Ein Milliardärssohn watscht alle ab

Dominik Geißler
10. Juli 201710:08
Lance Stroll ist mit 18 Jahren der jüngste Fahrer im aktuellen Formel-1-Feldgetty
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Nach jedem Grand Prix der Formel 1 bewertet SPOX die Leistungen der Fahrer am vergangenen Wochenende. Teil 8 der Saison 2017: der Große Preis von Aserbaidschan in Baku. Lance Stroll belehrt seine Kritiker eines Besseren und stellt selbst Lewis Hamilton und Rennsieger Daniel Ricciardo in den Schatten. Die deutsche Fahne hält diesmal Pascal Wehrlein hoch. Ein Landsmann wird zum Härtefall.

Platz 1, Lance Stroll:

Sechs Rennen lang hagelte es für den Rookie Kritik. Immer wieder wurde er - zugegebenermaßen auch an dieser Stelle - für untauglich erklärt. Doch Stroll ließ sich davon nicht beeindrucken und zeigte an diesem Wochenende, dass er mehr sein kann als Pastor Maldonado II.

Erst schlug der Kanadier im Qualifying zum ersten Mal überhaupt Teamkollege Felipe Massa, dann fuhr er wie schon bei seinem Heimspiel in Montreal ein fehlerloses Rennen. Während sich die anderen Piloten gegenseitig abräumten, behielt er die Nerven. Safety-Car-Phasen, Rennunterbrechung, herumliegende Teile rechts und links - Stroll steckte all das locker weg und fuhr so verdientermaßen aufs Podium. Dort wurde ihm dann die "Ehre" zuteil, Champagner aus Daniel Ricciardos Schuh trinken zu dürfen. Herzlichen Glückwunsch!

Dass er sich nur wenige Meter vor dem Ziel noch von Valtteri Bottas überholen ließ und damit den zweiten Platz verpasste, wird ihn ärgern. Einen Vorwurf kann man dem 18-Jährigen dafür aber nicht machen. Ein Mercedes ist eben doch nochmal ein gutes Stück schneller als ein Williams.

Platz 2, Lewis Hamilton:

"Mich absichtlich zu rammen, ist eine Schande. Wenn er sich als Mann beweisen will, soll er es außerhalb des Autos machen, von Angesicht zu Angesicht. Man denke an all die Kinder, die heute zugeschaut und gesehen haben, wie das ein vierfacher Weltmeister macht", wütete der Engländer in Richtung Sebastian Vettel. Von der viel zitierten "Bromance" zwischen den beiden WM-Rivalen ist nach dem Aserbaidschan-GP nichts mehr zu spüren.

Während Vettel mehr oder weniger mit einem blauen Auge davon kam, verlief der Nachmittag für Hamilton frustrierend. Lediglich ein fünfter Platz sprang am Ende heraus, zwei WM-Punkte verlor der Mercedes-Pilot somit auf den Heppenheimer. Und das, obwohl er eine fast perfekte Vorstellung ablieferte.

In der Qualifikation setzte er mit einer Fabelrunde seine Pole-Rekordjagd fort. Im Rennen hatte er bis zu seinem durch eine lose Kopfschutzhalterung erzwungenen Boxenstopp alles im Griff - trotz doppeltem Vettel-Aussetzer. Einen kleinen Abzug gibt es dafür, dass es Hamilton mit frischeren Reifen nicht gelang, den Heppenheimer ernsthaft unter Druck zu setzen.

Platz 3, Daniel Ricciardo:

Eigentlich hatte der Red-Bull-Pilot die Chance auf ein gutes Ergebnis schon am Samstag weggeworfen. Nach einem einfachen Fahrfehler touchierte er die Leitplanke und schied vorzeitig aus dem Pole-Kampf aus. Lediglich vom zehnten Platz ging es ins Rennen.

In diesem plagte ihn schon nach wenigen Runden ein Teil von Valtteri Bottas oder Kimi Räikkönen, das sich nach deren Crash in Ricciardos Bremsbelüftung verabschiedet hatte. Der Australier musste früh an die Box und verlor wertvolle Zeit.

Grund, um aufzugeben? Nicht für den Sunnyboy! Mit den Messern zwischen den Zähnen überholte er ein Auto nach dem anderen - manchmal sogar zwei Mal auf einmal - und schob sich so bis auf Rang drei vor. Zu guter Letzt profitierte er von Vettels und Hamiltons Schicksal und heimste so den fünften Formel-1-Sieg seiner Karriere ein.

Fun-Fact für die Statistik-Liebhaber: Seit Fernando Alonsos Sieg in Valencia 2012 startete kein Gewinner von einem schlechteren Platz aus als Ricciardo an diesem Wochenende. Der Spanier ging damals vom elften Rang ins Rennen.

Platz 4, Kevin Magnussen:

Während Romain Grosjean in Aserbaidschan eher als der Flucher vom Dienst auffiel, machte der Däne mit seinen fahrerischen Leistungen auf sich aufmerksam. Platz 13 in der Quali, Platz sieben im Rennen - das bis hierhin beste Saisonergebnis für Haas.

Zwischenzeitlich war Magnussen, der 2017 erneut in etwa so konstant wie die Deutsche Bahn fährt, sogar auf Podiumskurs. Gegen die deutlich schnelleren Vettel, Haas und Ocon war er aber am Ende chancenlos.

Platz 5, Felipe Massa:

Wie Teamkollege Stroll schielte auch der Oldie auf die Champagnerdusche. Nach der Unterbrechung war er Dritter, direkt hinter Hamilton und Vettel. Überlegt man, dass sich die beiden Top-Piloten später aus dem Kampf um den Sieg verabschiedeten, wäre demzufolge einiges drin gewesen für Massa. "Heute hatten wir die Chance, zu gewinnen", trauerte Massa der verpassten Gelegenheit nach.

Warum es nicht mit einem Erfolg geklappt hat? Weil das Dämpfersystem streikte und so die Hinterradaufhängung starr werden ließ. Massa konnte den Speed nicht mehr mitgehen und musste seinen Williams letztlich in der Garage abstellen.

Platz 6, Fernando Alonso:

Ein Wunder ist geschehen! McLaren-Honda sammelt trotz aller Trennungsgerüchte die ersten Zähler der Saison. Und das, obwohl Alonso mit einer theoretischen Strafe von 40 Startplätzen vom 19. Rang aus das Rennen aufnahm.

Mit all seiner Erfahrung hielt sich der zweifache Weltmeister aus dem Gröbsten heraus und behauptete seinen Wagen auch auf der 2,2 Kilometer langen Geraden. Allerdings: Bei aller Freude um die WM-Punkte werden Alonso und Co. wissen, dass ein Top-10-Ergebnis nur aufgrund des skurrilen Rennverlaufs möglich war.

Platz 7, Sergio Perez:

Wie so viele Piloten an diesem Tag rechnete sich auch Checo Siegchancen aus. Mit einem starken Start machte er gleich zu Beginn auf sich aufmerksam, verteidigte sich bis zu dessen Ausfall gut gegen Max Verstappen und machte seinen Job auch nach seiner Fast-Aufgabe vor der Unterbrechung gut. Am Crash mit Teamkollege Esteban Ocon war Perez schuldlos. Seine Laune dürfte das aber nach dem vorzeitigen Rennende nicht gesteigert haben.

Platz 8, Pascal Wehrlein:

Mit einem Sauber den Sprung ins zweite Quali-Segment zu schaffen, ist immer eine besondere Leistung. Gerade dann, wenn beim Schweizer Rennstall Krisenstimmung herrscht und Teamchefin Monisha Kaltenborn nur Tage zuvor ihre Koffer packen musste. Wehrlein gelang dies.

Am Sonntag erlebte der Mercedes-Junior dann ein Rennen mit Höhen und Tiefen. In der ersten Hälfte kam er auf dem Baku City Circuit nicht wirklich zurecht, fand im Anschluss aber die notwendige Pace, um auf Attacke zu schalten. Das tat er zwar zunächst nicht sonderlich geschickt, als er Teamkollege Marcus Ericsson an den Hinterreifen fuhr, biss sich dann aber so am Schweden fest, dass Sauber Wehrlein mit einer Teamorder vorbeischob und ihm so zum nächsten WM-Punkt nach dem Spanien-GP verhalf.

Platz 9, Valtteri Bottas:

Über eine Runde Rückstand, am Ende Platz zwei - das Rennen des Finnen war irre und hätte auf den ersten Blick auch eine bessere Position im Driver-Ranking verdient gehabt. Dass doch "nur" der neunte Rang herauskam, hat mehrere Gründe.

Zum einen ließ sich Bottas in der Qualifikation von Hamilton deklassieren. Über vier Zehntel Rückstand sind auf den Teamkollegen einfach zu viel. Zum anderen verschuldete der Rosberg-Nachfolger den Rückfall auf den letzten Platz selbst, indem er beim Verteidigungsversuch gegen Räikkönen in Kurve zwei über den Curb bretterte und mit dem Iceman kollidierte.

Den Anschluss ans Feld fand Bottas anschließend nur dank der Safety-Car-Phasen. Loben muss man ihn aber für seinen Kampfgeist, der ihn im wahrsten Sinne des Wortes bis zur Ziellinie trug und noch auf den zweiten Platz führte.

Platz 10, Esteban Ocon:

Der junge Franzose machte eigentlich alles richtig. Im Qualifying kommt er jedes GP-Wochenende näher an Perez heran - diesmal fehlten nur noch wenige Hundertstel - und auch im Rennen kann er immer besser mithalten. Allerdings bekommt Ocon ein dickes Minus auf seinen Arbeitsnachweis. Die Kollision mit dem Teamkollegen war nicht nur ungeschickt, sondern auch völlig unnötig. Er hätte Perez mehr Platz lassen müssen. Ob die harte Attacke eine Retourkutsche für dessen teaminternes Verhalten in Kanada war?

Härtefall, Sebastian Vettel:

Rein fahrerisch zeigte der viermalige Weltmeister am Sonntag eine fast tadellose Leistung. Beim Start reagierte er stark auf Bottas' hartes Bremsmanöver, gegen Hamilton ließ er im Schluss-Stint trotz älterer Reifen nichts anbrennen. Nur bei den Restarts wirkte Vettel nicht ganz wach. Auch das Qualifying lief mit P4 nicht nach Plan.

Entscheidend für die Nicht-Berücksichtung in den Top 10 war aber seine Ramm-Attacke gegen Hamilton. Bewertet man die Gesamtleistung eines Fahrers am GP-Wochenende, so müssen auch Dinge wie sportliches Verhalten und Fairness miteinbezogen werden.

Damit ist nicht gemeint, dass ein aggressiverer Fahrstil gleich negativ beurteilt wird - Formel-1-Weltmeister wie Schumacher, Senna und Co. waren auf der Strecke nicht umsonst Egoisten. Vielmehr geht es darum, dass ein Fahrer bei aller Härte die Regeln achtet. Vettel tat das mit seinem Manöver keineswegs und ging damit mehr als nur einen Schritt zu weit.