SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 17 der Saison 2016: Der Große Preis von Japan in Suzuka . Mit dabei: Lewis Hamilton übertreibt es schon wieder, während Nico Rosberg im Schlepptau von Sergio Perez und Tagessieger Max Verstappen enteilt.
Platz 1, Max Verstappen: Suzuka ist speziell. Eine echte Fahrerstrecke, auf der kein Fahrer für Highlights sorgt. Wer Fehler macht, verliert Zeit. Doch wer gut fährt, fällt nicht auf. Überholmanöver sind auf der ein wenig aus der Zeit gefallenen Honda-Teststrecke mit enger Fahrbahn ohne kilometerlange Geraden kaum möglich. Doch wenn die Überholer behindert werden, haben ihre Gegenspieler die Chance zu glänzen. Die Jarno Trullis des Fahrerfelds, die ihren Verfolgern Runde um Runde, Kurve um Kurve das Rennfahrerleben zur Hölle machen können.
Genau das kann Max Verstappen. Wie kein anderer im aktuellen Fahrerfeld? In Suzuka befeuerte der Teenager einmal mehr die Diskussion um seinen Fahrstil. Erst schaffte er es Runde für Runde, in der Schikane so viel Boden auf Hamilton gut zu machen, dass der Mercedes-PS-Vorteil für einen Angriff mit DRS nicht ausreichte. Als der dreifache Weltmeister dann vor der Schikane zum Angriff ansetzte, schlug ihm der Niederländer mit größtmöglicher Vehemenz die Tür zu. Hamilton fuhr durch die Auslaufzone, Verstappen hatte Platz 2 gesichert.
War sein Manöver zu hart? Schon wieder wechselte Verstappen während des Bremsens die Spur. Das will der Automobilweltverband FIA eigentlich überhaupt nicht sehen. Trotzdem blieb der 19-Jährige straffrei, die Rennleitung leitete nicht mal eine Untersuchung ein. Wie so vieles in der Formel 1 ist der Paragraph eine Grauzone. Solange selbst die Rennleitung kein Vergehen sieht, sollte der Niederländer nichts ändern. Er fährt knallhart, unangenehm, gut. Dass er den Red Bull vor einem schnelleren Mercedes und zwei schnelleren Ferrari ins Ziel brachte, sagt viel über seine Leistung an diesem Wochenende aus.
Platz 2, Sergio Perez: Den Teamkollegen im Qualifying deutlich hinter sich gelassen, die bessere Konkurrenz beim Start düpiert - für den Mexikaner lief das Suzuka-Rennen besser als gedacht. Von Startplatz 5 verbesserte er sich in der ersten Runde bis auf Platz 3. Den konnte er nicht halten, dafür ist der Force India dann doch nicht gut genug.
Perez holte das raus, was möglich war: Platz 7 hinter den Mercedes, Ferrari und Red Bull. Die Grundlage war sein starkes Qualifying, das er mit einer fast schon unauffälligen, abgeklärten und letztlich souveränen Fahrt in die Punkte komplettierte. Pech hatte der Force-India-Pilot lediglich, dass Jolyon Palmer mit seinem Renault im Weg stand und so Kimi Räikkönen an Perez vorbeibrachte.
Platz 3, Nico Rosberg: Der Weltmeister steht fest. Also theoretisch, denn Rosberg hat in Japan gewonnen. Warum das irgendetwas aussagen soll? Aus dem aktuellen Fahrerfeld gewannen Sebastian Vettel (viermal), Lewis Hamilton (dreimal), Fernando Alonso (zweimal), Kimi Räikkönen (einmal) und Jenson Button (einmal) in Japan. Anzahl der WM-Titel und Rennsiege stimmen überein, Rosberg muss also Weltmeister werden.
Genug der Zahlenspielerei ohne Aussagekraft. Rosberg schwimmt weiter auf seiner Welle. Das Qualifying-Duell gegen Hamilton ging wimpernschlagend an den Deutschen, der dadurch beim Start die nasse Fahrbahn vermied. Ob Hamilton auch ohne den Regen der Vornacht am Start gepatzt hätte? Für die Bewertung von Rosbergs Leistung ist es egal. Die war gut, ohne Einschränkungen. Am Ende jeder einzelnen Session führte der Deutsche das Klassement an. Er startete gut, er kontrollierte das Rennen ohne Fehler.
Platz 4, Kimi Räikkönen: Diese Woche stimmt's: Der Finne war im Qualifying der schnellere Ferrari-Mann - zumindest als es darauf ankam. In Q3 war er 0,079 Sekunden schneller. Ein knapper Vorsprung, der im Rennen Platz 2 ermöglicht hätte, wenn die Technik mitgespielt hätte. Konjunktiv über Konjunktiv. Durch den Getriebewechsel musste Räikkönen Startplatz 3 abgeben. Von Position 8 aus war nicht viel mehr drin, als hinter Teamkollege Sebastian Vettel ins Ziel zu kommen.
Das schaffte Räikkönen mit weniger als zehn Sekunden Rückstand, obwohl er beim letzten Stopp per Undercut an Daniel Ricciardo vorbeikam und deshalb lange auf den harten Slicks fahren musste. Eine grundsolide Performance, die ihn in der Gesamtwertung des Driver-Rankings an Vettel vorbeispült.
Platz 5, Esteban Ocon: Es ist mal wieder Zeit für die wöchentliche Diskussion: Wie gut sind die Hinterbänkler? In Suzuka beeindruckte Ocon. Der französische Mercedes-Junior hängte seinen Kollegen Pascal Wehrlein im Qualifying ab. Zwei Zehntel. Obwohl der neue Manor-Pilot sich einen kleinen Fehler in den Spoon-Kurven leistete. Sonst hätte er wohl sogar Felipe Nasr hinter sich gelassen.
Gegen die Schweizer kam Ocon zwar auch im Rennen nicht an, nachdem er beim Start abgedrängt wurde. Das lag am Auto. Der amtierende GP3-Champion hat nach seinem Aufstieg zum Einsatzfahrer als Ersatz für Rio Haryanto binnen kürzester Zeit die geringere Erfahrung in der Formel 1 gegenüber Wehrlein kompensiert. Dass er schon jetzt mit einem Wechsel zu Renault in Verbindung gebracht wird, kommt nicht von ungefähr.
Platz 6, Sebastian Vettel: Ob Platz 1 bis 3, Platz 4 bis 6 oder Platz 7 bis 9 - in Suzuka bewegte sich mal wieder ein Haufen Fahrer auf ein und demselben Niveau. Vettel war nicht wesentlich schlechter als Räikkönen, aber irgendwer muss halt den Kürzeren ziehen. Grund zum Optimismus gab es obendrauf: Was auch immer Ferrari in der letzten Woche geändert hat, es zahlte sich aus. Eine Klatsche von Red Bull schien in Suzuka programmiert.
Stattdessen war Ferrari plötzlich zweite Kraft. Und weil Mercedes nach Hamiltons Motorenplatzer in Sepang auf den Boost-Modus verzichtete, wäre sogar ein Angriff auf die Silberpfeile möglich gewesen. Allein, es sollte nicht sein. Trotz einer sehr starken Leistung im Rennen musste sich Vettel mit Platz 4 begnügen.
Einmal mehr war er der Unglücksrabe: Die Strafversetzung nach dem Startcrash in Malaysia glich Vettel noch aus. Doch Ferrari konzentrierte sich darauf, Red Bull abzuwehren und vergaß Hamilton - oder den zu überrundenden Verkehr. Statt um Platz 2 zu fahren, verlor Vettel hinter Hamilton Zeit und letztlich die Aussicht aufs Podium, nachdem er auf seiner Inlap beim Überrunden aufgehalten wurde. Das hätte Ferrari vorhersehen können.
Platz 7, Jolyon Palmer: Renault hat noch immer mit den Vermächtnissen des bankrotten Vorgängers Lotus zu kämpfen: Das Auto ist das drittschlechteste im Feld. Ein weiteres Vermächtnis: Jolyon Palmer. Der Brite wurde noch vor dem endgültigen Verkauf des Teams an den französischen Automobilkonzern zum Einsatzfahrer befördert. Keine schlechte Wahl, schließlich erarbeitete sich Palmer zuvor immerhin den GP2-Titel in der Saison 2014. Palmer fährt grundsolide, doch das gewisse Etwas eines Top-Talents fehlt ihm.
In Suzuka schien es, als würde seine Leistung belohnt: Palmer war der schnellere Fahrer von Renault, die es im Abschlusstraining mit beiden Autos in die Top 10 geschafft hatten. Im Qualifying war außer der Teilnahme an Q2 trotzdem nichts zu holen. Palmers Schuld war es nicht: Carlos Sainz jr. versaute ihm mit seinem Dreher die Runde. Sonst wäre er wohl drei bis vier Plätze weiter vorn gestartet. Im Rennen schaffte es Palmer immerhin bis auf Platz 12 vor.
Platz 8, Nico Hülkenberg: Die ersten Driver-Ranking-Punkte seit Spa für die deutsche Nummer 3. Fehlte Hülkenberg zuletzt ein wenig das Glück, erarbeitete er es sich in Suzuka. Sein Überholmanöver gegen Bottas in Verbindung mit dem trockenen "See you later"-Funkspruch war eins der Highlights des Rennens. Am Sonntag waren die Force-India-Fahrer gleichauf. Die Niederlage im Qualifying gegen Perez kostete Hülkenberg ein noch besseres Resultat.
Platz 9, Lewis Hamilton: Im letzten Driver-Ranking habe ich meine Meinung zum Verhalten des amtierenden Weltmeisters kundgetan. In Japan hat er den Eindruck bestätigt. Immer sind die anderen schuld. Dass ihn einige Journalisten dafür kritisierten, dass er bei der obligatorischen Pressekonferenz am Donnertag geistig abwesend mit seinem Mobiltelefon spielte, brachte ihn zur Weißglut. Hamilton verweigerte den Journalisten am Samstag Antworten auf deren Fragen.
Wie ein bockiges Kind, warf er den Journalisten vor, ihn respektlos zu behandeln. Dabei hatte er genau dieses Verhalten selbst an den Tag gelegt. Nächster Vorwurf: Die Journalisten würden ihn nicht unterstützen. Gut so! Denn ihre Aufgabe würden sie damit verfehlen. Die Fahrer zu bauchpinseln, ist nicht die Aufgabe der Medien. Sie sollen das Geschehen kritisch begleiten. Warum Hamilton sich einen solchen Nebenkriegsschauplatz eröffnet, weiß nur er. Es birgt die Gefahr, sich selbst vom Wichtigen abzulenken.
Als Fahrer musste sich Hamilton an diesem Wochenende nur eines ankreiden: seinen völligverkorksten Start. Sonst war er beinahe auf Augenhöhe mit Rosberg. Abseits der Strecke aber sorgt Hamilton für Stirnrunzeln. Dass er am Sonntag per Twitter den Journalisten unterstellte, sie hätten sich ausgedacht, dass Mercedes Protest gegen Verstappens Manöver eingelegt hatte und von einem "Idiot" sprach, krönte den unrühmlichen Auftritt.
Platz 10, Marcus Ericsson: Der Schwede fährt mittlerweile regelmäßig vor seinem brasilianischen Teamkollegen her. Liegt das an absteigender Form bei Felipe Nasr oder einer Verbesserung des Schweden?
So schlecht, wie oft dargestellt, ist Ericsson nicht. Nur fehlt ihm bei Sauber das Material, es zu zeigen. Im Qualifying ließ er Nasr hinter sich, im Rennen schaffte Ericsson sich eine komfortable Lücke, weil er konstanter fuhr. So kam er vor beiden McLaren-Honda und Carlos Sainz jr. ins Ziel.
Härtefall, Esteban Gutierrez: Einmal mehr passte nicht alles zusammen. Der Mexikaner wurde zum großen Verlierer des Sonntags. Nachdem er im Qualifying als bester Fahrer ohne Mercedes, Red Bull oder Ferrari noch den Sprung ins finale Quali-Segment geschafft hatte, übertrieb es Gutierrez im Rennen beim Versuch Sainz hinter sich zu lassen. Kollision, Flügel beschädigt, ab nach hinten. Hinter ihm kamen nur die Manor ins Ziel. Es wäre deutlich mehr drin gewesen, schon in Q3 hatte Gutierrez einen Fehler eingebaut, der ihn in die Auslaufzone zwang und die Runde kaputt machte.
Formel 1: Kalender und WM-Stand 2016 im Überblick