Der Krieg der Sterne geht in die entscheidende Phase. Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg, Teil 3. Dieses Mal unter veränderten Vorzeichen.
Nico Rosberg hat im Dauerduell mit seinem englischen Teamkollegen, das schon im dritten Jahr die Formel 1 bestimmt, erstmals im Saisonfinale die bessere Ausgangslage. 19 Punkte beträgt sein Vorsprung. Erstmals hat Rosberg die Möglichkeit, die WM aus eigener Kraft für sich zu entscheiden. Er muss nur den Tagessieg am Sonntag holen.
"Ich fühle mich großartig. Es ist fantastisch, um die Weltmeisterschaft zu kämpfen und ich werde alles tun, um zu gewinnen", sagte der Deutsche nach seiner Ankunft in Brasilien.
Ausgerechnet das Rennen in Sao Paulo bietet die Aussicht auf den ersten Formel-1-Fahrertitel. "Ich liebe diese Strecke", so Rosberg, der die letzten beiden Rennen in der Heimat von Ayrton Senna gewann: "Es ist ein großartiger Kurs und ich habe mich hier immer gut geschlagen."
Rosbergs überzeugende Interlagos-Quote
Zehn Mal trat der gebürtige Wiesbadener bisher in Brasilien an. Zwei Mal schied er bei vier Versuchen mit Williams aus, sechs Rennen startete er im Mercedes, ein einziges Mal schloss sein Teamkollege das Rennen vor ihm ab: Michael Schumacher gelang es im November 2012 bei seinem letzten Rennen in der Formel 1. Rosberg war auf Platz 15 ins Ziel gekommen, nachdem er sich an Trümmerteilen den Reifen aufgeschlitzt hatte.
7:1 lautet Rosbergs Quote in Interlagos. Sein Teamkollege kann davon nur träumen. Er verlor alle drei Duelle, seit beide für die Silberpfeile starten.
Damit nicht genug. Lewis Hamilton konnte sich in Sao Paulo nur bei zwei Starts gegen den eigenen Teamkollegen durchsetzen. Als Heikki Kovalainen bei McLaren fuhr. Neunmal trat der dreifache Weltmeister in Brasilien bisher an. Keinen einzigen Grand Prix entschied Hamilton für sich, obwohl er Felipe Massa im Jahr 2008 in der letzten Kurve die WM-Krone entriss.
"Ich weiß nicht, warum ich hier noch nie gewonnen habe. Aber ich würde es liebend gern und werde alles tun, damit es passiert", bekundete Hamilton am Donnerstag.
Hamiltons Beziehung zu Brasilien
Hamilton hat eine spezielle Beziehung zu Brasilien. Er fühlt sich mit dem bevölkerungsreichsten Land Südamerikas verbunden. Senna ist das Idol seiner Kindheit. Immer wieder bringt Hamilton einen speziellen Helm mit nach Sao Paulo, um an den in Imola verstorbenen, dreifachen Weltmeister zu erinnern. So auch im Jahr 2016.
Ausgerechnet im Senna-Land die WM endgültig zu verlieren, wäre ein Tiefschlag für den Star-Piloten. Bei den letzten beiden Versuchen wies ihn Rosberg in Qualifying und Rennen deutlich in die Schranken. Auch im Jahr 2016? "Man kann sich nicht aufs Verlieren vorbereiten, auch wenn ich es früher schon erlebt habe", sagte Hamilton zuletzt.
Er erinnerte dabei ans Jahr 2007. Damals drehte Kimi Räikkönen sein 17-Punkte-Defizit in den letzten beiden Rennen, obwohl es für einen Sieg nur zehn Punkte gab. "Ich weiß, dass es dieses Jahr nicht so schmerzvoll werden kann wie damals", so Hamilton: "Die Chance ist größer, dass ich verliere, als zu gewinnen. Das ist hart zu schlucken, aber so ist es nunmal. Das Leben wird weitergehen."
Was nach Aufgabe klingt, ist keine. Hamilton ist bereit, jede erdenkliche Möglichkeit im Kampf um den Titel zu nutzen: "Ich will hier erstmals gewinnen. Das ist mein Ziel. Ich habe nichts zu verlieren."
Hamilton ist in Topform
So sehr die Vergangenheit für Rosberg spricht, so sehr kann sich Hamilton an den letzten Ergebnissen hochziehen. Nach der Sommerpause sah er gegen den Teamkollegen kein Land, doch in den USA und in Mexiko beeindruckte er zuletzt. Vor allem seine Leistungen im Qualifying stachen heraus und könnten zum entscheidenden Faktor werden.
Silberpfeile, die sich auf der Strecke gegenseitig überholen, werden so häufig gesichtet wie das Monster von Loch Ness. Mercedes gibt dem WM-Führenden zudem keinen Strategie-Vorteil, sondern demjenigen, der gerade vorne liegt.
Mit anderen Worten: Wer am Sonntag auf der Pole Position steht und planmäßig startet, wird ohne technische Probleme gewinnen. Zumal Red Bull bei trockener Strecke wohl wieder etwas weiter entfernt ist, da das Autodromo Jose Carlos Pace schnelle, langgezogene Kurven gänzlich vermissen lässt.
Hamiltons Schlachtplan zur Vertagung der Entscheidung auf das Saisonfinale in Abu Dhabi scheint einfach. "Natürlich startet in diesem Jahr alles wieder bei null. Die Siege der Vergangenheit helfen mir dieses Jahr nicht weiter", sagte Rosberg am Donnerstag und kündigte an, ebenfalls bedingungslos auf Sieg zu fahren, auch wenn ihm ein zweiter und ein dritter Platz in den ausstehenden Rennen zur Krönung reichen würden: "Man schaltet nie einen Gang herunter, auch nicht wenn man um die Weltmeisterschaft fährt. So ticken Fahrer nicht."
Wetterkapriolen: Regen am Sonntag wahrscheinlich
Die Rahmenbedingungen für einen erinnerungswürdigen Brasilien-GP scheinen gegeben. Pünktlich zum möglicherweise entscheidenden Grand Prix der Formel-1-Saison 2016 zeigt sich Sao Paulo von seiner besten Seite. 50 Prozent Regenwahrscheinlichkeit für den Start des Rennens, sie klettert anschließend sogar auf 70 Prozent.
Was das bedeutet? Wenn es in Sao Paulo regnet, dann aus Gießkannen. Hört es auf, ist die Strecke blitzschnell wieder trocken. Im Rennen darf gerne mehrmals von Trocken- auf Regenreifen und wieder zurück gewechselt werden.
Chaos ist also programmiert. Sebastian Vettel kann ein Lied davon singen: Brasilien-GP 2012, WM-Kampf gegen Fernando Alonso, Nieselregen direkt vor dem Rennen. Startunfall mit Williams' Bruno Senna, Dreher, aufgeschlitzter Seitenkasten, Auspuff kaputt. Aufholjagd im Eiltempo, am Ende Platz 6. Dritte Weltmeisterschaft.
Allgemein gilt: Interlagos bietet bei Nässe höchstes Überraschungspotenzial. Nick Heidfeld holte im Jahr 2001 das einzige Sauber-Podium des Jahres, zwei Jahre später machte es Giancarlo Fisichella für Jordan-Ford nach, Nico Hülkenberg holte im Jahr 2010 sogar die Pole im unterlegenen Williams.
Mercedes-Piloten bei Regen: Vorteil Hamilton
Regen würde Hamilton in die Karten spielen. Ob in Monaco oder Silverstone, war der Asphalt in der Saison 2016 nass, fuhr Rosberg seinem Teamkollegen mit Respektabstand hinterher.
Das vorletzte Rennen der Saison, der vorletzte Grand Prix mit dem aktuellen Reglement, es verspricht Spannung. Zumal die Piloten identisches Material bekommen. "Die Situation ist ziemlich ausgeglichen zwischen den beiden", sagte Technikdirektor Paddy Lowe, als er auf die Laufleistung der Antriebseinheiten angesprochen wurde. Verschwörungstheorien dürfte es also keine geben.
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