Alex Wurz schäumte vor Wut. "Wenn das die Regeln sind, dann sehen wir keine Überholmanöver mehr in der Formel 1", kanzelte der Ex-Rennfahrer die FIA-Verantwortlichen im ORF ab.
Was war passiert? Hockenheim 2016, 28. Runde: Max Verstappen kommt nach seinem zweiten Boxenstopp knapp vor Nico Rosberg wieder auf die Strecke. Der Niederländer bremst die Haarnadel außen an, der Deutsche zieht innen rein und ließ das Auto ohne erkennbaren Grund soweit geradeauslaufen, dass Verstappen nur noch die freiwillige Fahrt in die Auslaufzone bleibt. Die Stewards sprechen eine Fünf-Sekunden-Strafe, die Rosberg aufgrund einer kaputten Stoppuhr um seine Podiumschancen bringt.
Ein eindeutiger Regelverstoß
Auch wenn Rosberg sich über Funk über die Strafe beschwerte, auch wenn Wurz nicht mehr an sich halten konnte - Rosbergs Manöver war ein eindeutiger Regelverstoß.
Das Ergebnis des Rennens um den Deutschland-GP
Artikel 38.1 des sportlichen Reglements legt in Punkt e) eindeutig fest, dass ein Fahrer seinen Konkurrenten nicht von der Strecke drängen darf. Das tat Rosberg. Vorsätzlich.
Horner gibt Rosberg Nachhilfe
"Die goldene Regel in so einem Fall ist, dass man seine Reifen blockiert und es so ausschaut, als würdet man nicht verzögern können", erklärte Teamchef Christian Horner die Red-Bull-Rennlehre: "Das Problem ist, dass es bei ihm so ausgeschaut hat, als würde er nach Köln fahren wollen. Das war etwas frech."
Die geografische Einordnung stimmte nicht ganz. In Verlängerung von Turn 6 geht es über Sandhausen und Würzburg nach Dresden. Trotzdem traf Horner ins Schwarze.
"Er hat sehr spät gebremst. Als er dann neben mir war, hat er nicht eingelenkt. Es war ähnlich wie in Österreich. Er hat mich von der Strecke gedrängt. Er hätte die Kurve locker schaffen können", sagte der Niederländer: "Lewis kennt das ..."
Erinnerungen an Spielberg
Schon in Österreich hatte Rosberg das gleiche Vorgehen angewendet, um Lewis Hamilton hinter sich zu halten. Damals spielte der Brite nicht mit, zog trotzdem zur Kurvenmitte. Rosberg verlor den Sieg, weil sein Frontflügel brach. Damals hatte der Deutsche offensichtliche Bremsprobleme in der Schlussphase des Rennens. Dieses Mal war nichts zu sehen, was annähernd in die Richtung ging.
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In Hockenheim hatte Rosberg zudem mehr Glück. Denn ausgerechnet Verstappen, beim letzten Grand Prix in Ungarn für seine Fahrweise von seinen Kollegen und manchen Experten hart angegangen, gab sich lieber geschlagen und schützte sein eigenes Auto vor einer Kollision.
Rosberg von Strafe überrascht
Rosberg hatte schon während des Rennens über Funk behauptet, er habe das Lenkrad voll eingeschlagen. Dabei blieb er auch nach dem Rennen. "Ich war überrascht, dass ich bestraft wurde. Damit habe ich nicht gerechnet", sagte Rosberg und sprach von "einem guten Kampf", alles sei okay gewesen.
Die Schuld sah der WM-Zweite bei Verstappen: "Ich wollte ihn nicht von der Strecke fahren. Natürlich wollte ich es so machen, dass es nicht sehr viel Platz gibt, aber ich war mit der Lenkung am Anschlag. Ich konnte nicht enger lenken, von daher war ich dann zu weit draußen. Das ist auf jeden Fall richtig. Es war von ihm schlecht auf der Bremse, dass er wie immer auf der Bremse einen Zacken reinhaut. Das fand ich sehr enttäuschend."
Verstappen: Rosberg "nicht sehr geschickt"
Das wollte wiederum Verstappen nicht auf sich sitzen lassen. "Nicht sehr geschickt" habe sich Rosberg verhalten. "Ich konnte an seiner Hand sehen, dass er immer noch geradeaus fährt. Ich glaube nicht, dass das der volle Lenkungseinschlag war", so Verstappen.
Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff hielt dagegen zu seinem Fahrer: "Er hat gesagt, das Auto untersteuert. Lewis hat das nicht gehabt. Jetzt müssen wir analysieren, warum das so war. Aber es war wirklich komisch, wie zwei verschiedene Autos."
Wirklich? Rosberg verhielt sich falsch. Deswegen war eine Strafe gegen ihn angebracht. Die Stewards wählten die niedrigste, die das Reglement vorsieht. Eine einfache Verwarnung wäre unangebracht gewesen, weil Rosberg durch ein regelwidriges Manöver eine Position gewonnen hatte.
Lauda: Strafe gegen Rosberg korrekt
"Tut mir leid. Die Strafe war verdient. Ich verstehe, dass Nico dem Verstappen so wenig Straße wie möglich geben will. Aber er darf es halt nicht so aussehen lassen. Er muss wenigstens so tun, als ob er er einlenkt", stellte sich Lauda auf Horners Seite: "Hätte er ein bisschen früher eingelenkt, hätte er keine fünf Sekunden bekommen." Stimmt, denn dann hätte Verstappen eine Wagenbreite Platz gehabt.
Die Frage, die hinter der ganzen Diskussion untergeht, ist eine andere: die Rolle der Stewards.
"Frohes Treiben mit Strafen, das ist inkonsistent. Es geht nicht darum, dass es mein Fahrer ist. Aber es ist einfach links und rechts - einmal so, einmal so", kritisierte Wolff die Rennkommissare. Stimmt allerdings nicht ganz: Auch in Spielberg bekam Rosberg eine Zeitstrafe.
Fittipaldi & Co. beweisen gutes Händchen
Eigentlich hatten der zweifache Weltmeister Emerson Fittipaldi, Paul Gutjahr, Jose Abed und Achim Loth zudem nur das gemacht, was ihren Vorgängern in Ungarn noch abgesprochen wurde, nachdem Rosberg trotz Bestzeit unter Doppel-Gelb die Pole behalten durfte: Sie hielten sich an das Reglement und sprachen Strafen gleichzeitig mit Fingerspitzengefühl aus.
Als Lewis Hamilton am Samstag im Freien Training von Mercedes per Unsafe Release losgeschickt wurde, verzichteten die Stewards auf die eigentlich fällige Verwarnung und brummten dem Team lieber eine Geldstrafe auf. Es wäre Hamiltons dritte Verwarnung in dieser Saison gewesen, eine Strafversetzung um zehn Plätze die unvermeidbare Folge.
Die Stewards dürfen es nicht jedem Recht machen
Können es die Stewards überhaupt jedem Recht machen? Ein kurzer Vergleich: Gibt es im Fußball ein Spiel, bei dem sich von der ersten bis zur letzten Minute alle Zuschauer und vor allem die Beteiligten einig sind, ob ein Zweikampf ein Foul war oder nicht, ob die Gelbe Karte angebracht war oder nicht?
Die Antwort muss eindeutig "Nein" lauten. Keine Rennsituation gleicht einer anderen aufs Haar. Sie ähnelt ihr vielleicht. Die Stewards sind dafür da, jede Situation für sich zu beurteilen, und anschließend, sofern nötig, eine Strafe zu verhängen.
Rosberg straffrei davonkommen zu lassen, hätte nur eins bedeutet: Es ist in Ordnung, den Kontrahenten von der Strecke zu drängen. Das selbstgegebene Regelbuch ist nicht das Papier wert, auf das es gedruckt wäre. Das darf nicht die Botschaft sein, die die Regelhüter den Formel-1-Piloten mit in die Sommerpause geben.
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