Fast ein Jahr hat es gedauert. Während bei Nico Rosberg schon nach der ersten Saisonhälfte 2014 fest stand, dass er im Silberpfeil sitzen bleibt, ließ sich sein Teamkollege Zeit. Mehrmals wurden die Verhandlungen kurzfristig unterbrochen. Hamilton nahm sich Zeit.
"Hoffentlich ist es vor dem Wochenende erledigt", verkündete der Doppelweltmeister schließlich vor dem Malaysia-GP 2015. Allein, es dauerte weitere vier Rennwochenenden, bis endlich die Einigung offiziell ist. Besonders einige Medien witterten ihre Chance und brachten Hamilton wahlweise mit Ferrari oder mit exorbitanten Gehaltsforderungen in Verbindung. Dabei war der Grund für die Verzögerung wohl ein anderer.
"Ich habe Mercedes von Anfang an gesagt: Ich plane nicht, mit irgendjemand anderem zu sprechen. Und ich glaube, bei ihnen war es genauso", sagte Hamilton nun: "Ich habe mir Zeit genommen, einige Wochen darüber nachgedacht. Ich hatte noch ein Jahr Vertragslaufzeit, es ging nicht darum, jeden Tag daran zu arbeiten."
Während jeder Profisportler sich einen Manager hält, hat der Brite sein Schicksal mittlerweile selbst in die Hand genommen. "Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich die 80 Seiten schon gelesen habe. Es ist sehr viel zu lesen, alles im Rechtsanwaltsjargon. Das ist ziemlich nervig", sagte er nach dem Malaysia-GP Sky Sports. Sein Rennstall kam ihm entgegen, wartete, übte sich in Geduld.
Wolff: "Beste Fahrerpaarung der Formel 1"
"Wir haben uns für diesen Prozess genügend Zeit gelassen und nichts überstürzt. Das Ergebnis ist eine starke Vereinbarung, die die Verbindung von Lewis mit der Marke Mercedes-Benz stärkt und die den Marktwert von Lewis sowie jenen von Mercedes-Benz in der Formel 1 anerkennt und respektiert", teilte Motorsportchef Toto Wolff nun in der Medienmitteilung zur Vertragsverlängerung mit.
Für den Österreicher ist die Perspektive entscheidend: "Ich selbst freue mich sehr darauf, mit der besten Fahrerpaarung der Formel 1 anzutreten und gemeinsam weitere historische Erfolge einzufahren." Die Verlängerung ist für die Silberpfeile optimal - unabhängig von Siegen auf der Rennstrecke.
Mercedes' Formel-1-Engagement ist Marketing, die Fahrerpaarung dafür perfekt. Rosberg als bodenständiger Kosmopolit, der als Markenbotschafter fließend die klassische Zielgruppe der gediegene Benz-Fahrer fließend auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch anspricht und gerne mal den klassischen 280SL Pagode aus der Garage holt.
Hamilton erweitert Mercedes' Portfolio
Hamilton dagegen erweitert das Portfolio als unangepasster Draufgänger, der sich nicht aufs Vorführen der Werksautos beschränkt, sondern wahlweise mit Supersportwagen oder Mercedes-fremden Klassikern Aufsehen erregt. Dass er neben Stars wie David Hasselhoff, Dolph Lundgren Tony Hawk oder Mötley-Crüe-Schlagzeuger Tommy Lee am in Deutschland kritisch betrachteten Gumball 3000 teilnimmt, verdeutlicht diese Ausrichtung - und die Freiheiten, die ihm sein Arbeitgeber gewährt. Hamilton ist auch ohne Auto der schillerndste Silberpfeil aller Zeiten.
Lewis Hamilton ist mehr als ein begnadeter Motorsportler wie etwa Fernando Alonso oder Sebastian Vettel. Er forciert nebenbei seine Entwicklung zum globalen Star, zum bekanntesten Aushängeschild der Formel 1. Mercedes profitiert, weil die etablierte Käuferschicht um Selfmade-Millionäre und sportliche Luxusliebhaber erweitert wird. Dafür darf sich Hamilton einige Freiheiten herausnehmen.
Sportlich gibt es ohnehin keine Fragezeichen. Stellt sein Team Hamilton ein siegfähiges Auto hin, gewinnt er. Die Zeiten des crashenden Jungspunds im McLaren sind schon lange gezählt. Der Träger des britischen Ritterordens MBE kämpft zwar ohne Rücksicht auf Verluste selbst gegen seinen eigenen Teamkollegen, er macht dabei aber keine Fehler. Das hat sein zweiter Weltmeistertitel nach dem intensiven Fight der beiden Silberpfeile in der Saison 2014 gezeigt und ihn seinem eigenen Ziel deshalb näher gebracht.
Stirling Moss: "Legende wirst Du nicht in einem Jahr"
"Zur Legende wirst Du nicht in einem Jahr", sagte Sir Stirling Moss noch Anfang Mai 2015 über seinen Landsmann und stellte sofort klar: "Aber er ist schon länger dabei und absolut auf dem Weg." Bei Mercedes bekommt er neben dem derzeit besten Auto auch die Unterstützung und Streicheleinheiten, die er braucht. Immer wieder stellt Aufsichtsratschef Niki Lauda die Fähigkeiten des Briten heraus. Immer wieder bestätigt Hamilton die Komplimente. Und: Er nimmt die Ratschläge seines Vorgesetzten an.
Statt sich vom Liebeswirrwarr mit Nicole Scherzinger oder seinen Hunden an der Strecke ablenken zu lassen, fokussiert sich Hamilton seit der Saison 2014 auf seinen Erfolg. Werbeaktionen für die eigene Person gibt es nur noch in der Freizeit, das sportliche Vermächtnis steht über allem. Er weiß, dass er allein seinen Aufstieg zur Legende nicht bewerkstelligen kann.
"Mercedes-Benz unterstützt mich seit 1998. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich dank meines Vertrages 2018 mein 20-jähriges Jubiläum mit dieser großartigen Marke begehen werde", sagt der 30-Jährige: "Dieses Unternehmen besteht aus leidenschaftlichen Racern - vom Vorstand bis zum Fabrikarbeiter. Jeder besitzt einen unglaublichen Siegeswillen. Selbst nach den Erfolgen des vergangenen Jahres ist dieser Hunger nicht gestillt, er ist größer denn je - genauso verhält es sich bei mir."
Revanche für das Monaco-Parkmanöver
Da ihm Nico Rosberg nach vier Pole Positions zu Saisonbeginn mit einer herausragenden Leistung in Barcelona nicht nur Startplatz 1 sondern auch den Sieg klaute, will Hamilton an diesem Wochenende in Monaco Revanche nehmen. Nicht nur für den Spanien-GP, sondern für das Vorjahr.
Beim Monaco-GP 2014 endete die Jugendfreundschaft der beiden Mercedes-Fahrer, als Rosberg sich im Qualifying vor der Mirabeau verbremste, Hamilton die schnelle Runde zerstörte und der Engländer von einem absichtlichen Manöver überzeugt war. Der Deutsche fuhr daraufhin am Sonntag unbedrängt zu seinem zweiten Monte-Carlo-Sieg hintereinander.
"Dieses Jahr werde ich die Wahl haben, vor ihm anzufangen und ich werde sicherstellen, dass ich das tue", kündigte Hamilton an. Eine Bevorzugung für das Aushängeschild? Mitnichten. Mercedes lässt seine Fahrer abwechselnd entscheiden, ob sie den letzten Schuss wahrnehmen oder lieber etwas früher aus der Garage fahren.
Trotz der öffentlichkeitswirksamen Verkündung des neuen Vertrags ist der Monaco-GP für Mercedes vor allem business as usual, Rosberg ist weiter gefordert. "Er muss da wieder auf die Pole fahren, denn wenn Lewis auf Pole steht, ist es vorbei", sagt Lauda über den überholunfreundlichen Stadtkurs. Es ist seine Chance, dem nunmehr ohne Vertragspoker-Ablenkung fahrenden Weltmeister einen weiteren Nackenschlag im Kampf um die Weltmeisterschaft zu versetzen.
Lewis Hamilton im Steckbrief