SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 17 der Saison 2016: Der Große Preis von Mexiko . Mit dabei: Nico Hülkenberg in Bestform, Marcus Ericsson setzt den Trend fort und der Eklat zwischen Sebastian Vettel, Max Verstappen und Daniel Ricciardo wirkt nach.
Platz 1, Nico Hülkenberg: Dreimal stand Nico Hülkenberg in der Saison 2016 auf dem virtuellen Podium des Driver-Ranking bei SPOX. Mit seinem Auftritt in Mexiko hat er sich erstmals die Spitzenposition gesichert. Warum müsste schon bei der Betrachtung des Quali-Resultats jedem ins Auge springen. Der Force India ist nicht so schnell wie ein Ferrari. Er kämpft mit Williams, die ihre Ressourcen schon auf die Saison 2017 verlagert haben.
Trotzdem schaffte es Hülkenberg, sein Auto vor den roten Rennern aus Maranello zu positionieren, während sein Teamkollege Sergio Perez schon an der Qualifikation für die Ausscheidung der Top 10 scheiterte. Der Deutsche hatte eine perfekte Runde erwischt, auch sonst war er eindeutig der stärkere Fahrer des indischen Mercedes-Kundenteams.
Dass Hülkenberg Platz 5 im Rennen verlieren würde, war vorher abzusehen. Trotzdem kämpfte er. Er verbesserte sich beim Start auf Rang 4, indem er Daniel Ricciardos langsamen Beginn bestrafte. Später fuhr er im Nirgendwo einsam seine Runden. Erst als Kimi Räikkönen in der Schlussphase aufschloss, kam Hülkenberg in die Bredouille. Der Dreher wäre wohl vermeidbar gewesen.
Platz 2, Marcus Ericsson: Ein Rennen mit zwei Reifensätzen. Klingt einfach, doch für Ericsson wurde es zur Mammutaufgabe. Der Schwede durfte sich der weichen Slicks direkt nach dem Start entledigen, weil sein Frontflügel nach der von Esteban Gutierrez ausgelösten Kollision mit Pascal Wehrlein hinüber war. Dann wurde es zäh. 70 Runden lang umkurvte Ericsson das Autodromo Hermanos Rodriguez auf einem einzigen Satz Mediums. Über 300 Kilometer dauerte der Stint!
Die Strategie dahinter: In Mexiko sind Überholmanöver kaum möglich, wenn das Auto auf der Geraden schnell ist. Fällt dann vorne auch noch jemand aus, rutscht ein eigentlich langsameres Auto in die Punkte. Die einzige Taktik, die für Sauber zum Erfolg führen kann. Mit 362,4 km/h hatte Ericsson im Qualifying am Samstag das Auto mit dem sechstbesten Topspeed im gesamten Feld. Trotz beschädigtem Unterboden hielt er Jolyon Palmer und Jenson Button locker hinter sich.
Obwohl er als Elfter ins Ziel kam, sprach der Schwede vom besten Grand Prix seiner 53 Rennen dauernden Formel-1-Karriere. Schon am Samstag hatte er mit beeindruckenden sechs Zehnteln Teamkollege Felipe Nasr abgehängt. Ericcson schwimmt derzeit auf einer Welle. Spannend, ob es in den verbleibenden zwei Rennen noch für einen WM-Punkt reicht. Für Saubers Finanzen wäre es wichtig.
Platz 3, Valtteri Bottas: Seit dem Italien-GP hatte Bottas nicht mehr wirklich überzeugt. In Mexiko gelang es ihm. Obwohl er nach dem gewonnenen Quali-Duell in der ersten Runde hinter Teamkollege Felipe Massa zurückfiel, ging der Finne in Runde 23 wieder vorbei. Er war schneller, er kam mit dem ungewöhnlichen Griplevel in Mexico-City besser zurecht.
Nebenbei stellte der Finne wohl einen neuen Topspeed-Rekord auf. Zwar sprach die Formel 1 selbst davon, Bottas habe die bisherige Bestmarke von Juan Pablo Montoyas Bestmarke von 372,6 km/h um 0,1 km/h verfehlt, doch der Kolumbianer hatte die Geschwindigkeit nie an einem Formel-1-Wochenende erreicht. Der Höchstwert während einer offiziellen Session gelang Antonio Pizzonia im BMW anno 2004 in Monza: 369,9 km/h. Mit anderen Worten: Schneller als Bottas mit 372,5 km/h war offiziell bisher kein Fahrer.
Bottas fuhr scheinbar unauffällig im Mittelfeld, doch er fuhr schnell. An Hülkenberg kam er nicht heran, dafür war der Force India besonders im letzten Sektor zu stark. Vorzuhalten ist es dem Finnen nicht. Er holte das aus seinem Williams heraus, was möglich war und kompensierte die Probleme der Startphase mit guter Pace.
Platz 4, Lewis Hamilton: Der Weltmeister kürzte Turn 1 nach dem Start mit einer Querfeldeinfahrt ab, weil er sich den Reifensatz nicht ruinieren wollte. Er öffnete die Lenkung, weil er die Kurve niemals bekommen hätte. Klug, klar. Trotzdem ungerecht gegenüber denen, die sich ihr Auto beschädigten, weil sie unter allen Umständen versuchten auf der Strecke zu bleiben. Es kann nicht sein, dass jemand querfeldeinfährt, um seine Führung zu behalten. Track Limits sind einzuhalten, wer sie ignoriert verschafft sich immer einen Vorteil.
Hamiltons Ausflug ins Grüne bescherte ihm einen Bremsplatten, der ihn bis zum ersten Boxenstopp durchschüttelte. Es war sein einziger grober Fehler, beinahe wäre er kostbar gewesen. Hamilton gab an, er habe durch die Vibrationen kaum den Bremspunkt zur ersten Kurve erkennen können. Viel dramatischer aber: Bei über 360 km/h wurde die Aufhängung des Mercedes eines Stresstest sondergleichen unterzogen.
Mercedes ging das Risiko ein und ließ Hamilton draußen. Leicht hätte die Radaufhängung durch die steten Wellen kollabieren können. Sie tat es nicht. Hamiltons Patzer blieb glücklicherweise folgenlos. Nach der dominanten Vorstellung in sämtlichen freien Trainings und dem Qualifying wäre es eine Schande gewesen, wenn die WM final durch einen Defekt entschieden worden wäre - auch wenn Hamilton ihn mit einem Fahrfehler verursacht hätte.
Platz 5, Fernando Alonso: Für eine der einprägsamsten Szenen des Rennens sorgte der Spanier schon in Anfangsphase. Wie er den McLaren-Honda neben der Strecke vor dem Abflug bewahrte, als Carlos Sainz jr. ihn vom Asphaltdrängte, gehört ins Lehrbuch für Fahrzeugbeherrschung. Zudem sieht der 13. Platz, den Alonso im Klassement einnahm, schlechter aus, als er wirklich war.
Der zweifache Weltmeister stand in der Startaufstellung vor Teamkollege Jenson Button. Er verlor unglücklicherweise aber beim Boxenstopp Zeit, als die Radmutter klemmte. Der Honda-Hybrid ist zudem immer noch für Überholmanöver zu schwach, gerade in der dünnen Mexiko-Luft. Alonso musste gegen Rennende sogar die Leistung herunterfahren, weil er sonst die Zielflagge nicht mehr gesehen hätte.
Platz 6, Jolyon Palmer: Der Engländer arbeitet verbissen an seinem Formel-1-Verbleib. Mittlerweile gilt er als Kandidat für Force India, sofern Esteban Ocon bei Renault unterschlüpft. Auch wenn ich an Vijay Mallyas Stelle eher Pascal Wehrlein das Cockpit geben würde, macht Palmer aktuell weit mehr richtig als falsch. Sein Renault-Partner Kevin Magnussen steht etwas im Abseits.
Palmer konnte am Qualifying nicht teilnehmen, weil Renault einen Riss im Chassis entdeckt hatte, das deshalb getauscht wurde. Er hatte im Abschlusstraining einen Kerb etwas zu hart erwischt. Trotzdem kam Palmer vor dem Dänen ins Ziel, weil er wie Ericsson einen Mega-Stint auf Mediums absolvierte. Dem Druck von Carlos Sainz jr., Fernando Alonso, Jenson Button und Daniil Kvyat, die zwischenzeitlich eine Perlenkette hinter ihm gebildet hatte, hielt er bravourös stand.
Platz 7, Max Verstappen: Die Strafe, die den Niederländer traf, war hart. Seine Reaktion, nach dem verpatzten Anbremsen, die Lenkung aufzumachen, glich der Hamiltons. Der Red-Bull-Teenager ging wie der Weltmeister vom Gas, nachdem er vom Rasen wieder auf die Strecke zurückgekehrt war. Einen Zeitvorteil hatte also keiner der Piloten. Doch beide Fahrer sicherten ihre Position, indem sie freiwillig die Strecke verließen. Bei Hamilton wurde der Vorfall nicht mal untersucht, bei Verstappen gab es eine Fünf-Sekunden-Strafe.
Bernie Ecclestone hatte für Aufregung gesorgt, als er vor dem Wochenende geäußert hatte, um jede Kurve eine Mauer aufstellen zu wollen. Im Grunde hatte der Geburtstagsgreis Recht. Die FIA hat die Rolle der Pandora eingenommen, indem sie die Auslaufzonen immer mehr ausweitete und asphaltierte. Wie also die Dose wieder schließen?
Wenn schon keine Kiesbetten möglich sind, hilft vielleicht nur die Haudrauf-Variante: automatische Fünf-Sekunden-Strafen, sobald ein Auto mit allen vier Rädern die Strecke verlässt. Egal wer, egal wann, egal ob ein Vorteil besteht oder nicht. Ohne Ausnahmen. Dann gibt es keinerlei Diskussionen mehr und die Fahrer bemühen sich endlich wieder, auf der Strecke zu bleiben.
Zurück zu Verstappen. Der hat aktuell die Rolle des Bad Boys übernommen, die Hamilton innehatte, als er in die Manege des Formel-1-Zirkus gestoßen wurde. Er mag auf seinem dünnen Seil balancieren, doch wenn Hamilton das Abkürzen erlaubt wird, warum sollte er anders handeln? Gleiches Recht für alle! Lediglich das Manöver nach dem Start gegen Rosberg war zu optimistisch. Das Abdrängen von der Strecke war strafwürdig.
Platz 8, Kimi Räikkönen: Wie der Iceman Hülkenberg überholte, verdient Lob. Warum er einen zweiten Boxenstopp machen musste, weiß nur Ferrari. Es wäre taktisch besser gewesen, Räikkönen auf Mediums ins Ziel zu bringen. So musste der Routinier sich wieder nach vorne kämpfen. Das klappte zwar, war aber unnötig. Räikkönen zeigte eine ordentliche Leistung, ließ Vettel im Qualifying ganz knapp hinter sich. Im Rennen zog er aber gegen Deutschen den kürzeren.
Platz 9, Daniel Ricciardo: Durch die Strafen für Vettel und Verstappen rutschte der Australier im Klassement noch auf Platz 3 vor. In Q3 war er fast eine Zehntel langsamer als sein Teamkollege, beim Start fiel Ricciardo hinter Hülkenberg zurück. Wirklich toll war das nicht. Was Ricciardo dagegen gut machte: Er schloss die Lücke, als Verstappen auf Uralt-Mediums Vettel aufhielt. Sein Überholversuch war gut, dass er den Red Bull noch auf der Strecke hielt, verdient Anerkennung.
Platz 10, Nico Rosberg: 'Zwei zweite und ein dritter Platz reichen zur Weltmeisterschaft.' War es dieser Gedanke, der den deutschen Mercedes-Piloten das Wochenende über bremste? Wohl kaum. Rosberg sah gegen Hamilton keinen Stich. Nur in Q3 setzte er sein Können halbwegs um und holte gerade noch Startplatz 2.
Warum Rosberg trotzdem noch einen Punkt bekam? Weil er das tat, was echte Champions tun: Er beschränkte sich im Rennen darauf, das mitzunehmen, was für ihn möglich war. Er wich Verstappen beim Start aus, er wich Verstappen bei dessen späterem Überholversuch aus. Der Pokal für den zweiten Platz war alles, was Rosberg aus Mexiko-City mitnehmen konnte. Er tat es.
Härtefall, Sebastian Vettel: Irgendwie traf Verstappen den Nagel beinahe auf den Kopf. Vettel hatte beim Verteidigen gegen Ricciardo die Richtung gewechselt. "Moving under Braking" ist seit dem US-GP durch die "Verstappen-Regel" allerdings strikt verboten. Gerade der vierfache Weltmeister hatte das Verhalten des Teenagers beim Verteidigen immer wieder kritisiert. In Mexiko tat er es ihm gleich.
Insgesamt erwischte Vettel ein Wochenende mit Licht und Schatten. Bei der Anfahrt zu Turn 4 kochte ihn Felipe Massa auf der Außenbahn ab. Anschließend wurde der eigentlich schnellere Ferrari aufgehalten. Vettel glich es aus, als er seinen Soft-Stint verlängerte und in Führung liegend Runde für Runde beste Zeiten fuhr. So krönte er sich zum Man of the Race.
Nur schmiss er das Erreichte selbst wieder weg, als er sich gegen Ricciardo verteidigte. Das war unnötig. Vettel hätte die neue Regel trotz aller Aufregung beachten müssen. Verstappen machte das besser.
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