Bis zum Finale hatte die Mannschaft von Rinus Michels (denn der war inzwischen holländischer Nationaltrainer geworden) sechs Spiele bestritten, fünf Siege und ein Unentschieden erzielt und nur ein einziges Tor kassiert. Ein Eigentor. Torverhältnis 14:1, abgefertigt wurden dabei Größen wie Argentinien (4:0) und Brasilien (2:0). Und dann kam Deutschland.
Cruyff wie ein Spüllappen
Trotz des Heimvorteils hatte die deutsche Mannschaft nur durchwachsen gespielt und bekanntlich in der Vorrunde sogar das Bruderduell gegen die DDR verloren. Aber wie schon gegen die Ungarn und ihren Spielmacher Hidegkuti zwanzig Jahre zuvor hatte der deutsche Bundestrainer Helmut Schön auch für Cruyff die typisch deutsche Antwort: Manndeckung. Und zwar durch Berti Vogts.
In der ersten Minute lief Cruyff Vogts davon und wurde von Uli Hoeneß knapp vor dem Strafraum gefoult. Der englische Schiedsrichter Taylor entschied trotzdem auf Strafstoß und die Holländer führten mit 1:0. Danach ließ sich Cruyff von Vogts allerdings aus dem Konzept bringen und Deutschland siegte mit 2:1. Cruyff spielte, in den Worten seines Bruders Hennie, "wie ein Spüllappen".
Das mag auch daran gelegen haben, dass eine deutsche Boulevard-Zeitung am Tag vor dem Spiel von Partys der holländischen Spieler am Hotelpool berichtete. Inklusive Champagner und nackten Mädchen. Die Nacht vor dem Finale verbrachte Cruyff am Telefon und beschwor seine Frau Denny, dass die Story erfunden sei.
Angeblich war dieser Zeitungsbericht sogar der Grund, warum Cruyff vier Jahre später auf eine Teilnahme an der WM in Argentinien verzichtete. Die Niederländer belegten wieder Platz zwei.
Genauso erfolgreich als Trainer
Das holländische System, der "Voetbal Total" lebte jedoch weiter, auch nach Cruyffs Karriereende (nach einigen Jahren in den USA und einem triumphalen Comeback in Holland). 1985 übernahm er seinen Ex-Klub Ajax als Trainer und führte das weiter, was ihn seit den 60er Jahren erfolgreich gemacht hatte.
Und auch Hollands Nationalteam, das 1988 den Europameistertitel holte, hatte an den Prinzipien der Cruyff-Zeit festgehalten. Kein Wunder, der Trainer hieß schließlich wieder Rinus Michels. Cruyff selbst zog es bald zu seinem anderen Ex-Klub nach Barcelona, wo er als Coach von 1991 bis 1994 vier Meisterschaften in Folge holte und eine Mannschaft formte, von der Fußballästheten bis heute schwärmen - und die "Voetbal Total" spielte.
"Cruyff hat immer Recht"
Cruyff war allerdings auch als Coach noch ein schwieriger Charakter. Der frühere Ajax-Spieler Johnny Bosman beschrieb ihn so: "Cruyff denkt, dass er immer Recht hat. Und das Seltsame dabei ist, er hat immer Recht." Tja, Perfektionismus ist bisweilen schwer zu ertragen, weshalb Frank Rijkard vor dem Trainer Cruyff nach Mailand floh und der frühere Bundesligaprofi Gerald Vanenburg seine Zeit als Spieler unter Cruyff so zusammenfasste: "Wenn ich zurückschaue, dann habe ich eins gelernt: Wie man es nicht macht."Und auch in seiner Dritt-Karriere als Fernsehexperte war Cruyff ganz der Alte geblieben. Immer noch wusste er alles besser und sorgte so zumindest nicht für Langeweile in den niederländischen Wohnzimmern. Bayerns neuer Trainer Louis van Gaal dagegen, an dem der große Zampano nie auch nur ein gutes Haar ließ, zählt nicht gerade zu den Freunden Cruyffs.
Noch immer modern
Viele Prinzipien von "Fußball Total" haben die Jahrzehnte überstanden. Pressing, Rochaden, das Spielfeld bei Ballbesitz breit und bei gegnerischem Ballbesitz eng zu machen, all das gehört heute zum Standardrepertoire. Und wer Barcelonas Champions-League-Triumph miterlebt hat, der erkennt auch im Passspiel der Katalanen noch die holländischen Wurzel.
Welch Wunder, schließlich wurde Barcas Coach Pep Guardiola von einem gewissen Johan Cruyff entdeckt und geprägt. "Voetbal Total" war in den 70er Jahren moderner Fußball. Und ist es heute immer noch.
Johan Cruyff war ein herausragender Spieler, der auch als Trainer sehr erfolgreich war. Arrigo Sacchi dagegen war als Spieler völlig talentfrei. Kein Problem, so Sacchi: "Ein Jockey muss schließlich auch nicht als Pferd geboren worden sein." Sacchi stellte die Fußballwelt trotzdem total auf den Kopf. Wie er das machte, erzählen wir am Samstag...
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