Hammer-Time? Nur ein leises Klopfen

Dominik Geißler
01. Mai 201719:11
Lewis Hamilton ist dreifacher Formel-1-Weltmeistergetty
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Nach jedem Grand Prix der Formel 1 bewertet SPOX die Leistungen der Fahrer am vergangenen Wochenende. Teil 4 der Saison 2017: der Große Preis von Russland in Sotschi. Valtteri Bottas trumpft groß auf, auch Sebastian Vettel überzeugt. Kimi Räikkönen feiert seine Renaissance, während Lewis Hamilton hinterher fährt.

Platz 1, Valtteri Bottas: Nur neun Fahrer mussten sich bis zu ihrem ersten Formel-1-Sieg länger gedulden als der Mercedes-Pilot. Ganze 81 Rennen brauchte der "neue Iceman" (Guardian) nämlich für seinen Premieren-Erfolg und damit exakt so lange wie Eddie Irvine, Party-König und nebenbei einstiger Ferrari-Teamkollege von Michael Schumacher.

Doch ob nun Icemann II. oder Irvine II. - Bottas brillierte auf dem Sochi Autodrom in Reinstform. Die zweite Pole Position in Folge verpasste er zwar mit 0,095 Sekunden Rückstand auf Vettel knapp, vorwerfen kann man ihm das aufgrund der starken Ferrari-Pace aber nicht.

Den Grundstein für den Sieg legte Bottas dann am Start. In weniger als tausend Metern ging es von Drei auf Eins, anschließend dominierte er das Rennen bis zum Boxenstopp. Ja, in Runde 38 ließ der Fliegende Finne seinen Vorderreifen mit einem Verbremser mächtig aufqualmen, ansonsten fuhr er aber ein abgeklärtes Rennen. Statt sich vom heraneilenden Vettel zu fürchten, stresste ihn laut eigener Aussage nur der Überrundungsverkehr.

Platz 2, Sebastian Vettel: 100 Prozent zufrieden war der Heppenheimer nach dem Rennen nicht. Logisch. Wer von der Pole startet, will auch gewinnen. Vor allem dann, wenn man den Freitag und Samstagvormittag so dominiert hat wie Ferrari.

Wie sehr sich Vettel über die vergebene Siegchance ärgerte, zeigte er mit einer Mittelfinger-Geste in Richtung Felipe Massa kurz vor Schluss. Der Brasilianer hatte zuvor beim Überrunden nicht wie gewünscht Platz gemacht.

Trotz dieser Querelen war es aber ein gutes Wochenende von und für Vettel. In der Quali brachte er zum richtigen Zeitpunkt die richtige Runde auf den Asphalt, im Rennen zeigte er nach dem Reifenwechsel auf die Supersofts eine starke Pace. Und das Wichtigste: In der WM-Wertung hat der Ferrari-Pilot seinen Vorsprung auf Hamilton weiter ausgebaut.

Platz 3, Sergio Perez: Während sich alle Welt mit dem Duell zwischen Rot und Silber befasst, fährt der Force-India-Pilot Rennen für Rennen in die Punkte. Saisonübergreifend schaffte es Perez nun schon 14 Mal am Stück in die die Top 10 - da kann aktuell kein anderer Fahrer mithalten.

Natürlich profitiert der Mexikaner dabei von seinem zuverlässigen Force India. Doch er schafft es auch immer wieder, sich aus dem Mittelfeldgeplänkel rauszuhalten und mit einem gesunden Grundspeed konsequent in der ersten Hälfte des Tableaus zu fahren. Die Wiederholung der Podestplatzierung von 2015 war diesmal nicht möglich, ein gutes Ergebnis war der sechste Platz für Perez aber trotzdem.

Platz 4, Kimi Räikkönen: Für alle Fans des stoischen Finnen war es ein gutes Wochenende. Nachdem Räikkönen den Saisonstart eher so semi-gut hinter sich gebracht hatte, zeigte er sich in Russland in besserer Verfassung. Die Renaissance des Ferrari-Piloten begann bereits am Freitag und hielt bis zum Qualifying an. Haarscharf verpasste er hier die Pole, sorgte zusammen mit Vettel aber immerhin für die erste komplett rote Startreihe seit 2008.

Das Rennen begann dann suboptimal: Wegen eines schlechten Starts verlor Räikkönen eine Position an Bottas und konnte sich nur mit Ach und Krach vor Hamilton halten. Im weiteren Verlauf gelang es dem Iceman nicht, das Tempo von Vettel dauerhaft mitzugehen. Immerhin hielt er aber Hamilton ohne Mühe hinter sich und verdiente sich so den Besuch auf dem Siegerpodest.

Kurz vor Schluss gab's dann noch ein Gutti obendrauf: Zum 45. Mal schnappte sich Kimi die schnellste Rennrunde. So oft gelang das keinem anderen noch aktiven Fahrer. Nur Schumi ist hier unangefochten vorne (77).

Platz 5, Esteban Ocon: Lobt man Perez, muss man auch die Leistung seines Teamkollegen anerkennen. Platz 10 in der Qualifikation, Platz 7 im Rennen - Ocon war definitiv mitverantwortlich dafür, dass Force India zum vierten Mal im vierten Rennen beide Autos in die Punkte brachte. Ganz nebenbei war es für den Franzosen das beste Quali- und Rennergebnis seiner noch jungen Formel-1-Karriere.

Ob noch mehr drin gewesen wäre? Gut möglich. Mit ein paar kleineren Fehlern weniger in seinem Q3-Run hätte es in der Startaufstellung noch vor Perez gehen können. Im Rennen kostete ihm dann ein nicht ganz so guter Start Zeit.

Platz 6, Nico Hülkenberg: Der Asphalt in Sochi ist glatt, die Streckenführung reifenschonend. Trotzdem muss man es erst einmal schaffen, mit einem Satz der Ultrasofts 40 Runden durchzuhalten. Hülk tat das - und legte damit den Grundstein für ein gutes Ergebnis. Dass Renault überhaupt auf diese Alternativ-Strategie auswich, war das Resultat einer mäßigen ersten Runde des Emmerichers.

Dass Hülkenberg am Ende seinen achten Platz aus der Qualifikation halten konnte, werden die Franzosen mit Zufriedenheit verfolgt haben. Immerhin gilt der gelbe Wagen nicht gerade als Sonntagsflitzer. Ohne Spritsparzwang wäre sogar unter Umständen eine Attacke auf Ocon möglich gewesen.

Platz 7, Felipe Massa: Der Olympia-Kurs verlangt viel Motoren-Power. Und genau die hat Williams mit seinem Mercedes-Antrieb. Massa nutzte den Vorteil im Qualifying und schob sich mit einer starken Runde zwischen die beiden Red Bull von Daniel Ricciardo und Max Verstappen.

Am Sonntag ereilte den Brasilianer dann das Reifen-Pech. Auf einem guten sechsten Platz liegend zerstörte ein schleichender Plattfuß alle Hoffnungen auf ein starkes Ergebnis. Massa musste zum zweiten Mal in die Box und fiel auf Rang neun zurück. Von da aus ging nicht mehr viel.

Platz 8, Max Verstappen: Der jüngste GP-Sieger aller Zeiten fuhr ein ereignisloses Rennen. Action? Erlebte er nur vor dem Start - und das unfreiwilligerweise. Ein Wasserleck brachte die Red-Bull-Ingenieure am Sonntagmittag nämlich fast zur Verzweiflung. Nach langem Herumtüfteln montierten die Mechaniker ein Provisorium, von dem niemand wusste, ob es seinen Zweck erfüllen würde.

Zu Verstappens Glück hielt die Notlösung und er konnte sein Rennen zu Ende fahren. Beeindruckend war dabei, dass er sich von dem Defekt-Stress nicht ablenken ließ, Massa am Start kassierte und anschließend seinen Stiefel locker runterfuhr. Mehr als Platz fünf ist für den Red Bull aktuell nicht drin.

Platz 9, Carlos Sainz Jr.: Der Spanier war durch die Grid-Strafe, die er für seinen Crash mit Lance Stroll in Bahrain aufgebrummt bekam, gehandicaped. Trotzdem fuhr er seinen Toro Rosso von Platz 14 startend in die Punkte und betrieb damit maximale Schadensbegrenzung. "Wir haben heute alles richtig gemacht. Angefangen vom Start, der ersten Runde, dem Boxenstopp und der Strategie", resümierte Sainz anschließend zufrieden.

Platz 10, Daniil Kvyat: Wirklich brilliert hat der Russe bei seinem Heimspiel nicht. Doch weil sich ein Großteil seiner Fahrer-Kollegen nicht besser anstellte oder wegen frühen technischen Defekten nicht bewertet werden kann, bekommt er ein Pünktchen im Driver-Ranking zugeschrieben.

Darüber hinaus muss man zugestehen, dass Toro Rosso nicht die beste Strategie für Kvyat wählte. Sein Reifenwechsel war so ungünstig getimed, dass er genau vor der Spitzengruppe auf die Strecke zurrückkehrte. Das Ergebnis: Überrundungsmanöver, die den Lokalmatador immer wieder zur Schleichfahrt zwangen. Gegen Rennende zeigte Kvyat, der 2016 in Sotschi seinen letzten Grand Prix für Red Bull gefahren war, dann bei freier Fahrt ein gutes Tempo.

Härtefall, Lewis Hamilton: Der amtierende Vizeweltmeister wurde an diesem Wochenende nicht einfach nur geschlagen. Er wurde fast schon demontiert. Über fünf Zehntel Rückstand im Qualifying und 36 Sekunden Differenz bei der Zielankunft im Rennen sprechen eine klare Sprache. Von der berühmt-berüchtigten Hammer-Time war in Sotschi nichts zu sehen.

Hamilton kam über das ganze Wochenende hinweg auf keinen grünen Zweig, die Symbiose zwischen Silberpfeil und ihm fand nie statt. Immer wieder verbremste sich der Engländer, immer wieder haderte er vor allem mit dem letzten Sektor. Das Problem: Hamilton bekam seine Reifen praktisch nie ins Arbeitsfenster. Offenbar vergriff er sich im Gegensatz zu Teamkollege Bottas beim Setup.

Allerdings muss man den 54-maligen GP-Sieger auch in Schutz nehmen. Denn erst zickte das Zylinder-System, dann überhitzte sein Auto. Mercedes wurde am Renntag von den verhältnismäßig hohen Temperaturen überrascht. "Ich hätte mit den anderen mithalten können, aber so musste ich um mindestens eine Sekunde pro Runde langsamer fahren", erklärte Hamilton. Bottas blieben bei freier Fahrt etwaige Sorgen erspart.