SPOX-Redakteur Alexander Maack bewertet nach jedem Grand Prix die fahrerischen Leistungen der Formel-1-Piloten und stellt sein persönliches Driver-Ranking auf. Teil 6 der Saison 2016: Der Große Preis von Monaco in Monte Carlo. Mit dabei: Ein Hoch auf McLaren! Oder doch auf die Fahrer Fernando Alonso und Jenson Button? Lewis Hamilton und Daniel Ricciardo streiten um die Plätze, Sebastian Vettel ist zu selbstkritisch. Und bei Red Bull ist Sarah Connor gefordert.
Platz 1, Daniel Ricciardo: Perfekt. Kein anderes Wort trifft die Leistung von Ricciardo besser. Der Australier fuhr mit einem bockstarken Ritt auf die Pole Position. Zum ersten Mal in seiner jungen Formel-1-Karriere. Er kontrollierte das Rennen bei nasser Strecke problemlos, nutzte Nico Rosbergs Schwäche und setzte sich ab. Red Bull kostete ihn den Sieg, Ricciardo war schuldlos.
Warum das vierfache Weltmeisterteam den gewünschten Satz Supersofts im letzten Eck seiner Garage versteckt hatte? Ein Rätsel. Doch der Fehler, die sekundenlange Wartezeit, das glückliche Vorbeihuschen Hamiltons, es kann die Leistung nicht schmälern. Ricciardo ist Monaco-Sieger der Herzen. Hamilton adelte ihn als "einen der Besten", gegen die er jemals gefahren ist. Er stellte ihn damit auf dieselbe Stufe mit Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Fernando Alonso.
Etwas verfrüht, klar. Trotzdem sorgte der Australier bei Hamilton für Schweißausbrüche, als er Runde für Runde Druck aufbaute. Er hetzte den Weltmeister in einen Fehler in der Hafenschikane. Hamilton konnte die Tür mit letzter Kraft gerade noch zudrücken. Sicher ist: Ricciardo fährt eine bockstarke Saison. Er führt die Gesamtwertung des Driver-Rankings mit über 30 Punkten Vorsprung an. Zwei Tagessiege, sechs Rennen unter den ersten Sechs. Es bleibt abzuwarten, wie gut der überarbeitete Renault wirklich ist. Ricciardos Leistungen würden einen WM-Kampf rechtfertigen.
Platz 2, Lewis Hamilton: Licht und Schatten beim Weltmeister. Nach dem Qualifying schien sein Wille endgültig gebrochen. Völlig entkräftet sah Hamiltons Gesichtsausdruck aus, nachdem ihm die Mercedes-Technik zum dritten Mal in der Saison 2016 einen Strich durch die Quali-Rechnung gemacht hatte. Unter diesen Umständen aber war Startplatz 3 keineswegs schlecht. Hamilton musste sich trotzdem über Nacht regenerieren, Optimismus in sein Hirn implantieren.
Die Operation gelang. Was ihn auf das Niveau von Ricciardo hob: Er sorgte selbst dafür, dass er vor den Australier kam. Der Verzicht auf den Wechsel zu Intermediates war seine Entscheidung. Wäre der Schachzug gescheitert, wäre der Weltmeister der Depp geworden. Doch er ging auf. Danach hielt er dem Dauerdruck durch Ricciardo stand, der ständig in beiden Rückspiegeln auftauchte.
Platz 3, Fernando Alonso: Der GP2-Motor kommt langsam ins Rollen, dank Alonso. McLaren kämpfte das gesamte Wochenende über mit Untersteuern, wahrscheinlich durch den hohen von Pirelli vorgeschriebenen Druck. Das bremste Button gewohntermaßen stärker ein als den Asturier. Alonso fährt schnell, egal was das Auto unter ihm macht. Er versklavt den Boliden. Beim Monaco-GP brachte das Platz 5. Das beste Resultat seit der Honda-Rückkehr in die Formel 1 Anfang der Saison 2015.
Wie? Alonso legte eine starke Inlap hin und schlüpfte so an Rosberg vorbei. Trotz dessen technischer Probleme, hatte der Deutsche noch immer das schnellere Auto. Alonso scherte sich nicht drum und spielte Lokomotive. Die Waggons mit Namen Nico Rosberg, Nico Hülkenberg und Carlos Sainz jr. konnten sich nur hinten einklinken. Alonso ließ sie nicht vorbei.
Platz 4, Nico Hülkenberg: 100 Grand-Prix-Starts ohne Podium - mehr haben nur Adrian Sutil, Pierluigi Martini und Philippe Alliot. Das ist aber nicht allein Hülkenbergs Schuld. Das Rennen in Monaco ist das Paradebeispiel für das Pech, das ihn immer wieder ereilt, wenn er die Chance auf ein Top-Resultat hat.
Hülkenberg steckte an der Cote d'Azur wie Sebastian Vettel im Verkehr fest. Die Strategie von Force India wirkte sich bei ihm negativ aus, sie zerstörte seine Ambitionen. Hülkenberg hätte aufs Podium fahren können. Im Qualifying stellte er das Auto auf den fünften Startplatz - vor Kimi Räikkönen im Ferrari. Damit übertraf er das Potenzial des VJM09. Das Überholmanöver gegen Nico Rosberg auf der Zielgeraden war letztlich nur ein kleiner Trost.
Platz 5, Sergio Perez: Von Startplatz 7 aufs Podium fuhr der Mexikaner im Fürstentum. Eine blitzsaubere Leistung, die ihn zum Mann des Rennens machte. Trotzdem war er fahrerisch nicht der Beste. Perez profitierte von Force Indias kluger Strategie, als er eine Runde früher als die Konkurrenz zum zweiten Boxenstopp hereingerufen wurde.
Sebastian Vettel und Carlos Sainz jr. waren durch Bremsklötze behindert und verloren den Kampf um Platz 3. Perez dagegen konnte durch seinen späten Wechsel zu Intermediates ohne Vordermänner frei Gas geben. Dadurch rutschte Perez nach vorne. Er holte das Maximum aus seiner glücklichen Lage heraus, nachdem er im Qualifying noch eine klare Niederlage gegen Teamkollege Hülkenberg hatte einstecken müssen.
Platz 6, Carlos Sainz jr.: Max Verstappen und Daniil Kvyat schmissen ihr Auto auf haarsträubende Weise weg. Neben Daniel Ricciardo erreichte nur der Spanier das Ziel. Das Regenwetter in Monaco brachte seine große Stärke zum Vorschein: den kontrollierten aber trotzdem schnellen Fahrstil. Sainz jr. fährt dadurch oft so unauffällig, dass kaum einem auffiel, dass er wie Ricciardo um einen Erfolg gebracht wurde.
Der Spanier hätte aufs Podium fahren können. Toro Rosso leistete sich zwei miserable Boxenstopps. Die kosteten so viel Zeit, dass er hinter Vettel und Perez über die Ziellinie fuhr. Sainz jr. mag für einen Unterhaltungsfan der Formel 1 wenig interessant sein, weil er unspektakulärer fährt. Seinem Team leistet er aber einen guten Dienst, weil er das Auto sauber ins Ziel fährt.
Platz 7, Sebastian Vettel: Zu vorsichtig schätzte Vettel seine eigene Fahrweise ein, nachdem er durch den Wechsel auf Intermediates hinter Felipe Massa zurückgefallen war. Er hätte ihn überholen müssen. Die Selbstkritik nach dem Rennen täuscht aber etwas über den wirklichen Verlauf des selbigen hinweg. Ferrari hatte bei seinen taktischen Entscheidungen Pech, mancher spricht von Unvermögen. Der zweite Stopp kam eine Runde zu spät.
Räikkönen, Vettel und ihr Team liefen schon am Donnerstag hinterher. Am Samstagmorgen schien Vettel plötzlich ein Kandidat für die Pole Position. Doch genau wie im Vorjahr bestätigte die Scuderia die Leistung im Qualifying nicht. Als die Strecke in Q3 wärmer wurde, die anderen Teams plötzlich Grip fanden, verlor Vettel Zeit. Er betrieb Schadensbegrenzung, hängte Räikkönen ab und qualifizierte sich als Vierter.
Platz 8, Pascal Wehrlein: Wer erstmals in seinem Leben einen Rennwagen durch die Straßen von Monte Carlo bewegt, bekommt im Normalfall Schwierigkeiten. Das gilt auch für einen amtierenden DTM-Champion. Wehrlein hatte mit Rio Haryanto abermals Probleme im Qualifying. Der Indonesier war schneller, hatte aber den Vorteil der Erfahrung auf seiner Seite: In der GP2 fuhr er vier Jahre und damit acht Rennen in Monaco.
Wehrlein drehte das Duell, indem er wie Hamilton den Stopp für Intermediates ausließ. Dem deutschen Monaco-Rookie war keine Aufregung anzumerken, als er einen Zug mit den erfahreneren Jenson Button und Valtteri Bottas hinter sich aufreihte. Nach dem Wechsel auf Slicks verlor er aber die Waggons und zusätzlich die Konzentration. Zwei Zeitstrafen kosteten ihn Platz 13. Romain Grosjean rutschte nach der Zieldurchfahrt im Resultat nach vorn. Das schmälert Wehrleins Leistung.
Platz 9, Esteban Gutierrez: Der Mexikaner in Haas-Diensten machte vor allem im Qualifying einen guten Job. Er ließ Button im McLaren-Honda und Massa im Williams hinter sich. Und das, obwohl er das 1. Freie Training wegen Problemen mit der Elektrik verpasst hatte. Den starken Eindruck bestätigte er zu Rennbeginn, als er bei Nässe an Räikkönen vorbeizog. Im Trockenen war mit dem Hass nichts mehr zu holen. Am Ende gab's den unglücklichen 11. Platz.
Platz 10, Jenson Button: Der Weltmeister des Jahres 2009 hielt eigentlich gut mit Alonso mit, bis er sich in Q2 einen kostspieligen Fehler auf der Bremse leistete. Button schied aus, Alonso startete vier Plätze vor ihm. Im Zug hinter Wehrlein zog der risikobereite Verstappen an ihm vorbei, Button fuhr vorsichtiger und beschränkte sich darauf, das Auto heil ins Ziel zu bringen. Das gelang und brachte McLaren-Honda zwei weitere Punkte.
Härtefall, Max Verstappen: Sarah Connor hat mit dem jungen Niederländer ihre wahre Freude. Die Nationalhymnen-Brüherin könnte für Verstappen sogar ihren eigenen Liedtext verunglimpfen: "From Hero to Zero" lautete sein Motto in Monaco. Verstappen war schnell, keine Frage. Nur war er zu schnell. Im Qualifying zerschrottete Verstappen seinen Red Bull. Nach seinem Start aus der Boxengasse legte er eine furiose Aufholjagd hin, um dann beim Wechsel auf Trockenreifen wieder in die Leitplanke zu donnern.
Der 18-Jährige ist der erste Vertreter der neuen Fahrergeneration, die mit den Einkaufscenter-Parkplatz-Auslaufzonen aufgewachsen sind. Verstappen kennt keine Angst, er kennt das Limit aber oftmals noch nicht. Auf einer normalen Rennstrecke ist das kein Problem, in Monaco wird es umgehend mit dem Ausfall bestraft.
Untauglich, Felipe Nasr und Marcus Ericsson: Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz in der Formel 1. Es heißt: "Kollidiere niemals mit deinem Teamkollegen." Ein Rennunfall ist schlimm genug. Aber wenn ein Pilot, den anderen bei einem Überholversuch ohne Aussicht auf Erfolg abschießt, schwappt das Fass über. Wenn der andere Fahrer des Teams vorher die Stallregie ignoriert, ist das genauso schlimm.
Normalerweise müsste mindestens einer der beiden Sauber-Piloten in Kanada eine Auszeit bekommen. Grübeln über die eigene Idiotie wäre angebracht. Nur: Das wird nicht passieren. Nasr und Ericsson sind der Grund, dass die Sauber überhaupt noch fahren. Ihre Geldgeber halten das Team gerade so am Leben. Es ist einfach traurig, wie tief der frühere BMW-Werksrennstall gefallen ist.
Formel 1: Kalender und WM-Stand 2016 im Überblick