Wann blökt Red Bull los?

Alexander Maack
18. März 201618:01
Zwietracht 2.0? Christian Horner braucht für die Saison 2017 noch Motorenxpb
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Die Saison 2016 soll der Formel 1 Spannung bringen. Die ist garantiert. Zwar nicht auf der Strecke, doch im Hintergrund wird es abermals mächtig rumoren. Red Bulls Motorenproblem geht in die nächste Runde, das Regel-Tauziehen steht aus, die EU könnte Bernie Ecclestones Lebenswerk und das Investment von CVC Capitals zerstören. Und: Was passiert eigentlich mit den letzten Grands Prix in Europa?

Wann startet Red Bull die Offensive?

Red Bull hat ein Motorenproblem. Der Aufreger der Saison 2015 ist im Jahr 2016 genauso brandaktuell. Es gibt nur einen Unterschied: Die Dauerkritik an Renault bleibt aus, weil die Antriebseinheit offiziell "TAG Heuer" heißt. Trotzdem macht Red Bull schon jetzt Druck.

"Wir sind uns zu schade, um Domestiken zu sein", erklärte Konzernchef Dietrich Mateschitz der hauseigenen Webseite Speedweek in der Woche des Saisonauftakts: "Die Formel 1 ist nicht die Tour de France. Wenn wir motorisch nicht konkurrenzfähig sind, gehen wir raus. Wir fahren sicher nicht die nächsten fünf Jahre um Platz 5 mit."

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Lösungsansätze? Schwierig. Entweder Mercedes, Ferrari oder McLaren geben ihre Verweigerungshaltung auf - oder der Renault-Hybrid entwickelt sich unter Mithilfe von Mario Illien zum konkurrenzfähigen Antrieb. "Der Vertrag mit Renault lässt verschiedene Optionen zu", deutet Mateschitz an.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Christian Horner und Helmut Marko die Alarmglocken lautstark öffentlich läuten. Ab Jahresmitte entwickeln die Teams ihr Auto für die nächste Saison, die Integration des Antriebs ist ein zentraler Punkt. Ohne die genauen Maße ist diese Arbeit kaum möglich.

Für Mercedes und Ferrari steht allerdings zu viel auf dem Spiel, um Red Bull weiter zu boykottieren. Bernie Ecclestone droht noch immer mit einem Alternativmotor, wenn die Belieferung der eingeschriebenen Rennställe nicht sicher ist. Das wäre Mateschitz' bevorzugte Lösung. "Da wedelt doch schon der Schwanz mit dem Hund. Bernie hat die Formel 1 nicht in den Sand gefahren, sondern die Hersteller taten dies, die alles diktieren", so Mateschitz.

Scheitert Red Bull Racing als unbestrittenes Topteam im zweiten Jahr nacheinander daran, eine zum eigenen Leistungsvermögen passende Antriebseinheit zu bekommen, gibt es keine Gegenargumente zum Alternativmotor-Plan mehr. Es wäre ein Beweis für ein Kartell der Motorenhersteller, die ihre Konkurrenten chancenlos halten.

Wie einig ist die Formel 1 wirklich?

Strategiegruppe und Formel-1-Kommission haben sich zusammengerauft. Eine grundlegende Einigung über die Ausmaße der Autos ab der Saison 2017 ist erfolgt. Die FIA verkündete stolz, die Rundenzeiten würden um vier bis fünf Sekunden sinken.

Nur sind die Regeln bisher keineswegs in Stein gemeißelt. Das Reglement wurde extra geändert, um genug Zeit für die genaue Ausarbeitung des Reglements zu bekommen. Regelkonform hätte das komplexe Werk nämlich bis Ende Februar fertig sein müssen.

Weil die grundlegende Einigung aber erst Ende Februar erfolgte, hat der Weltmotorsportrat die Frist bis zum 30. April 2016 verlängert. Dann soll alles in Stein gemeißelt sein: Sportliches und Technisches Reglement - die Abmessungen der Flügel, der Seitenkästen, der Barge Boards, der Reifen, des Diffusors et cetera. Das Projekt ist umsetzbar. Daran besteht kein Zweifel.

Nur stellt sich die Frage, ob am Ende sämtliche Beteiligte mit dem Entwurf zufrieden sind. Ferrari ist traditionell kein Freund von zu viel Aerodynamik-Einfluss, Red Bull dagegen will möglichst wenig Motorendominanz.

Alle Interessen unter einen Hut zu bekommen, ist das eigentliche Problem bei der Regelgebung. Zumal die FIA bis zum 30. April auch das neue Motorenreglement fertig ausgearbeitet auf dem Tisch haben will.

Die vier Kernpunkte sind Senkung der Kosten für Kundenteams, Leistungsannäherung der einzelnen Hersteller, weitere Verbesserung der Lautstärke und eine Pflicht zur Lieferung.

Der letzte Punkt ruft Red Bull auf den Plan. Darf sich das Team aus Milton Keynes seine Motoren künftig aussuchen? Muss Mercedes seine Hybridantriebe an einen der stärksten Konkurrenten abgeben? Greift die Pflicht auch, wenn ein Hersteller schon mehrere Kundenteams unter Vertrag hat? Und was wird aus der Sperrklausel, die McLaren erlaubt, Honda-Lieferungen an andere Spitzenteams zu verhindern?

Die grundlegende Einigung der Regelgeber auf die Abmessungen der neuen Autos kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch immer massiver Klärungsbedarf bezüglich der inneren Werte der Formel 1 herrscht.

Bis das Reglement am 30. April verabschiedet sein muss, stehen vier Rennwochenenden an. In Australien, Bahrain, China und Russland fällt die Entscheidung über die Zukunft der Königsklasse. Baut sie sich selbst einen Weg oder bleibt die Reformbewegung am Ende im Kiesbett der Eigeninteressen stecken?

Zerstört die EU das Lebenswerk von Ecclestone?

CVC Capitals droht Ungemach. Sauber und Force India haben die EU angerufen. "Die Beschwerde richtet sich gegen den Eigentümer der kommerziellen Rechte", bestätigte Sauber-Chefin Monisha Kaltenborn schon im Oktober in Sotschi. Er wisse "warum wir das tun. Wir haben es ihm erklärt." Angesprochen fühlen dürfen sich sowohl Geschäftsführer Ecclestone als auch Besitzer CVC Capitals.

Das Interessante: Entscheidet die Wettbewerbskommision der Europäischen Union am Ende zugunsten der Teams, ist das System Formel 1 am Ende.

Auf der einen Seite würde das Prämiensystem mit Bonus-Zahlungen für verdiente Hersteller wie Ferrari gekippt, auf der anderen Seite müsste die Regelgebung neugestaltet werden.

Denn Sauber und Force India beklagen neben der bevorzugten Stellung der Spitzenteams bei der Prämienausschüttung vor allem die Entwicklung des Reglements ohne ihre Anteilnahme. Die führenden Rennställe machen mit Ecclestone und der FIA innerhalb der Strategiegruppe aktuell die Vorschläge unter sich aus, die Hinterherfahrer dürfen diese nur absegnen.

Ecclestone wäscht seine Hände in Unschuld. Sein Argument: Die Teams haben den Bedingungen zugestimmt. Er ist davon überzeugt, dass die Verträge wasserdicht sind.

Weist die EU den 85-Jährigen in die Schranken, ist die in Jahrzehnten harter Arbeit aufgebaute Gelddruckmaschine Formel 1 in Gefahr. Die Prämiendifferenz zwischen der Spitze und dem hinteren Ende des Feldes müsste verkleinert werden. Doch die Top-Teams werden gegen die Kürzung rebellieren.

Der Ausweg für Ecclestone: Er müsste den kleinen Rennställen mehr Geld bezahlen. Das triebe den Gewinn in den Keller, was CVC Capitals nur missfallen kann. Aktuell gehen knapp 63 Prozent der Einnahmen an die Teams. Steigt dieser Wert, sinkt der Wiederverkaufswert.

Wem gehört die Formel 1 künftig?

Bernie Ecclestone verfolgt jederzeit einen Plan. Der Formel-1-Chefpromoter weiß schon vor einem Interview, welche Botschaft beim Nutzer ankommen soll. "Ich hoffe, dass Donald Mackenzie sich entscheidet, ob er die Firma loswerden will oder nicht", sagte Ecclestone direkt vor dem Saisonstart: "Wenn nicht, können wir die Geschäfte vielleicht auf eine andere Art und Weise führen und viele Verbesserungen angehen." Ecclestone setzte seinen Chef im Interview mit dem Telegraph öffentlich unter Druck. Doch was ist sein Beweggrund?

Donald Mackenzie gründete CVC Capitals mit, ist bis heute stellvertretender Vorsitzender der Private-Equity-Gesellschaft und kümmert sich um die Formel-1-Mehrheitsbeteiligung. CVC Capitals handelt stets nach einem einfachen Schema: Beteiligung an einem bestehenden Unternehmen, Wertsteigerung durch Restrukturierung und Kostenreduzierung, Börsengang oder Weiterverkauf.

Was Bernie Ecclestone daran missfallen soll? Er hat klare Vorgaben, wie die Formel 1 sich positioniert. "Ich habe die Geschäfte zuletzt ein bisschen wie mit am Rücken gefesselten Händen geführt", so der Brite: "Ich führe die Firma weiter wie ein börsennotiertes Unternehmen. Es gibt viele Dinge, die ich gerne tun würde. Aber CVC hat ziemlich deutlich gemacht, dass die Firma wie ein börsennotiertes Unternehmen zu führen ist." Mit anderen Worten: Gewinnmaximierung ist das oberste Ziel.

Die Formel 1 hat in den letzten 15 Jahren laut Forbes mehr Umsatz gemacht als die FIFA. CVC Capitals gibt ihn aktuell mit 1,7 Milliarden Euro pro Jahr an. Doch der ursprünglich für das Jahr 2012 in Singapur geplante Börsengang wurde bereits zweimal verschoben. Damals war offiziell die Wirtschaftskrise schuld, doch einen besseren Preis dürften die Aktien bei den aktuellen Negativschlagzeilen kaum erzielen.

So bliebe nur der Verkauf an einen anderen Investor. Katarische Geldgeber sollen ebenso interessiert sein wie der US-Milliardär Stephen Ross, dem die Miami Dolphins gehören. Das würde immerhin Ecclestone zugutekommen. Die strengen Transparenzvorschriften für ein börsennotiertes Unternehmen könnte er so völlig außer Acht lassen.

Steht Europa vor dem Aus?

Die Saison 2016 ist für sich ein Rekord. 21 Grand Prix stehen an. Die Teams sind logistisch gefordert wie noch nie. Austin hat seine Finanzierung noch rechtzeitig auf die Beine gestellt und der Europa-GP in Aserbaidschan wird trotz des Einbruchs der lokalen Währung ausgetragen.

Doch schon im nächsten Jahr droht neues Ungemach. 18 Rennen sind bisher sicher, Italien und Deutschland gefährdet.

Der Deutschland-GP wird wohl abermals ausfallen. Ecclestone ist nicht zu Abstrichen bereit, der Nürburgring zu klamm und Hockenheim nicht fähig die Millionen jährlich zu berappen. Monzas Vertrag läuft aus. Die Verhandlungen mit dem Formel-1-Management laufen seit Monaten. Echte Fortschritte gibt es bis heute nicht. Andere europäische Strecken dürften bald ebenso in der Bredouille sein. In Barcelona werden Subventionen gestrichen, der Russland-GP war bisher nie ausverkauft.

Wohin also geht die Reise für die Formel 1? Die Verträge mit Indien und Südkorea sind nur ausgesetzt. Zwei Alternativen lägen also auf der Hand. Zudem besteht auch für den Grand Prix of America in New Jersey ein Vertrag.

Und es gibt zusätzliche Interessenten, die frisches Geld in die Kassen spülen würden. Im Nahen Osten könnte sich eine Verschiebung ergeben: Der Vertrag mit Bahrain läuft nach dieser Saison aus. "Es ist möglich, dass Sie schon bald etwas hören werden", hatte Kronprinz Salman bin Hamad Al Khalifa im April 2015 angekündigt. Seitdem? Funkstille.

Der Grund könnte die Nachbarinsel sein. Knapp 25 Kilometer Persischer Golf liegen zwischen Bahrain und Katar. Dort herrscht Nasser bin Khalifa al-Attiyah über den nationalen Motorsportverband - passenderweise ist er gleichzeitig Vizepräsident des Automobilweltverbands. Geld für prestigeträchtige Sportarten gibt es genug - IHF, FIFA und IAAF stehen für Nachfragen zur Verfügung.

Ecclestone und CVC würden Medienberichten zufolge sogar eine Auswahlmöglichkeit bekommen: Die Formel 1 dürfte selbst entscheiden, ob sie den Katar-GP auf der MotoGP-Strecke in Losail oder auf einem Stadtkurs in der Hauptstadt Doha starten will. Und vielleicht gibt es auch einfach drei Grand Prix in der Golf-Region - zu Jahresbeginn, bei sengender Hitze zu Saisonmitte und am Jahresende.

Mit anderen Worten: Die Formel 1 hat selbst ohne Deutschland und Italien die Möglichkeit zu einer neuen Rekordsaison mit mehr als 21 Rennen. Und dabei ist Ecclestones Wunsch einer Rückkehr nach Südafrika noch nicht mal berücksichtigt. Die Europa-Perspektiven sind schlecht, solange die Ausrichtung der Grands Prix nicht subventioniert wird.

Der Formel-1-Kalender 2016 im Überblick