SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 12 der Saison 2016: Der Große Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring. Mit dabei: Jenson Button streichelt besser als Fernando Alonso und Daniel Ricciardo, Nico Hülkenberg und Pascal Wehrlein in Bestform.
Platz 1, Jenson Button: Auf dem alten Hockenheimring wäre der Weltmeister des Jahres 2009 wohl ausgeschieden. Button musste wie Fernando Alonso massiv Benzin sparen. Zusätzlich lösten sich die Reifen gegen Rennende in ihre Einzelteile auf. Damit kam der Engländer besser zurecht als sein McLaren-Honda-Teamkollege. Er hatte sich früh den Vorteil erarbeitet, den er für eine Zielankunft in den Punkten zwingend brauchte.
Button ging beim Start direkt an Felipe Massa vorbei, während Alonso sich hinter seinem Teamkollegen aus Ferrari-Tagen einordnete. Das kostete Zeit, auch weil Button mit der besseren Track Position zuerst an die Box fahren durfte. Seine Pace war dauerhaft auf Alonsos Level, trotzdem konservierte Button die Pirelli vor allem im letzten Stint besser. Der alte Mann und die Reifen, eine niemals endende Liebesgeschichte.
Dass er überhaupt an den Start ging, war schon lobenswert. Wer am Freitag ein Carbon-Teil ins Auge bekommt und anschließend ins Krankenhaus muss, weil er nicht mehr richtig sieht, könnte auch auf die Idee kommen, den Grand Prix auszusetzen. Nicht so Button. Gut so. Er kam von allen Piloten am nächsten an die Perfektion heran.
Platz 2, Daniel Ricciardo: In Turn 1 ging Teamkollege Max Verstappen noch vorbei, doch Ricciardo war der schnellere Red-Bull-Pilot. Über das ganze Wochenende hatte der Australier einen kleinen Pace-Vorteil, deshalb tauschte das Team später die Positionen seiner Fahrer: Ricciardo wäre eher in der Lage gewesen, von einem Problem an Lewis Hamiltons Mercedes zu profitieren.
Im letzten Stint war der Unterschied zwischen den Red Bulls für jeden ersichtlich: Waren beide zuvor noch auf unterschiedlichen Reifenmischungen unterwegs um Nico Rosberg und die Ferrari in Schach zu halten und gleichzeitig Hamilton etwas Druck zu geben, fuhren Ricciardo und Verstappen im letzten Stint beide auf Supersofts. Insgesamt ein starkes Wochenende vom Australier, der die Strategie bestmöglich umsetzte und sich angemessen mit einem Champagner-Stiefel belohnte.
Platz 3, Nico Hülkenberg: Die angedachte Zwei-Stopp-Strategie ging nicht auf, während des Rennens stellte Force India auf drei Reifenwechsel um. Das hätte Hülkenberg in Schwierigkeiten bringen können, der Deutsche löste die Aufgabe aber vorbildlich.
Im letzten Stint überholte Hülkenberg noch Bottas und sicherte sich Platz 7. Mehr war für Force India in Hockenheim keinesfalls zu erreichen. Zusammen mit dem gewonnenen teaminternen Duell gegen Sergio Perez, der sich einen katastrophalen Start leistete, unterstreicht das die gute Leistung des Emmerichers beim Heimrennen.
Platz 4, Pascal Wehrlein: Ist es ein Vorteil, eine Strecke in und auswendig zu kennen? Und wie! Der DTM-Champion nutzte sein Wissen aus den letzten Jahren und beeindruckte am Samstag alle Anwesenden - inklusive sich selbst. Wehrlein fuhr nicht nur im ersten Q1-Stint an die 13 - er schaffte mit dem zweiten sogar beinahe den Sprung ins Q2. Ohne Regen. Einfach so. Im Manor. Ausrufezeichen.
Sicher, das Hinterbänkler-Team profitiert enorm vom Mercedes-Antrieb und hat mittlerweile auch sein Auto ein Stück weit verbessert. Wehrlein presste trotzdem das Allerletzte heraus. Am Sonntag spulte das Silberpfeil-Talent sein Programm mit größtmöglicher Gleichmäßigkeit ab. Das reichte, um beide Sauber und Jolyon Palmer hinter sich zu halten. Mehr war für Wehrlein nicht zu holen.
Platz 5, Valtteri Bottas: Der Finne bekommt Abzüge fürs Qualifying, in dem er langsamer war als Hülkenberg. Sonst ist ihm kaum etwas anzulasten. Bottas fiel kurz vor der Zieldurchfahrt zurück, weil Williams unbedingt eine Zwei-Stopp-Strategie fahren wollte. Dabei verschleißt das Auto aus Grove eigentlich immer stärker als die Konkurrenz. Dafür konnte Bottas jedoch überhaupt nichts.
Platz 6, Lewis Hamilton: Die Niederlage im Qualifying tat dem Weltmeister weh. Das bewies er, als er sämtliche Fragen am Samstagnachmittag kurzangebunden beantwortete. Verdenken kann ich es ihm nicht: Hamilton hätte angesichts der Rosberg'schen Probleme auf die Pole Position fahren müssen. Er fuhr im zweiten Run auf Bestzeit-Kurs, schmiss den Vorteil dann aber weg.
Am Sonntag machte er den Fehler wieder gut. Hamilton erwischte einen blitzsauberen Start und kontrollierte danach das ganze Rennen über das Tempo. Das war vorbildlich. 19 Punkte liegt der Weltmeister in der Sommerpause vor seinem einzigen WM-Rivalen aus dem eigenen Team. Ob er sich das noch nehmen lässt?
Platz 7, Sebastian Vettel: Der vierfache Weltmeister wirkt etwas von der Rolle. Unmotiviert? Definitiv nicht. Aber Vettel scheint immer ein paar Prozent vom Optimum weg. Am Samstag überfuhr er den Ferrari im Qualifying. Er wollte unbedingt beim Heimrennen einen guten Eindruck hinterlassen, vor einem Red Bull starten - und landete hinter Räikkönen.
Am Sonntag rückte Vettel die teaminternen Verhältnisse gerade. Er kam nach dem Start an Räikkönen vorbei. Anschließend bewies er, dass er die leicht bessere Pace hatte. Vettel spulte seine Runden etwas konstanter ab. Elf Sekunden Vorsprung fuhr er sich so bis zur letzten Runde aus.
Platz 8, Kimi Räikkönen: Der Iceman bewies einmal mehr seine Qualitäten als Teamplayer, indem er Vettel vorbei ließ. Räikkönen sicherte die Punkte für Platz 6 ab. Eine rücksichtslos aggressive Fahrweise hätte ihm auch keine Vorteile gebracht. Sein größter Pluspunkt an diesem Wochenende war das gewonnene Quali-Duell gegen Vettel.
Platz 9, Max Verstappen: Der Abstand zu Ricciardo mag etwas groß erscheinen. Aber Verstappen war sowohl im Qualifying, als auch im Rennen ein wenig langsamer als der Australier. Das zeigte der letzte Stint.
Trotzdem war die Leistung des Teenagers gut. Er hielt Rosberg hinter sich, bis der die Nerven verlor und bestraft wurde. Nach der nächsten Boxenstopp-Runde dasselbe Spiel. Eine Schwäche hatte Verstappen aber: Er bekam beide Reifensorten im Rennen nicht ordentlich zum Arbeiten.
Platz 10, Esteban Gutierrez: Es gab Zeiten, in denen eine Blaue Flagge bedeutete: 'Vorsicht, schnelleres Fahrzeug nähert sich an.' Sie wurde gezeigt, egal ob es sich um den Führenden oder den direkten Verfolger handelte. Einen Zwang, Platz zu machen, gab es nicht. Der Schnellere musste sich selbst einen Weg vorbei suchen, was schon mal danebengehen konnte.
Gutierrez legt diese Regel bis heute so aus, finden zumindest seine Konkurrenten. In Ungarn war's Hamilton, in Deutschland beschwerte sich Ricciardo. Fürs Driver-Ranking ist das nur marginal interessant. Denn Gutierrez legte abgesehen davon eine wirklich gute Leistung hin. Teamkollege Romain Grosjean musste sich hinten anstellen, Gutierrez bekam die Zweistoppstrategie gut auf die Reihe. Nur für Punkte reichte es nicht ganz. War der Haas zu mehr fähig? Ich glaube es nicht.
Härtefall, Nico Rosberg: "Das Glas ist halbvoll", sagt der Optimist. "Das Glas ist halbleer", der Pessimist. "Das Glas ist doppelt so groß wie nötig", wäre das passende Bonmot des Formel-1-Ingenieurs.
Was das mit Rosberg zu tun hat? Jedes Mal, wenn der Deutsche sein Glas zur Hälfte gefüllt hat, schüttet er die andere Hälfte entweder daneben oder lässt das Glas fallen. In Hockenheim tat er beides. Erst verspielte er beim Start die gute Ausgangslage der Pole Position, dann drängte er Verstappen von der Strecke. Beides war unnötig.
Es scheint, als wolle Rosberg mit aller Macht seinen Kritikern beweisen, dass er genauso hart fahren kann wie Hamilton. Nur muss er das? Rosbergs kühler Kopf, seine Abgeklärtheit im Mercedes war immer seine Stärke. So fuhr er am Samstag mit einer herausragenden Leistung auf Pole. Am Sonntag aber verspielte er die selbstgeschaffene Ausgangslage mit zwei Fehlern. Mindestens einer zuviel für Punkte im Driver-Ranking.
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