Hamilton-Eklat: Eines Weltmeisters unwürdig

Alexander Maack
06. Oktober 201614:46
Lewis Hamilton erregte in Malaysia auf der Strecke und vor den Mikrofonen Aufmerksamkeitgetty
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SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 16 der Saison 2016: Der Große Preis von Malaysia . Mit dabei: ein herausragender Lewis Hamilton im Pech, Nico Rosberg mit Fortuna im Bunde und eine übertriebene Strafe der Rennleitung gegen Sebastian Vettel.

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Platz 1, Lewis Hamilton: Der dreifache Weltmeister hat sich mal wieder selbst ein Ei gelegt. Gewinnt er, lobt er sein Team in höchsten Tönen. Das ist in der Formel 1 Usus, ohne seine Mechaniker und Ingenieure kann kein Fahrer irgendetwas erreichen. Nur: Wenn es nicht gut läuft, dann ist bei Hamilton immer das Team schuld. Während andere sich bei technischen Fehlern zurückhalten, sich zurückziehen, sich kein schlechtes Wort leisten wollen, haut der Engländer verbal mit der Streitaxt auf seine Mitstreiter ein: Verschwörung! Sabotage!

Enttäuschung ob der zahlreichen Defekte ist mehr als nur verständlich. Sie öffentlich zu äußern auch. Nur die Art und Weise war eines Weltmeisters vollkommen unwürdig. Zumal Manipulation von außen durch das Verbot der Datenübermittlung zum Auto und die Kontrolle der FIA faktisch ausgeschlossen ist. Erst als ihn die Verantwortlichen um Motorsportdirektor Toto Wolff zum Blitzrapport einbestellt hatten, ihm eventuell sogar einige deutliche Worte übermittelten, gab sich Hamilton plötzlich wieder als Teamplayer. Er nahm von seiner Verschwörungstheorie Abstand und erklärte "eine höhere Macht" wolle verhindern, dass er Weltmeister würde.

Menschlich mag Hamilton in Sepang Schwäche bewiesen haben, sportlich dagegen war er bärenstark. Im Qualifying bügelte er Rosbergs "Momentum" demonstrativ ab: 0,414 Sekunden schneller. Eine Ewigkeit in Formel-1-Verhältnissen. Die Leistung im Rennen? Souverän. Ein Makel? Nicht auszumachen. Da war wieder der Wunderpilot, der seine Konkurrenten im Stile von Senna, Schumacher und Co. mit schierer Überlegenheit düpiert.

Platz 2, Fernando Alonso: Wunder geschehen! Ich hab's gesehen! Es gibt so vieles, was wir nicht verstehen... Das Driver-Ranking zitiert Nena, unglaublich. Nach dem Malaysia-GP bleibt eine wichtige Erkenntnis: Die Aufbauarbeit wurde erfolgreich beendet, McLaren-Honda ist wieder ein Topteam - zumindest mit Blick auf die Saison 2017.

Warum? Fernando Alonso bekam eine Powerunit der neuesten Ausbaustufe, der letzten für die Saison 2016. Was der Spanier damit veranstaltete, war endlich wieder eines McLaren würdig. Letzter Startplatz, Zielankunft als Siebter. Nicht ganz auf Silberpfeil-Niveau, okay. Die Entwicklung seit Saisonbeginn 2015 ist dennoch beeindruckend.

Einen großen am Malaysia-Erfolg hatte Alonso. Er sprintete in Runde 1 schon zehn Plätze nach vorn, entzog sich dabei sämtlichen Gefahrenpotenzialen. Anschließend setzte er die Drei-Stopp-Strategie wunderbar um und rutschte immer weiter vor. Sogar Sergio Perez im Force India musste in die Rückspiegel schauen, damit Alonso hinter ihm bleibt. Alonso war auf dem Level von Hamilton und damit war er nicht allein.

Platz 3, Max Verstappen: Denn auch der Teenager aus den Niederlanden war am Wochenende seines 19. Geburtstags bei der Musik. Mehr noch: Er hatte das Orchester selbst mitgebracht. Daniel Ricciardo war das ganze Wochenende über hinter Verstappen. Einmal mehr drehte Red Bull die Hackordnung um.

In Barcelona war Verstappen noch der Profiteur, in Sepang musste er sich fügen. Um Mercedes unter Druck zu setzen, wurde der Niederländer früher zum Stopp gerufen. So blieb er bei freier Fahrt vor dem Williams, wurde aber später im direkten Duell vom Teamkollegen ausgebremst. Schon beim Start war er hinter den Australier zurückgefallen, weil er Vettel umkurven musste. Das ändert aber nichts an seiner Leistung. Schulnote 1.

Platz 4, Daniel Ricciardo: Der Sieger belegt den vierten Platz. Ricciardo musste das ganze Wochenende über hinter Verstappen anstellen, hatte am Sonntag dann einfach mehr Glück. Dass der Australier sich vor seinem Red-Bull-Kollegen hielt, verdient dafür Anerkennung.

Ricciardo verteidigte sich entschieden gegen den schnelleren Verstappen, dessen Setup er nach den Problemen am Freitag übernommen hatte. Es zahlte sich aus, als Hamiltons Siegestraum vom Motorschaden verbrannt wurde. Keine Frage, nach Ricciardos Leistungen in dieser war der GP-Sieg überfällig. Nicht umsonst führt er die Gesamtwertung im Driver-Ranking an.

Platz 5, Kevin Magnussen: Der Aufwärtstrend geht weiter. Magnussen ließ sich vom Benzinleck im Freien Training nicht beunruhigen, das zu einer Feuerbrunst auf seinem Renault geführt hatte. Er umkurvte den Sepang International Circuit routiniert, er ließ im Qualifying sogar die beiden Toro Rosso hinter sich.

Doch das Glück hatte der Däne irgendwo auf dem Flug nach Malaysia verlassen. Schon nach der ersten Kurve hätte Magnussen sein Auto eigentlich parken können. Daniil Kvyat fuhr ihm ins Heck und schob ihn so auf Esteban Gutierrez. Feierabend? Nicht ganz. Magnussen kämpfte mit dem ramponierten Postauto, die kaputte Bremsbelüftung beendete das Rennen schließlich trotzdem vorzeitig.

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Platz 6, Nico Rosberg: Ja, der WM-Führende wurde im Qualifying vernichtend abgehängt. Vielleicht hätte er auch die erste Kurve weiter fahren können. Doch ein Manöver wiegt schwerer: Sein Überholmanöver gegen Kimi Räikkönen war eines aus dem Lehrbuch. So und nicht anders überholt man einen Konkurrenten ohne Zeitverlust!

Warum Rosberg eine 10-Sekunden-Strafe bekam, verstand die Rennleitung nach dem Rennen wahrscheinlich selbst nicht mehr. Rosberg hat sich weiterentwickelt. Er fährt mit dem Messer zwischen den Zähnen und zögert nicht, es auch zu nutzen.

Rosberg mag weiter das Image des braven Schwiegersohns verkörpern, hat er den Helm auf dem Kopf, trifft es aber nicht mehr zu. Die Aufholjagd war der eines Spitzenfahrers würdig. Fortuna ist auf seiner Seite. Rosberg ist in Weltmeisterform.

Platz 7, Kimi Räikkönen: Nach der Mini-Kollision mit Rosberg verlor der Finne laut Ferrari-Angaben viel Zeit. 0,3 Sekunden pro Runde um genau zu sein. Um den verbleibenden Podestplatz hinter den Red Bull konnte der Iceman so nicht mehr kämpfen.

Pluspunkte sammelte Räikkönen beim Malaysia-GP für sein gewonnenes Quali-Duell gegen seinen Teamkollegen Sebastian Vettel. Sein Rennen verlief unauffällig, unaufgeregt. Aber: Räikkönen sammelt abgeklärt die Punkte ein, die Vettel aktuell liegen lässt. Drei Punkte trennen beide noch in der Driver-Ranking-Gesamtwertung.

Platz 8, Jenson Button: Zwei Stopps legte Button im Rennen ein. Es könnte einer zu wenig gewesen sein. Der Engländer fuhr zu Beginn des Rennens noch vor Hülkenberg her, konnte mit alten Reifen am Ende aber nicht mehr dagegenhalten.

Was für Alonso gilt, trifft auch auf seinen Teamkollegen zu: McLaren-Honda wird immer konkurrenzfähiger. Nur kann Button das bessere Material leider nicht mehr allzu lange nutzen. Seine Abschiedstour absolviert der Routinier mit guten Leistungen. Seine Form fällt nicht ab. Dass er es trotz heftigem Verkehr überhaupt in Q3 schaffte, war schon eine gute Leistung.

Platz 9, Sergio Perez: Einen herausragenden Start erwischte der Mexikaner beim Malaysia-GP. Er entzog sich den Rosberg-Verstappen-Vettel-Wirren und lag plötzlich auf Rang 3. Etwas zu gut für den Force India. Dass er nach und nach zurückfiel, ist nicht dem Mexikaner anzukreiden. Das Auto gab nicht mehr her. Am Ende kam er knapp hinter Bottas ins Ziel, was vor allem an einem langsamen Boxenstopp lag.

Platz 10, Valtteri Bottas: Eine Überraschung: Williams macht Punkte mit einer Strategie-Entscheidung. Ob das an der Verpflichtung von Ferraris ehemaligem Reifenfachmann liegt? Bottas startete mit Mediums, nachdem er im Qualifying das Potenzial des Autos nicht abgerufen hatte. Als die Konkurrenten in die Box abbogen, fuhr der Finne weiter und machte Zeit gut. Das brachte ihm Platz 5, den er gegen Perez und Alonso verteidigte.

Härtefall, Sebastian Vettel: Für 500 Meter geradeaus wären Punkte unangebracht, doch unter den Tisch darf die Diskussion um Vettel auf keinen Fall fallen. Die Stewards erklärten den vierfachen Weltmeister zum Schuldigen der Startkollision. Vettel in Japan drei Startplätze zurückzuversetzen, ist hanebüchen.

Was in Turn 1 passierte, war ein Rennunfall. Nicht mehr, nicht weniger. Vettel bremste sich innen neben Verstappen, dann zog Rosberg rein. Zuerst kollidierte der Mercedes mit dem Oranje-Red-Bull, dann krachte der Ferrari in den Silberpfeil. Drei Autos sind für eine Innenbahn zu viel. Die Situation war ein Abziehbild des Startunfalls in Belgien.

Dass Vettel am Abend zum Telefon griff, Rosberg anrief und sich entschuldigte, ehrt ihn. Sein riskantes Manöver hätte beinahe den WM-Kampf nachhaltig beeinflusst. Trotzdem: Es muss erlaubt sein, beim Start die Innenbahn zu wählen. Zumal Vettel nur so Erfolg haben kann: Der gute Start ist die einzige Stärke des Ferrari. Manchmal kracht es. Auch das gehört zum Motorsport dazu. Vielleicht war Vettel etwas übermotiviert. Aber unsportlich und strafwürdig war seine Fahrweise sicher nicht.

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