn. Massa und Perez hatten sich gegenseitig aus dem Rennen genommen, doch Button hatte sich zuvor aus eigener Kraft schon Alonso und Hülkenberg binnen einer Runde geschnappt! "Fernando hat Nico in der Haarnadel fast getroffen", erklärte der Weltmeister von 2009 sein Kunststück später lapidar.
Für Button war es der glückliche Abschluss eines durchwachsenen Rennens. Nach dem guten Qualifying mit Startplatz 9 ging zunächst nicht viel. Die superweichen Reifen funktionierten nicht, er fiel zwei Plätze zurück und hing im Mittelfeld fest. Mit den härteren Slicks startete er dann die famose Aufholjagd und schloss allein im letzten Stint mit unglaublich konstanten Zeiten eine Zwölf-Sekunden-Lücke.
Platz 7, Jean-Eric Vergne: Der Toro Rosso hat in Kanada im Rennen durch seine Optimierung auf hohe Geschwindigkeit einen nicht zu verachtenden Vorteil, den der Franzose ausspielte. Zeitweise lag er sogar vor dem auf einer ganzen Runde schnelleren Ferrari von Fernando Alonso.
Doch auch über das gesamte Wochenende bewies sich Vergne, den zuletzt mehrmals Technikprobleme bremsten. Seinen Teamkollegen Daniil Kvyat hatte er problemlos im Griff, doch dass er sich einen Top-10-Startplatz sicherte, war keine Selbstverständlichkeit. Mehr als Platz 9 war einfach nicht drin.
Platz 8, Fernando Alonso: Am Freitag war der Spanier ganz vorn bei der Musik dabei, im weiteren Verlauf des Wochenendes ging nicht mehr viel. Hatte Ferrari schon alle Körner aufgebraucht? Es scheint möglich, dass das Team mit den plötzlich gestiegenen Temperaturen nicht wirklich zurechtkam.
Alonso machte daraus, was ging. Siebter Platz bei Start, sechster Platz in der Endabrechnung. Gegen Ende kam er sogar nochmal an die Spitzengruppe heran, bis er sich mit Hülkenberg beharkte und Button vorbeizog. Insgesamt noch ein gutes Wochenende.
Platz 9, Felipe Massa: Auch der Brasilianer profitierte in Montreal von der Charakteristik seines Autos, das noch einige Zehntel schneller ist als der Toro Rosso. Massa wirkte von Beginn des Wochenendes an schnell, konnte den Speed am Sonntag aus mehreren Gründen aber nicht vollständig umsetzen.
Ein Problem beim Reifenwechsel, der gescheiterte Versuch, mit einem Stopp durchzukommen, und nicht zuletzt eine eigentümliche, aus meiner Sicht Zeit kostende Linienwahl in der Haarnadel kosteten ihn ein richtig gutes Resultat. Schon das Qualifying lief nicht gerade berauschend: Startplatz 3 wäre drin gewesen.
Platz 10, Valtteri Bottas: Der Finne stand etwas im Schatten seines Teamkollegen, auch wenn er das Qualifying-Duell für sich entschied. Am Sonntag folgten mannigfaltige Probleme. Die Reifen, ein ERS-Problem, Bremsschwierigkeiten - Mercedes kann ein Lied davon singen. Immerhin brachte Bottas den Williams trotz überhitzenden Reifen ins Ziel. Auch wenn es dank der Motorschonung nur zu Rang 7 reichte.
Härtefall, Sergio Perez: Die zum Unfall führende Aktion gegen Massa war dumm, überhart, gefährlich. Perez verließ die Ideallinie vor Turn 1 und zog nach links, als Massa schon neben ihm war. Der spektakuläre Unfall geht eindeutig auf die Kappe des Force-India-Mexikaners.
Schade, denn er brachte sich damit selbst um seinen verdienten Lohn. Nach der Quali-Niederlage gegen Hülkenberg schnappte Perez sich den Deutschen schon in der ersten Runde und zog danach exzellent seine Ein-Stopp-Strategie auf. Die Verteidigungsfahrt war exzellent. Aber der Fehler war zu groß für Punkte.
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