Mercedes-Probleme nehmen zu

Lewis Hamilton muss in Ungarn schon wieder Schadensbegrenzung betreiben
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Dass Niki Lauda eine innige Beziehung zu Lewis Hamilton pflegt, ist kein Geheimnis. Nachdem beim Qualifying zum Ungarn-GP am Sonntag in Budapest (14 Uhr im LIVE-TICKER) wie schon am Wochenende zuvor der Mercedes des WM-Zweiten den Geist aufgab, fordert der Aufsichtsratschef jetzt Aufklärung und nimmt das Formel-1-Team in die Pflicht.

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Individuelle Fehler in Österreich und Großbritannien, der Bremsdefekt von Hockenheim und schließlich ein Benzinleck in Budapest. Hamiltons Negativserie will einfach nicht enden. "Es ist total unfair. Hier ist Überholen sehr schwierig und er war klar der schnellste Mann", regte sich Lauda auf: "Er hätte heute die Pole geholt und morgen das Rennen gewonnen - zweifellos. Für Lewis ist das eine Katastrophe. Er ist total fertig, ich habe mit ihm geredet. Solche Dinge dürfen nicht passieren!"

Quali-Schäden: Hamilton und Magnussen aus der Box

Den dreifachen Weltmeister stört, dass Hamilton immer mehr zu Mercedes' Mark Webber mutiert, der scheinbar immer als einziger Red-Bull-Pilot mit der Technik kämpfen musste. Wenn etwas kaputtgeht, dann trifft es jetzt also offenbar mit fast grenzenloser Wahrscheinlichkeit den Silberpfeil des WM-Zweiten. "Das ist kein Pech mehr. Das geht darüber hinaus", sagte der Engländer, bei dem die Alarmglocken schrillen. Wittert er Manipulation?

Wohl kaum. Hamilton weiß, dass beide Silberpfeile mit demselben Material ausgestattet sind. Eine Bevorzugung gibt es nicht. Der Stuttgarter Automobilkonzern begreift die Formel 1 als Marketing, ein lichterloh brennendes Auto mit dem Stern auf der Haube ist keine gute Werbung für die Zuverlässigkeit der Straßenautos.

Lauda: "Solche Dinge dürfen nicht passieren"

"Man kann sich darauf verlassen, dass Mercedes - in erster Linie Paddy Lowe - gefordert ist, das alles aufzuklären", sagte "RTL"-Experte Lauda in Richtung seines Technikchefs. Der Österreicher will Verschwörungstheorien direkt ad acta legen und die Zuverlässigkeit in den Griff bekommen: "Es muss eine logische Erklärung geben. Man muss die Kette bis zum Beginn verfolgen: Wo beginnt das Problem? Solche Dinge dürfen nicht passieren!"

Der Schaden ist aber schon jetzt immens: 14 Punkte trennen Hamilton vor dem Rennen auf dem Hungaroring in der WM-Wertung von seinem Teamkollegen und Nico Rosbergs Vorsprung wird weiter wachsen. "Das ist eine Strecke auf der man nicht überholen kann. Ich werde Probleme haben in die Top 10 zu kommen, spätestens in die Top 5", sagte Hamilton enttäuscht: "Ich hier werde wohl mehr als 20 Punkte auf Nico verlieren."

Seit dem Rennen in Monaco - also an vier Formel-1-Wochenenden in Folge kam Mercedes nicht ein einziges Mal ohne Probleme durch Qualifying und Rennen. Während die anderen Teams ihre Zuverlässigkeitsprobleme langsam immer weiter beseitigen, scheint Mercedes mit zunehmender Konkurrenzfähigkeit der anderen immer mehr Probleme zu bekommen.

Mercedes zieht Konsequenzen aus Pannen

"Momentan ist das eine Schwachstelle von uns und wir müssen daran arbeiten", sagt Rosberg. Erste Schritte sind eingeleitet, wie Motorsportchef Toto Wolff verrät: "Wir haben eine Gruppe im Qualitätsmanagement installiert. Wir wollen das nicht akzeptieren und werden hart arbeiten, um die Probleme zu lösen."

Doch der persönliche Frust ist gestiegen: Hamilton verließ das Paddock am Samstag fluchtartig, noch bevor die Entscheidung gefallen war. "Lewis ist unheimlich sensibel und wir machen uns als Team viele Gedanken, wie er bestens funktioniert", erklärte Wolff: "Er wollte nach Hause gehen, hat gefragt und wir haben gesagt: 'Ja, geh nach Hause.'"

Schon in Silverstone hatte der Weltmeister von 2008 auf seinen Fehler im Qualifying ähnlich reagiert, war mit dem Helikopter zu seiner Familie geflogen, um mit seinem Bruder Anthony einen Abend an der Spielkonsole zu verbringen. Er kehrte zurück, pflügte durchs Feld, klaute Rosberg den Sieg und übernahm die Führung in der Weltmeisterschaft.

Rosberg rettet sich trotz Problemen

Doch hat der Deutsche wirklich das glücklichere Händchen? "Es ist echt enttäuschend, wenn das Auto eine Panne hat. Ich hatte das vor zwei Rennen in Silverstone", erinnert Rosberg an seinen Getriebeschaden. Auch er kommt keineswegs problemlos durch die Saison: In Kanada rettete er sich glücklich ins Ziel, in Malaysia und China war er durch Telemetrie-Probleme gehandicapt.

Das hat sich auf seine Taktik ausgewirkt. Rosberg versucht nicht, alles zu gewinnen, wie es sein härtester Rivale vorlebt. "Ich muss auf Sicherheit spielen und alle unnötigen Dinge vermeiden, um so viele Punkte wie möglich zu kriegen", sagt der 28-Jährige: "Auch ich würde da draußen lieber mit Lewis kämpfen. Das wäre der maximale Adrenalin-Rausch."

So sieht alles nach einem relativ langweiligen Sonntag aus. Wenn sein Auto zuverlässig läuft, kann Rosberg das Rennen abermals vom Start weg an der Spitze dominieren - zumindest wenn ihm das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht. Allerdings sind die Vorzeichen in Ungarn andere als zuletzt.

Red Bull vielleicht ernsthafter Siegkandidat

Am Freitag war Red Bull dank Sebastian Vettel bei den Longruns auf Augenhöhe. Der Weltmeister hat bei der kleinsten Schwäche des Silberpfeils die Chance auf die Erlösung: seinen ersten Saisonsieg. "Wir sind hier, um zu kämpfen", sagt er, nach der Qualifikation für Startplatz zwei: "Wenn es regnet, haben wir eine viel bessere Chance als unter trockenen Bedingungen - aber selbst dann sind wir näher dran. Unsere Longrun Pace war im Vergleich zu ihnen viel besser."

Noch ist unklar, ob Mercedes wie von Vettel vermutet, im 2. Freien Training nicht mit offenem Visier fuhr. Der härteste Gegner für Red Bull ist ohnehin weiterhin Williams. Valtteri Bottas konnte trotz des vermeintlichen Nachteils des geringeren Anpressdrucks Daniel Ricciardo im Qualifying hinter sich lassen und könnte Vettel, der auf der dreckigen Seite der Zielgerade ins Rennen geht, durch die Stärke beim Start direkt auch noch Platz zwei abnehmen.

Dass dem Red Bull gegen den Mercedes-befeuerten Williams ein Überholmanöver auf der Strecke gelingt, scheint ausgeschlossen. Bleibt also der Weg über die Boxenstopps, doch auch da gibt es wenig Hoffnung. "Wir glauben, dass die meisten Fahrer eine Zweistopp-Strategie fahren werden, obwohl drei Stopps theoretisch schneller wären", sagt Pirellis Motorsportdirektor Paul Hembery.

Der Verkehr würde allerdings zu viel Zeit kosten, weswegen die einzige Hoffnung der Hinterherfahrer ein anderes Szenario ist. "Der Regen in Q3 hat gezeigt, wie sehr schon ein paar Regentropfen die ganze Situation verändern können", sagt Hembery.

Erstes Regenrennen seit eineinhalb Jahren?

Schon um 11 Uhr beträgt die Regenwahrscheinlichkeit 65 Prozent, zwar könnte der Niederschlag bis zum Start wieder weg sein, danach steigt das Risiko aber wieder. Gewitter sind für den Nachmittag angekündigt. Es drohen Mischverhältnisse, bei denen sich die Fahrer durch Fahrzeugkontrolle und das richtige Gespür bei der Reifenwahl auszeichnen können.

Der Ungarn-GP könnte das erste echte Regenrennen seit dem Brasilien-GP 2012 werden. In Malaysia war die Strecke im Vorjahr nur zu Beginn nass, bevor Webber und Vettel aneinandergerieten. Reißt die Serie von 27 Grands Prix ohne Tropfen wirklich, wäre das für die aus der Box startenden Hamilton und Kevin Magnussen ein mächtiger Vorteil. Sie dürfen Ihre Autos dann ohne Perc-Fermé-Regelung nach Belieben auf die nasse Strecke einstellen.

"Ich würde dem Lewis alles zutrauen - auch ein Podium", machte Wolff dessen Anhängern Hoffnung: "Es ist natürlich unglaublich schwierig vorzufahren, weil das Überholen so schwierig ist, aber er wird sicher eine Megaleistung hinlegen. Wir werden eine Lewis-Hamilton-Show erleben."

Stand in der Fahrer- und Kontrukteurs-WM

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