Vettel startet besser als Apollo 11

Alexander Maack
07. April 201618:02
Sebastian Vettel und Lewis Hamilton feierten auf dem Podium - die Gutbetuchten freute esgetty
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SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 1 der Saison 2016: Der GP von Australien. Vier Deutsche und zwei Rookies punkten, während Fernando Alonso als Gewinner des Wochenendes keinen Zähler bekommt. Sein Crash stellte das ganze Rennen auf den Kopf.

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Platz 1, Sebastian Vettel: Nach dem Qualifying schien alles klar: Ferrari gibt sich kampflos geschlagen. Auf einen zweiten Run in Q3 verzichteten Vettel und Teamkollege Kimi Räikkönen. Doch am Sonntag folgte die Überraschung: Beide Fahrer der Scuderia zogen an den Mercedes vorbei, was auf einen schlechten Start von Lewis Hamilton und Nico Rosberg zurückgeführt wurde.

Die Wahrheit ist: Vettel beschleunigte sie gnadenlos aus. Er startete besser als Apollo 11. Ja, Hamilton hatte leicht durchdrehende Räder im zweiten Gang, doch Rosberg kam genauso gut weg wie der Rest des Feldes. Der zwei Reihen dahinter ins Rennen gegangene Massa verkleinerte den Abstand nicht im Geringsten. War sich Ferrari dieser Stärke bewusst und ließ deshalb den letzten Versuch in der Quali aus?

Vettel setzte seinen Vorteil anschließend perfekt um. Nach dem Boxenstopp verteidigte er die Führung gegen Rosberg lehrbuchartig auf der Innenbahn. Ohne die Rote Flagge hätte Vettel Siegchancen gehabt. Die verspielte Ferrari durch die Entscheidung, auf den Supersofts weiterzufahren. Vettel gab danach so viel Gas wie möglich, Abzüge bekommt er lediglich für den Ausrutscher bei der Attacke gegen Hamilton drei Runden vor Schluss.

Platz 2, Daniel Ricciardo: Fast unbeobachtet fuhr der Australier von Startplatz 8 aus auf Platz 4 ins Ziel. Für das Qualifying-Resultat dürfte die fehlende Renault-Power verantwortlich sein. Beim Start hatte er Probleme, überholte aber Nico Hülkenberg und Felipe Massa auf der Strecke - trotz deren Mercedes-Vorteil.

Wie Vettel hatte Ricciardo durch die Reifenwahl nach Alonsos Crash Nachteile. Sein Kampf gegen Hamilton fiel aus. Wie bei Vettel ist die Entscheidung für den vermeintlich schlechteren Reifen wenn überhaupt dem Team anzulasten. Der Red-Bull-Pilot beendete das Rennen mit einem ausgezeichneten Resultat. Es gibt keinen Australier, der bei einem Heim-GP jemals ein besseres Resultat holte.

Platz 3, Nico Hülkenberg: Vettel und Ricciardo als größte Verlierer des Rennabbruchs? Nein. Es war Hülkenberg. Der amtierende Le-Mans-Sieger war in Runde 16 an die Box gekommen. Er hatte die Softs gegen Mediums getauscht. Ein-Stopp-Strategie. Nur bekam das ganze Feld wenige Kilometer später die Chance, einen Reifenwechsel vorzunehmen ohne dabei Zeit zu verlieren.

Wo Hülkenberg gelandet wäre, ist schwer zu sagen. Vor Vettels erstem Stopp hatte er 25 Sekunden Rückstand auf den Führenden. Er hatte sich mit einem gewohnt guten Start in die aussichtsreiche Position gebracht, nach dem Ausfall von Räikkönen sogar um Platz 4 zu kämpfen. Die Rote Flagge ruinierte die starke Leistung komplett.

Platz 4, Nico Rosberg: Sein Start war in Ordnung, sein Qualifying weniger. Rosberg hatte mit dem neuen Modus die größten Probleme. Er leistete sich in Q1 und Q3 unter Druck. Zu seinem Glück waren beim Shotclock-Format für einen Mercedes-Fahrer mehrere Versuche möglich. Beim Abwehrversuch gegen Vettel blockierte Rosberg vor Turn 1 die Räder.

Zu spät auf der Bremse, verpasste er den Kurvenscheitel und rutschte beinahe in Hamilton, Räikkönen schlüpfte auf der Außenbahn durch. So schlecht es bis zur ersten Kurve auch lief, danach blühte der Vizeweltmeister auf. Rosberg setzte Ferrari gehörig unter Druck. Er kassierte Räikkönen und fuhr einen direkten Angriff auf Vettel.

Ohne diese Attacken hätte Ferrari vor dem Restart einfach auf härtere Reifen setzen können. Supersofts sollten die Führung der Silberpfeile unbedingt verhindern - denn wenn Mercedes weichere Reifen gehabt hätte, wäre jeder Verteidigungsversuch zum Scheitern verurteilt gewesen. Rosberg erarbeitete seinen Sieg letztlich selbst.

Platz 5, Romain Grosjean: Sechster Platz beim Debüt des neuen Rennstalls. Teambesitzer Gene Haas fabulierte anschließend schon über Siege in diesem Jahr. Schieben wir das auf US-amerikanischen Optimismus statt auf Realitätsferne. Bei näherer Betrachtung war Grosjeans fabelhaftes Ergebnis einfach glücklich.

Haas ließ die Safety-Car-Phase nach dem Alonso-Unfall ungenutzt und verzichtete auf einen sofortigen Reifenwechsel. Nur dadurch wurde Grosjean, der zuvor auf Platz 9 lag, an Hülkenberg und Bottas vorbeigespült. Der Franzose nutzte die Situation bestens. Er wehrte die Force India ab, er schlüpfte an den Toro Rosso vorbei, weil die noch an die Box mussten. Das machte er ausgezeichnet. Es sichert ihm ein gutes Resultat im Driver-Ranking, obwohl das Qualifying schlecht war.

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Platz 6, Lewis Hamilton: Der Weltmeister scheint seine Ruhephase beendet zu haben. Nachdem er seinen dritten WM-Titel frühzeitig gesichert hatte, ging die Formkurve gegen Ende der Saison 2015 nach unten. Beim GP von Australien wendete Hamilton das Blatt teilweise, indem er die Serie von sechs Rosberg-Poles in Folge unterbrach.

Nur das Rennen lief überhaupt nicht nach Plan. Erst der schlechte Start, bei dem Hamilton zwar schnell von der Linie kam, dann aber die Räder durchdrehen ließ, dann fand er zwar wunderbar einen Weg vorbei an Felipe Massa, aber keinen an Max Verstappen. Ohne Rennunterbrechung wäre maximal Platz 3 drin gewesen.

Platz 7, Jolyon Palmer: Über ein Jahr hatte der ehemalige GP2-Champion kein Rennen gefahren. Am 20. November 2014 war er letztmals in der F1-Nachwuchsserie gestartet, bevor er kein Cockpit fand und bei Lotus als Ersatzmann anheuerte. Rennrost konnte ihm in Melbourne keiner vorwerfen.

Palmer hielt seinen hochgepriesenen Teamkollegen Kevin Magnussen in beiden Quali-Segmenten in Schach. Seine Startphase ragte heraus. Er lag nach den ersten Kurven plötzlich auf Platz 10. Seine Verteidigungsfahrt gegen die besser motorisierten Toro Rosso hielt er weit länger durch als gedacht. Ein guter Einstand in der Königsklasse.

Platz 8, Kimi Räikkönen: Der Iceman war bei dem traurigen Ende seines Rennens in Bestform. Seelenruhig blieb er sitzen, während die Flammen aus der Airbox schossen. An dieser Stelle ein Lob an die australischen Marshalls, die weit schneller zum Feuerlöscher griffen als die bereits über die Probleme informierte Ferrari-Crew.

Doch zurück zu Räikkönen: Er glänzte in der ersten Runde. Auch wenn er etwas langsamer wegkam als die Seb-Rakete, quetschte er sich hellwach an den Silberpfeilen vorbei. Seine Pace war im Gegensatz zum Qualifying gut. Am Samstag hatte er die Reifen nicht auf Temperatur bekommen und so drei Zehntel Rückstand auf Vettel angehäuft. Etwas viel.

Platz 9, Pascal Wehrlein: Dieses Debüt war ein verstecktes Ausrufezeichen für die Mercedes-Zukunft. Wehrlein patzte zwar im Qualifying, weil er nicht genug Abstand zu den vorausfahrenden Piloten ließ, überzeugte dafür aber im Rennen. Platz 14 nach der ersten Runde - im Manor. Marcus Ericsson fand zehn Runden lang keinen Weg vorbei, dann musste der DTM-Champion in die Box. Eine saubere Vorstellung zum Debüt.

Platz 10, Carlos Sainz jr.: Im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Max Verstappen fügt sich der Spanier den Entscheidungen seines Teams häufiger ohne zu murren. Das ist ihm anzurechnen. Denn während der Niederländer in Melbourne durchdrehte und fast seinen eigenen Teamkollegen abschoss, machte Sainz das Beste aus der Situation nach der Roten Flagge.

Der neunte Platz spiegelt weder das Potenzial des Toro Rosso, noch Sainz' Leistung wider. Der Spanier geht im Cockpit ruhiger zu Werke als Verstappen. Er lässt sich mehr Zeit für Überholmanöver. Das kann ein Vorteil sein, weil es seltener zu Kollisionen führt. Abzüge bekommt Sainz nur für sein verpatztes Q3. Im vorangegangen Quali-Abschnitt war er noch Viertschnellster. Da wäre mehr drin gewesen.

Härtefall, Fernando Alonso: Der Spanier ist der Gewinner des Wochenendes. Weil er noch lebt, unverletzt. Den beängstigenden Crash mit Esteban Gutierrez hätte er verhindern können und müssen. Gutierrez hatte nicht später gebremst als die Runden zuvor. Das sorgt für deutliche Abzüge bei der Bewertung von Alonso, der es sonst wohl locker in die Punkte geschafft hätte.

Die Formel-1-WM 2016 im Überblick