Die Formel-1-Saison 2015 verspricht Spannung: Fünf Weltmeister, drei Deutsche, ein Haufen talentierter Neulinge. SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen von Sebastian Vettel, Lewis Hamilton, Fernando Alonso und Co. und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 11: Der Belgien-GP in Spa.
Platz 1, Romain Grosjean: Back in Black! Der Franzose kann endlich mit dem größten Fehler seiner Karriere endgültig abschließen. Spa, die Strecke, auf der er in der Saison 2012 mit einem vollkommen übermütigen Start eine Massenkarambolage auslöste, bei der Fernando Alonso nur knapp einer lebensgefährlichen Verletzung entging, ist jetzt zu einem Ort der Erlösung geworden.
644 Tage nach dem letzten Podestplatz für Lotus beim USA-GP in Austin am 17. November 2013 ist Grosjean mit seinem schwarzen Dienstwagen wieder unter die ersten Drei gefahren. Eine Erlösung für den Fahrer, der sich jahrelang den Ruf eines Crash-Piloten erarbeitet hatte. Mittlerweile ist Grosjean ein anderer Mensch. Er liefert beständig Leistung, er ist kontrolliert, er ist reif für ein Sieg-Auto.
In Belgien schaffte er trotz der Strafversetzung für den Getriebewechsel einen Ritt von Platz 9 auf 3. Das ganze Wochenende über war der Franzose schneller als sein Team es erwartet hatte: Siebter am Freitag, obwohl er im 1. Training noch für Jolyon Palmer Platz machen musste, Vierter am Samstag. Grosjean hat sich endlich für seine Konstanz mit einer herausragenden Leistung belohnt.
Platz 2, Lewis Hamilton: Bevor die Aufregung zu groß wird: Hamilton fuhr genauso gut wie Grosjean. Aber zwei Fahrer auf die Spitzenposition zu stellen funktioniert nicht. Also habe ich mich für den Piloten entschieden, der die Leistung mit größeren Hindernissen vollbracht hat.
Hamilton unterdessen sammelte Pluspunkte, weil er endlich Sektor 2 zusammenbrachte - und wie! Er nahm selbst Rosberg dort eine halbe Sekunde ab. Das mag zwar nicht nur an der fahrerischen Leistung sondern auch an dem steileren Frontflügel gelegen haben, dennoch ist es beeindruckend.
Dazu kommt, wie spielerisch Hamilton das Rennen nach seinem guten Start kontrollierte. Das von ihm befürchtete Desaster blieb aus, den einzigen Angriff auf seine Führung durch Sergio Perez wehrte er vor der fünften Kurve kühl und souverän ab. Weltmeisterliche Leistung - aber was will man erwarten?
Platz 3, Sergio Perez: Führung für Force India? Der Mexikaner macht's möglich: Beim Anbremsen von Les Combes durchfuhr Perez die Lichtschranke am Ende des ersten Sektors als Erster. Dass er an Hamilton vorbeikommen würde, war nicht zu erwarten. Sein Start war so schon außergewöhnlich.
Wenn ich mich auf einen Fahrer festlegen muss, der die beste erste Runde unter den neuen Startregeln ohne Ingenieurhilfe erwischte, dann fällt meine Wahl ohne Zögern auf Perez. Dass er seinen Teamkollege Nico Hülkenberg am Samstag erstmals seit dem Monaco-GP ohne Probleme im Qualifying distanzierte, ist ein weiterer, gewichtiger Pluspunkt für eine Spitzenplatzierung.
Platz 4, Daniil Kvyat: Die Red-Bull-Fahrer machen es an diesem Wochenende spannend. Wer ist besser gewesen? Eine schwierige Frage angesichts des enttäuschenden zwölften Startplatzes und einer fabelhaften Aufholjagd von Kvyat und Daniel Ricciardos guter Gesamt-Performance.
Ich habe mich für den Russen entschieden, weil mich seine Überholmanöver am Sonntag beeindruckt haben. Trotz des Renault-Antriebs hatte Daniil Vyacheslavovich Kvyat nicht den Hauch eines Problems, die Konkurrenten zu umkurven. Das Ausscheiden in Q2 fällt da weniger ins Gewicht, schließlich trennten ihn gerade zwei Zehntel von Pastor Maldonado auf Rang 6.
Platz 5, Daniel Ricciardo: Sebastian Vettels australischer Nachfolger als Oberbulle machte in Spa alles richtig und wurde doch nicht belohnt. Ohne Fehler des Hybrid-Systems wäre er in den Kampf zwischen Grosjean und dem Ferrari-Piloten um das Podium geraten. Ricciardo machte bis dahin viel richtig, ärgerte die Mercedes-Kundenteams im Qualifying. Er strahlte dabei aber weniger als gewohnt. Deswegen liegt er knapp hinter Kvyat.
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Seite 2: Max Verstappens Blanchimont-Doppelschlag
Platz 6, Fernando Alonso: Habe ich gesagt, dass Perez den besten Start hatte? Ich hätte zögern sollen. War es doch der frühere FIAT-Mitarbeiter mit der Fehlproduktion im Heck seines McLaren? Alonso blitzte von Startposition 20 auf Rang 14 vor und lieferte anschließend einen aussichtslosen Kampf, Felipe Nasr hinter sich zu halten.
Anzukreiden ist ihm das Qualifying, als ihm eine halbe Sekunde auf Teamkollege Jenson Button fehlte. Das ungewöhnlich schlechte Resultat relativiert allerdings der Ausfall des 3. Trainings: Alonso konnte die Setup-Änderungen nach dem enttäuschenden Freitag durch Probleme mit dem Auspuff nicht ausprobieren.
Platz 7, Max Verstappen: Licht und Schatten beim Niederländer. Erst arbeitete er sich nach dem Start, bei dem er in La Source die kleinste Lücke perfekt nutzte, binnen vier Umläufen in die Top 10 vor und zog Kimi Räikkönen mit, dann leistete er sich einen Verbremser, als er Felipe Massa in Runde 14 überholen wollte und schaffte auf weichen Reifen gegen den Iceman in den letzten Runden kein Überholmanöver mehr. Trotzdem hat sich Verstappen Punkte verdient.
Sich von Startplatz 18 um zehn Positionen zu verbessern, ist im Toro Rosso bei weitem nicht selbstverständlich. Insbesondere beim Überholmanöver auf der Blanchimont-Außenbahn gegen Felipe Nasr hätten einige erfahrenere Piloten die Hosen voll gehabt. Nicht so Verstappen, der völlig unbekümmert attackiert, wann immer er die kleinste Chance sieht. An derselben Stelle hatte er Alonso bereits in der ersten Runde auf der Innenbahn überholt.
Platz 8, Sebastian Vettel: Der Wutausbruch nach dem Rennen spielt im Driver-Ranking keine Rolle. Hier soll es um die fahrerische Leistung gehen. Die bekam der vierfache Weltmeister beim Belgien-GP nur teilweise auf die Strecke. Zwei Fehler in der entscheidenden Runde bescherten Vettel das bisher schlechteste Qualifying-Ergebnis seiner Ferrari-Zeit.
Kommentar zu Vettel vs. Ferrari: Übertrieben und verständlich
So musste Ferrari am Sonntag eine riskantere Strategie wählen, um noch eine Chance aufs Podium zu haben. Die gewählte Ein-Stopp-Variante setzte Vettel mit konstanten Rundenzeiten ohne Probleme um, bis der geplatzte Reifen die Hoffnung zunichtemachte. Insgesamt war es ein durchschnittliches Wochenende von Vettel.
Platz 9, Jenson Button: Im Qualfiying ein deutlicher Sieg gegen Alonso, aber sonst? Button kämpfte im Rennen mit der Honda-Powerunit, die ihm nur selten den Schub der rückgewonnenen Energie freigab. Deshalb ist seine Leistung am Sonntag kaum zu bewerten. Der Samstag aber war stark. Button selbst sprach davon, er habe seine Pole-Runde der Saison 2012 egalisiert. Schade, dass Honda verhindert, dass sich das auch im Klassement widerspiegelt.
Platz 10, Marcus Ericsson: Jeder ging vor der Saison davon aus, dass der Schwede von seinem Sauber-Teamkollegen bei jedem Rennen nur die Rücklichter sieht. Stattdessen poliert Ericsson mittlerweile seinen Ruf mit mehr als ansprechenden Leistungen deutlich auf.
In Spa schloss er sein viertes Rennen in den Punkten ab, eins mehr als Nasr. In den letzten fünf Rennen war er gleich viermal im Qualifying schneller. Welche Umstellung Ericsson in seiner Herangehensweise auch gemacht hat, sie zahlt sich deutlich wahrnehmbar aus.
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Die Formel-1-Saison 2015 im Überblick