SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 3 der Saison 2016: Beim Grand Prix von China brachte das Chaos in der ersten Kurve mit anschließender Safety-Car-Phase Fahrer und Strategien aus dem Tritt. Ein Fahrer präsentierte sich fehlerfrei und erreichte mehr als eigentlich möglich: Daniel Ricciardo. Nur wurde er trotzdem nicht mit einem Pokal auf dem Podium belohnt.
Platz 1, Daniel Ricciardo: Der Australier ließ nach dem Grand Prix von China anklingen, er habe das beste Rennen seines Lebens gefahren. Ihm zu widersprechen, fällt schwer. Sicher, er wurde Vierter. Doch Ricciardo den kleinsten Fehler anzudichten, ist unmöglich. Besonders die Leistung im Qualifying stach heraus. Beinahe 0,5 Sekunden nahm er Teamkollege Daniil Kvyat ab und stellte den Red Bull vor den Ferrari auf Platz 2.
Der Australier knüpfte so an die starke Leistung in der Bahrain-Qualifikation an. Hat er ein Geheimnis? Er scheint irgendeinen Vorteil mit den Supersofts zu haben. Wir tippen auf Magie oder einfach nur ein perfektes Verständnis der Pirelli-Reifen.
Wie dem auch sei, Ricciardos Formkurve verharrte am Sonntag auf Maximalausschlag. Den Start gewann er aufgrund der weicheren Reifen und entkam so dem Chaos in der Schneckenkurve. Gewonnen hätte der 26-Jährige nicht, dafür war der Mercedes zu schnell. Doch ohne den defekten Reifen wäre er Zweiter geworden. Ricciardo präsentiert sich zu Beginn der Saison 2016 in absoluter Topform. Schon jetzt muss Ferrari vor ihm zittern. Was passiert erst, wenn Renault die versprochene Leistungssteigerung seiner Power-Unit endlich liefert?
Platz 2, Nico Rosberg: Durch die mannigfaltigen Schwierigkeiten von Weltmeister Lewis Hamilton war Rosberg in Shanghai scheinbar kaum gefordert. Trotzdem lieferte er eine höchstrespektable Leistung. Allein die Fahrt auf den dritten Q2-Platz mit härteren Reifen ist ein Indiz für die aktuelle Stärke des Deutschen.
Rosberg ließ am Sonntag eine ähnlich starke Leistung folgen. Mit den soften Slicks beim Start einen Platz zu verlieren, war kein Makel. Rosberg wusste um die Stärke seines Autos und den Strategievorteil. Er geduldete sich, bis Ricciardo Platz machte. Dann spielte der Deutsche die Stärke seines Autos aus.
38 Sekunden betrug sein Vorsprung im Ziel, 36 Punkte trennen ihn nach dem sechsten Sieg in Serie von seinem ärgsten Verfolger. So groß war der Vorsprung in ihrer gemeinsamen Zeit noch nie. Ob sich Hamilton im Hintergrund ärgert, dass seit dieser Saison sein ehemaliger Chefmechaniker für Rosberg arbeitet, während er den des Deutschen zugeteilt bekommen hat?
Platz 3, Felipe Massa: Keinen einzigen Zähler holte der Brasilianer in dieser Saison bisher im Driver-Ranking. Für seine Vorstellung in China bekommt er gleich 15 Punkte. Der Williams-Pilot war der große Pechvogel, als Hülkenbergs Rad in Q2 flöten ging und die Rote Flagge geschwenkt wurde. Als Elfter schied er aus, weil er sich beim ersten Run einen kleinen Fehler geleistet hatte.
Trotzdem lag Massa am Sonntag nach fünf Runden an Platz 2. Ob es ein Fehler war, dass Williams ihn nicht zum Boxenstopp reinholte? Nicht wirklich. Er war auf neuen, soften Slicks gestartet. Ein Wechsel war somit nicht zwingend nötig. Massas größter Pluspunkt an diesem Wochenende: die erfolgreiche Abwehrschlacht gegen Hamilton in der Schlussphase des Rennens.
Platz 4, Max Verstappen: Es wäre beinahe ein katastrophales Wochenende für den Niederländer geworden. Der zehnte Startplatz wirkt schlechter, als Verstappens Leistung im Qualifying wirklich war. Das Team hatte die Lenkung falsch eingestellt, der Toro Rosso zog dauerhaft nach links. Dafür war das Ergebnis wirklich in Ordnung.
Durch das Startchaos fiel Verstappen auf Platz 12 zurück. Das Ende? Keineswegs. Nach dem zweiten Stopp bretterte er mit Mediums nach vorn. Von P15 ging es bis auf P4. Marcus Ericsson, Fernando Alonso, Sergio Perez und Teamkollege Carlos Sainz jr. überholte er auf der Strecke. Keine fantastische Leistung des Teenagers, aber immer noch eine gute.
Platz 5, Daniil Kvyat: Der Russe wurde Dritter. Das war gut. Er überholte die Spitzenpiloten in der ersten Kurve mit einem risikofreudigen, beherzten und fairen Manöver auf der Innenbahn. Das war sehr gut. Lediglich für sein Qualifying bekommt Kvyat leichte Punktabzüge, er muss näher an Ricciardo herankommen. Trotzdem war China nach dem enttäuschenden Auftakt in Australien und Bahrain ein deutlicher Aufwärtstrend, der ihm die ersten Punkte der Saison einbringt.
Platz 6, Esteban Gutierrez: Die gute Platzierung für den Mexikaner mag auf den ersten Blick verstörend wirken, doch wer sich Gutierrez' Wochenende genau anschaut, kann sie vielleicht etwas besser nachvollziehen. Nachdem ihn am Freitag lodernde Bremsen und ein Getriebeproblem gestoppt hatten, ging Gutierrez beinahe ohne Fahrpraxis ins Qualifying und schied prompt aus.
Diesen Lapsus kompensierte er im Rennen. Durch Probleme mit dem DRS gehandicapt, beschränkte sich Gutierrez aufs Verteidigen. Damit fuhr er gut. Während Teamkollege Romain Grosjean im Rennen fünf Plätze verlor, machte Gutierrez vier gut. Er konzentrierte sich aufs Reifenmanagement und hielt so noch Hülkenberg hinter sich.
Platz 7, Carlos Sainz jr.: Im Qualifying war der Spanier gleichauf mit seinem Teamkollegen, doch das Toro-Rosso-Duell am Sonntag verlor er. Sainz ließ sich von Hülkenberg in der Boxengasse aufhalten und hatte mit den soften Slicks deutlich mehr zu kämpfen als Verstappen. Zwei Punkte für Platz 9 waren trotzdem hochverdient. Sainz sicherte sie mit dem Überholmanöver gegen Valtteri Bottas in der letzten Runde.
Platz 8, Kevin Magnussen: Wie soll man die Renault-Piloten bewerten? Das Auto ist im Rennen jenseits von Gut und Böse. Wie Gutierrez verpasste Magnussen durch technische Probleme den kompletten Freitag. Q2 zu erreichen war allein deshalb herausragend. Sein schwacher Teamkollege Jolyon Palmer platzierte sich nicht nur hinter ihm, er fiel im Rennen auf den letzten Platz zurück. Magnussen hielt dagegen im RS16 die Position. Mehr geht mit der Gurke aktuell nicht.
Platz 9, Fernando Alonso: Steigern Schmerzen die Konzentration? Alonso präsentierte sich bei seinem Comeback nach der Unfall-Pause gewohnt konkurrenzfähig. Jenson Button musste sich im internen McLaren-Honda-Duell am Samstag und am Sonntag hinten anstellen. Für die Ansprüche des Teams ist das immer noch enttäuschend, die Leistung war aber absolut solide.
Platz 10, Lewis Hamilton: Er scheint von seiner Weltmeister-Form weit entfernt. Ja, ihn behinderte die Technik am Samstag. Am Sonntag hatte er nach der Berührung mit Felipe Nasr in der dritten Kurve schon keine Chance mehr. Kurzum: Es lief überhaupt nichts zusammen, Platz 7 war weit unter den eigenen Ansprüchen. Immerhin: Bahrain und China, zwei der stärksten Kurse für Rosberg sind absolviert. Hamilton sinnt auf Revanche. Sotschi könnte spannend werden.
Härtefälle, Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen: Beide Ferrari-Fahrer sammelten im Rennen noch Punkte ein. Sie legten Aufholjagden hin. Dennoch werden sie im Driver-Ranking nicht berücksichtigt. Darüber kann man streiten. Für mich waren sie beide nicht gerade überzeugend. Für Ferraris Ansprüche war die Leistung beider Piloten zu schlecht.
Vettel und Räikkönen patzten im Qualifying fast simultan. Zudem schossen sie sich beim Start gegenseitig ab, als Räikkönen nach seinem Verbremser wieder nach innen zog und Vettel keinen Platz machen konnte, weil Kvyat die Innenbahn blockierte. Damit kompromittierten sie sich ihr Rennen gegenseitig. Während Vettel relativ problemlos überholte und zudem klug bei der Boxeneinfahrt an Hülkenberg vorbeischoss, kam Räikkönen im Rennen erst sehr spät in Fahrt.
Die Formel-1-WM 2016 im Überblick