Zwei Kollisionen mit Feindfahrzeugen, ein Dreher, eine Geradeausfahrt in die Mauer - Ferraris Kassensturz nach dem Mexiko-Comeback brachte ein dickes Minus zu Tage. Denn eigentlich war wohl der Kampf um den Sieg drin.
Vettel ging nach dem durch die Startkollision mit Ex-Red-Bull-Kollege Daniel Ricciardo nötigen Boxenstopp das Tempo der Silberpfeile an der Spitze mit, die noch auf soften Slicks fuhren. Auch als alle drei auf Medium-Reifen gewechselt hatten, hielt der Deutsche mit und musste vom Team überredet werden, Hamilton überrunden zu lassen.
Auch Räikkönen zeigte, was im SF15-T steckt. Weil die Piloten vor ihm nach und nach allesamt an die Box fuhren, rutschte der Iceman auf den härteren Slicks immer weiter nach vorne. Sechster war Räikkönen, als er in Runde 6 vom frühzeitig auf Mediums gewechselten Valtteri Bottas verfolgt wurde. Das finnische Dauerduell endete nach dem Angriff des Williams-Piloten schon wieder mit einem Ausfall.
Ein echter Finne steckt nicht zurück
Nachdem Räikkönen in Sotschi Bottas aus dem Nichts abgeschossen hatte, gingen die beiden Finnen dieses Mal auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez wirklich gleichauf in Turn 4. Doch beim folgenden Rechtsknick zog der Iceman kompromisslos zum Scheitel.
"Dort ist nicht viel Platz. Aber wenn man innen über den Kerb fährt, dann ist da genug Platz", wies Räikkönen die Schuld prompt von sich: "Es war eng. Aber wenn sie ihn fragen, bin ich sicher, dass er mir die Schuld gibt. Ich musste aber irgendwann einlenken. Ich konnte nicht geradeaus fahren."
Räikkönen täuschte sich allerdings. Einerseits fuhr Bottas schon über den Abweiser, andererseits hätte der Ferrari durchaus eine weitere Linie vertragen. "Da war einfach kein Platz. Ich war innen und wir haben uns berührt, aber ich hatte keinen Platz", sagte Bottas, der mit dem Schreck davonkam und Dritter wurde: "Natürlich stecke ich nicht zurück. Ich kämpfe um Positionen."
Eine Genugtuung für den geklauten Podiumsplatz in Sotschi? "Vielleicht fühlt er sich jetzt besser wegen dem, was in Russland passiert ist", sagte der Iceman: "Ich habe gegen niemanden etwas. Das ist Racing. Und wenn er jetzt ein besseres Gefühl hat, ist das gut für ihn."
Die Whatever-Attitüde hat sich Räikkönen erhalten. Geht etwas schief, geht es schief. Anschließend noch Worte darüber zu verlieren oder gar Gefühle zu erklären? Unnötig.
Vettel hat Gesprächsbedarf
Etwas mehr Gesprächsbedarf hatte sein Teamkollege. "Ich hatte einen schlechten Start", sagte Vettel, der sich mit Daniel Ricciardo nicht einig wurde, ob überhaupt ein Pilot für die Berührung in Turn 1 verantwortlich war: "Nach dem Plattfuß war das Rennen eigentlich schon gelaufen. Ich habe versucht zurückzukommen, aber zwei Fehler haben dabei nicht gerade geholfen."
Turn 7 wurde Vettel zum Verhängnis. Erste drehte er sich am Kurvenmittelpunkt, als das Heck ausbrach, beschädigte die Reifen und kam gleich nochmal neben die Strecke. "Es war schon das ganze Wochenende tückisch. Aber ich will nicht die Bedingungen oder die Strecke als Ausrede gelten lassen", erklärte der Weltmeister.
Was folgte, war ein Geradeausritt durch die Auslaufzone in die Sicherheitsbarrieren. "Der letzte Fehler war mein Fehler, darauf bin ich nicht stolz", entschuldigte sich der vierfache Weltmeister: "Wir waren sehr nah an Mercedes bezogen auf die Pace."
Erster Nuller nach 179 Rennen
Doch statt einem direkten Kampf gab es ein längst vergessen geglaubtes Ergebnis für Ferrari: Kein Auto aus Maranello klassifizierte sich in Mexiko-City. Letztmals passierte das beim Australien-GP 2006. Damals schieden Michael Schumacher nach einem Dreher und Felipe Massa nach einer Kollision aus.
Nach 179 Rennen tauchte erstmals kein Ferrari im Klassement auf. Das Ende der einzigartigen Serie nahm die Scuderia locker. "Ich möchte weder Kimi auf die eine, noch Seb auf die andere Weise beschuldigen. Wir müssen uns nicht entschuldigen und sie müssen sich nicht entschuldigen. Wir sind ein Team", sagte Teamchef Maurizio Arrivabene: "Wir haben in der Saison schon den Himmel berührt, heute haben wir eben den Boden berührt."
Weniger philosophisch verpackte es Räikkönen, der nach dem Brand im 3. Training ans Ende der Startaufstellung versetzt worden war: "Es war ein beschissenes Wochenende, aber man kann nichts daran ändern."
Ferrari löst Mercedes-Differenzen aus
Es waren ausgerechnet Ferraris Fahrfehler, die zum Aufreger des Rennens führten. Weil die Silberpfeile ohne Konkurrenz an der Spitze flogen, entschieden die Strategen sich für einen Sicherheitsboxenstopp, den Lewis Hamilton partout nicht einlegen wollte.
"Checkt die Reifen. Das kann nicht sein", funkte Hamilton, als er mit dem Hinweis auf komplett abgefahrene Slicks im ersten Stint an die Box beordert wurde. Die Antwort des Teams: Reinkommen! "Das ist eine Anweisung."
Allzu stark wollten die Verantwortlichen den Disput anschließend nicht aufkochen. "Dass er emotional ist und das hinterfragt, ist ganz normal. Wir wollen keine Roboter im Auto", sagte Motorsportchef Toto Wolff: "Wir haben es dann deutlich gemacht. Als wir dann die Reifen heruntergenommen hatten, war sein Reifen wieder im schlechteren Zustand." Verschwörungstheorien um einen geschenkten Rosberg-Sieg gehören also ins Reich der Fabeln.
Lowe nordet Hamilton ein
"Er hätte sich darüber hinwegsetzen können, aber das wäre intern sicherlich nicht gut angekommen", sagte Lauda. Technikdirektor Paddy Lowe fand deutlichere Worte: "Es war nicht korrekt, nicht reinzukommen, als wir es ihm gesagt haben", sagte er zu Motorsport.com. "Wenn der Kerl mit 350 km/h durch die Gegend fährt, kannst du ihm nicht eine technische Erklärung liefern, die ein paar Minuten dauert."
Letztlich fügte sich Hamilton. Der Weltmeister kam zum zweiten Reifenwechsel. Auch wenn er im Anschluss Fragen zur Situation ausweichend beiseiteschob und lieber das Thema wechselte.
"Nico ist sehr gut gefahren", sagte Hamilton auf der Pressekonferenz und erlaubte sich einen Seitenhieb im Rückblick auf Austin: "Keine Fehler, kein Windstoß..."
Sein Chef stärkte demonstrativ Rosberg den Rücken. "Nico war der dominierende Mann und hat das Rennen verdient gewonnen. Immer, wenn ihn alle abschreiben, fährt er am stärksten", sagte Wolff. Der Vizeweltmeister geht mit 21 Punkten Vorsprung auf Vettel in die letzten beiden Rennen in Brasilien und Abu Dhabi. Der größtmögliche Triumph für Mercedes in den WM-Wertungen ist zum Greifen nah - und das Verhältnis der Fahrer bleibt unter Hochspannung.
Kalender und WM-Stände 2015 im Überblick