"Wenn ich sage, dass Mercedes aufpassen muss, weil wir gewinnen werden, dann fangen hier alle an zu lachen", sagt Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene. Der Italiener ist kein Mann für plakative Kampfansagen. Er ist Realist. Auch wenn die Temperaturen in Sakhir deutlich höher sein werden als zuletzt in Shanghai, muss seine Scuderia Fehler der Silberpfeile nutzen.
Die Hoffnungen könnten auf dem Zwist liegen, der sich bei Mercedes zuletzt andeutete. Dass Rosberg in China scheinbar die Nerven verlor und seinen Teamkollegen öffentlich für dessen langsame Siegfahrt attackierte, hat aber kaum Auswirkungen. Hamilton bügelte den emotionalen Aussetzer souverän ab.
"Wenn ich Zweiter gewesen wäre und diese Geschwindigkeit gehabt hätte, hätte ich Gas gegeben, um zu überholen. So geht Rennfahren. Aber das hat Nico nicht getan", sagte der Weltmeister hämisch: "Ich hätte wenigstens so lange Druck gemacht, wie es irgendwie geht." Sein Teamkollege beschränkte sich darauf, Platz zwei zu halten. Vielleicht weil er sich bewusst war, dass er gegen Hamilton nicht den Hauch einer Chance hatte.
Berger: "Rosberg wirkt so verzweifelt wie Vettel"
"Rosberg wirkt so verzweifelt wie Sebastian Vettel nach seinem miesen Saisonstart im letzten Jahr. Sehr verbissen, unzufrieden mit sich und der Welt. Er sucht nach Antworten, warum Hamilton besser ist, findet aber keine", analysierte Gerhard Berger gegenüber Sport Bild die Situation: "Dieses Verhalten ist kontraproduktiv und lässt ihn in ein noch größeres Loch fallen. Er muss jetzt unbedingt etwas gegen diese Abwärtsspirale tun."
"Das ist eben der Unterschied zwischen uns. Ich will immer gewinnen", gab Hamilton eine Hilfestellung: "Ich habe immer gesagt, dass er mental stark ist. Aber ich denke, dass ich dieses Jahr stärker bin." Schon in China hatte er sich lustig gemacht. "Mein Fahrer für das Wochenende fuhr mit zwei Fingern am Lenkrad", sagte er über seinen Chauffeur: "Ich habe das auch versucht."
Noch nach dem letzten Rennen der Saison 2014 hatte Rosberg angekündigt, sich im Winter weiterzuentwickeln. Er wollte seine Schwächen im Rennen ausräumen. Stattdessen trumpft nur Hamilton auf und treibt den Vizeweltmeister in die Frustration.
Geändertes Verhalten im Psychoduell?
Oder täuschte er die Öffentlichkeit und hat einfach nur seinen Ansatz im Psychoduell geändert? In Australien und Malaysia lobte er Hamilton für dessen "meisterliche" Leistungen. Doch den 30-Jährigen in Sicherheit zu wiegen, um dann eine Nachlässigkeit auszunutzen funktionierte nicht. Warum also nicht das Vorgehen ändern?
"Wenn Hamilton taktisch gut fährt, ist es unverschämt, ihm das vorzuwerfen", sagte Ex-McLaren-Pilot Jochen Mass dem Express: "Und selbst wenn er ihn absichtlich eingebremst hat, halte ich die Klappe und versuche beim nächsten Mal vor ihm zu stehen. Ich würde ihm raten, fahrerisch die Antwort zu geben."
Rosberg will deutsche Tugenden ausspielen
Das scheint Rosberg mittlerweile auch erkannt zu haben. "Die Saison ist noch lang, ich muss einfach meine deutschen Tugenden einsetzen. Mit Disziplin mit meinem Team hart weiterarbeiten", suchte Rosberg in seiner Kolumne bei Bild einen Ausweg.
Nachdem er drei Grands Prix lang auf ein fürs Rennen optimiertes Setup setzte, will er nun an seine Stärke des Vorjahres anknüpfen: das Qualifying: "Wenn ich von ganz vorne starte, kann Lewis fahren wie er möchte - dann ist mir das total egal."
Bahrain 2014: Rücksichtslosigkeit siegt
Die Erinnerungen ans Vorjahr untermauern das nicht. Beim Bahrain-GP 2014 startete er von der Pole Position. Die Silberpfeile duellierten sich auf unterschiedlichen Strategien verbissen. Hamilton gewann - unter anderem weil er rücksichtsloser fuhr und Rosberg neben die Strecke drängte.
"Eine Quali-Abstimmung zu wählen, ist ein Vabanquespiel, aber Nico muss jetzt eben alles riskieren, um Lewis' Lauf zu brechen", sagt Mass. Wird es an diesem Wochenende zu einer weiteren Eskalation des Zweikampfs kommen?
Klärende Besprechung in China
Mercedes versucht alles, um das zu verhindern. Bei der Nachbesprechung in China wurde Rosberg in die Schranken gewiesen. "Beide wissen, dass die oberste Maxime des Teams lautet, für Mercedes-Benz zu gewinnen", betont Motorsportchef Toto Wolff.
Rosberg ergänzt brav: "Nach Bahrain schleppe ich nichts mit, das ist jetzt alles besprochen." Der Wahl-Monegasse spielt seine deutschen Tugenden schon aus: Nicht reden, angreifen. Sebastian Vettel wird's freuen. Er hat schon angekündigt, Mercedes "richtig ärgern" zu wollen.
Der Formel-1-Kalender 2015 im Überblick