Nach dem Fußball ist vor der EM

Benno Seelhöfer
30. Dezember 201613:39
Das Jahr 2016 bot alles, was das Fußball-Herz begehrtegetty
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Das Jahr 2016 ließ sämtliche Fußball-Herzen höher schlagen. Von der überraschenden Meisterschaft der Foxes über eine formidable Europameisterschaft bis hin zur Geburt von Sepp Hundehuus war alles dabei. Und ganz nebenbei haben sich Sandro und Zlatan mit der ganzen Welt angelegt.

Januar

Messi mal schlicht

11.1.: Es gibt sie einfach, diese Glaubensfragen, in denen auch objektive Argumente einen Streit unmöglich beenden können. PES oder FIFA? Schalke oder Dortmund? Und natürlich: Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo - wer ist besser? Im Januar entschieden sich die Stimmberechtigten bei der Vergabe des FIFA-Ballon-d'Or für den Floh. Der konnte sich den Goldenen Ball damit zum fünften Mal schnappen und verwies seinen portugiesischen Dauerrivalen auf den zweiten Platz.

Das eigentliche Highlight der Gala? Lionel Messis feiner schwarzer Smoking. Sonst trug der kleine Mann gerne mal etwas auffälligere Zwirne auf. Pünktchen-Anzug und glänzendes Rot? Alles schon dagewesen. Fehlt nur noch Guido Maria Kretschmer, der seinen Senf dazugibt und irgendwelche Zahlen hochhält.

Was sonst noch los war:

16.1.: Der Pokal hat seine eigenen Gesetze? Testspiele auch. Bochum überrollte Gladbach 5:2 und dem KSC gelang mit einem 2:1-Sieg die Sensation gegen die Bayern.

Februar

Die Losfee als Präsident

26.2.: Große Besorgnis in Nyon! Die UEFA hat ein Krisenstab einberufen und muss sofort die dringendste aller Fragen klären: Wer soll denn jetzt die Champions-League-Auslosungen so charmant und glatzköpfig moderieren wie Gianni Infantino? Der ist ab sofort FIFA-Präsident und eine Doppelfunktion kam leider nicht infrage. Er war doch der Einzige, der stets wusste, wie sich die kleinen Plastik-Bällchen problemlos öffnen ließen.

Der ehemalige Generalsekretär trat damit die Nachfolge von Sepp Blatter an, der sich für sechs Jahre keiner Aktivität im Zusammenhang mit Fußball auf weniger als 20 Meter nähern darf. Gut für die FIFA: Viel schlechter als sein Landsmann wird es Infantino auch nicht machen. Gut für die UEFA: Auch ohne Infantino wird Bayern wie immer gegen Arsenal spielen.

Was sonst noch los war:

1.2.: Manchester City gab den Wechsel von Pep Guardiola in die bezaubernde englische Metropole offiziell bekannt. Frei nach Jürgen Klinsmann will der Coach bei seinem neuem Klub jeden seiner Spieler jeden Tag ein bisschen spanischer machen.

März

DFB alias Transparency International

4.3.: Wie war das denn jetzt eigentlich genau mit der WM 2006? Wer hat wem wann Geld überwiesen? Und warum eigentlich? Der DFB hat für schlappe fünf Millionen Euro die renommierte Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer beauftragt, diesen Fragen nachzugehen. Dabei ging es um ominöse Zahlungen und Franz Beckenbauers Verwicklungen in die ganze Geschichte.

Zwar veröffentlichten die Ermittler an diesem Tag den Freshfields-Bericht, doch wie genau die WM 2006 nach Deutschland geholt wurde, weiß bis heute keiner so genau. Außer eben den Beteiligten selbst, die sich nicht gerade als gesprächige Zeitgenossen entpuppten. Der Journalist Günter Klein brachte das Ganze sehr gekonnt auf den Punkt: "Eine Partie Memory zwischen Franz Beckenbauer und Wolfgang Niersbach wäre ein Desaster."

Was sonst noch los war:

5.3.: Einen Tag später stieg in der Bundesliga das absolute Topspiel: BVB gegen Bayern. Zweiter gegen Erster. Die beiden besten Offensiven gegeneinander. Das Ende? 0:0. Na, tolle Wurst.

April

Sandro gegen den Rest der Welt

23.4.: Die Bomben-Saison bei den Lilien hat einen schlafenden Riesen geweckt. Sandro Wagners Interviews haben mittlerweile fast so viel Kult-Potenzial wie die von Donis Avdijaj. Das bewies "Deutschlands mit Abstand bester Stürmer" an diesem denkwürdigen Tag einmal mehr. Denn der gute Sandro hält die Berufsgruppe der Fußballprofis für "teilweise unterbezahlt". "Gemessen an all dem, was man aufgibt, finde ich, dass auch die bei Bayern zu wenig verdienen - selbst zwölf Millionen oder so", sagte er der Bild.

Doch damit nicht genug: Im selben Atemzug erörterte er seine Leidenschaft für den Frauen-Fußball: "Ich finde, Frauen und Fußball, das passt nicht. Aber vielleicht finden die Damen auch meinen Spielstil schlimm - völlig in Ordnung." Die deutsche Übercorrectness ist für Sandro Wagner ein Fremdwort.

Was sonst noch los war:

6.4.: Im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gewann der VfL Wolfsburg 2:0 gegen Real Madrid. Schaut der gemeine Bundesliga-Fan derzeit auf die Tabelle, ist das kaum vorstellbar. Das Rückspiel verloren die Wölfe dann ja bekanntlich doch noch gegen Cristiano Ronaldo. Interessant dabei: Alle Viertelfinalspiele in der Saison endeten nach Hin- und Rückspiel 3:2, ein Novum in der CL-Geschichte.

Mai

Skandal-Wechsel Nummer drei

10.5.: "Was Mario Götze und Robert Lewandowski können, kann ich schon lange", dachte sich wohl Mats Hummels und komplettierte bis zur Götze-Rückkehr zwei Monate später das Trio, das sich so schnell nicht wieder in Dortmund blicken lassen sollte. Dabei sind eigentlich die Borussen die moralischen Gewinner. Schließlich ließen die Bayern ihren Nachwuchsspieler ziehen, setzten zu dem Zeitpunkt lieber auf Breno und holten Hummels dann für 35 Millionen Euro zurück. In München wurden schon klügere Entscheidungen getroffen, wenn auch nicht in Giesing.

Was sonst noch los war:

2.5.: Die Überraschung war perfekt! Durch ein 2:2 von Tottenham an der Stamford Bridge konnte Leicester City den Meistertitel auf der Couch bejubeln. Christian Fuchs und die restlichen Foxes feierten sicherlich fuchsteufelswild.

7.5.: So große Überraschungen bot die Bundesliga ihren Fans schon lange nicht mehr. Mit einem Sieg gegen Ingolstadt sicherten sich die Bayern zum vierten Mal in Folge und zum insgesamt 26. Mal die Schale.

21.5.: Im DFB-Pokal-Finale gewann der FCB gegen den BVB, sicherte sich das Double und Pep seinen letzten Titel mit den Bayern. Drei Meisterschaften und zwei Pokalsiege in drei Jahren lesen sich ja eigentlich ganz passabel. Aber irgendwas fehlte doch da...

28.5.: Das, was den Bayern fehlte, spielten die Madrilenen eine Woche später unter sich aus. Im Elfmeterschießen krönte CR7 die Königlichen dann tatsächlich zu Europas Königen.

29.5.: Alexander Gauland bestach mit Verbaldurchfall: "Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben." Und weiter führte der AfD-Vize seinen Fußballsachverstand aus: "Ich wusste auch gar nicht, dass er farbig ist." Der Politiker könnte sich wahrscheinlich sowieso kein Haus in Boatengs Nachbarschaft leisten.

Juni

Der Monat des Zlatan

7.6.: Lange mussten die Journalisten ausharren, Spekulationen über Spekulationen waren die logische Konsequenz. Doch der Tag, an dem sich alles aufklären sollte, schien endlich da zu sein. Zlatan Ibrahimovic lud zu einer Pressekonferenz ein, auf der er die Öffentlichkeit über seine Zukunftspläne informieren wollte. Jeder wollte wissen, zu welchem Klub es den Schweden im Sommer ziehen würde.

Doch Ibra stellte sein neues Modelabel vor und hielt damit alle Journalisten dieser Welt zum Narren. Auf Fragen, ob seine sportliche Zukunft denn in Manchester bei United liegen würde, antwortete der Stürmer der gelackmeierten Masse wohl vorbereitet: "Keine Sorge: Wenn ich mal in Manchester bin, werde ich auch dort meine Marke tragen. Ihr braucht noch etwas Geduld. Ich mag die vielen Geschichten über mich. Und wenn ich davon ermüdet bin, lasse ich es euch wissen." Am 30. dieses Monats verkündete er den Wechsel schmucklos via Twitter.

Was sonst noch los war:

10.6.: Nach dem Fußball ist vor der EM: Die Europameisterschaft in Frankreich wollte der fußballverwöhnten Masse die Sommerpause schmackhafter gestalten - vergeblich.

Juli

Tschüss EM

10.7.: Danke UEFA, für diese EM! Mit traumhaften Begegnungen wie Rumänien gegen Albanien oder Ukraine gegen Nordirland, dem unglücklichen DFB-Aus gegen Gastgeber Frankreich und einer sich zum Titel mauernden portugiesischen Elf hatte dieses Turnier wirklich alles in petto, was Fußball-Herzen höher schlagen lässt. Die Hooligans, die sich so ordentlich zu benehmen wussten, komplettierten dieses Potpourri des guten Geschmacks souverän. Die von Infantino vorgeschlagene WM mit 48 Teams kann nur gut werden.

Immerhin haben Will Grigg, der genau null Sekunden spielte, und die isländischen Fans die ganze Veranstaltung doch noch etwas aufgepäppelt. Außerdem konnten genügend Feingeister die Fußballfans mit stilsicheren Analysen überzeugen.

Eine Auswahl der besten EM-Sprüche:

Lukas Podolski zu Jogi Löws Aktivitäten während des Ukraine-Spiels: "In der Mannschaft ist das kein Thema. Ich denke, 80 Prozent von euch - und ich - kraulen sich auch mal an den Eiern."

Holger Stanislawski überzeugte als wortgewandter TV-Experte und beschrieb Belgiens Offensivtrio Kevin de Bruyne, Eden Hazard und Romelu Lukaku wie folgt: "Die drei gehören zusammen wie siamesische Zwillinge."

Xherdan Shaqiri über die Trikots der Schweizer, von denen im Spiel gegen Frankreich gleich sieben gerissen waren: "Ich hoffe, dass Puma keine Pariser macht."

Mario Götze über die Kritik zu seiner Person: "Mal ist man der Hund, mal der Baum."

August

Endlich! Wieder! Bundesliga!

26.8.: Die EM hat die Sommerpause gefühlt eher verlängert als verkürzt, doch am 26. August hieß es endlich wieder: Ran an den Speck. Das Wochenende bekam wieder einen Sinn. Doch in Bremen ging man diesen Tag sicherlich mit gemischten Gefühlen an, schließlich mussten die direkt zum Auftakt beim Meister ran. Schon Sebastian Prödl wusste: "München ist wie ein Zahnarztbesuch. Muss jeder mal hin. Kann ziemlich weh tun. Kann aber auch glimpflich ausgehen." Werder tat der Besuch dann doch eher weh - es setzte eine 0:6-Klatsche.

Was sonst noch los war:

5.-21.8.: Bei den Olympischen Spielen sprachen sämtliche Vorzeichen gegen die alles andere als eingespielte deutsche Elf, doch im Stile der legendären 1992er Dänen wussten die Deutschen abzuliefern. Die Finalniederlage gegen Brasilien war am Ende zwar ärgerlich, doch die Silbermedaille bleibt ein tolles Ergebnis.

9.8.: Manchester United holte für irrwitzige 105 Millionen Euro Paul Pogba und übertraf damit nicht nur die Bayern, die ihrerseits einen ehemaligen Jugendspieler für teuer Geld zurückholten, sondern auch Real Madrid, das zuvor mit den kostspieligen Transfers von Gareth Bale und Cristiano Ronaldo fragwürdige Bestmarken aufstellte.

14.8.: Bayern ließ dem BVB im Supercup keine Chance und setzte sich mit 2:0 durch.

September

The FA - Nachricht von Sam

27.9.: Da hat sich Sam Allardyce nach nur 68 Tagen als Englands Nationalcoach aber mal gekonnt ins Abseits befördert. Ziemlich blöd: Allardyce hat verdeckten Reportern in einem Interview Tipps zum Umgehen von Transferregeln gegeben, sich über seinen Vorgänger Roy Hodgson lustig gemacht, Nationalspieler verunglimpft, die FA als "dumm" tituliert sowie - und das ist das Allerschlimmste - Prinz William, der auch Präsident des Verbandes ist, kritisiert. Doppelt blöd: Die Reporter filmten den gesamten Rundumschlag heimlich und behielten ihn der Öffentlichkeit natürlich nicht vor.

Hoffentlich bereut die FA nicht, dass sie "Big Sam" haben gehen lassen. Seine Siegquote als Nationalcoach ist mit 100 Prozent schließlich makellos. Zugegeben, bei nur einem Spiel ist das auch nicht so schwer.

Was sonst noch los war:

9.-11.9.: Wie?! Das war erst der zweite Bundesliga-Spieltag? Der Länderspielkalender hat die von Entzugserscheinungen geplagten Bundesliga-Fans mit einer Pause direkt nach dem ersten Spieltag verwöhnt. Doch das war nur Recht, schließlich durfte die DFB-Elf gegen die Top-Teams aus Finnland und Norwegen ihre Qualitäten unter Beweis stellen. Fußball-Herz, was willst Du mehr?

18.9.: Irgendwen trifft es eben immer. Mit Viktor Skripnik musste der erste Bundesliga-Coach schon nach dem dritten Spieltag seine Koffer packen. Der Ukrainer startete die Saison bereits mit einem Kredit im einstelligen Prozentbereich und drei Niederlagen zum Start verbesserten seine Position nicht wirklich. Für ihn übernahm Alexander Nouri.

Oktober

Schalke kann es noch

2.10.: Ein riesiger Hype! Die Königsblauen präsentierten mit Christian Heidel und Markus Weinzierl ein Führungsduo, das endlich eine rosige Zukunft auf Schalke einläuten sollte. Dazu gesellte sich beispielsweise mit Breel Embolo und Nabil Bentaleb Neuzugänge, die Schalkes Ambitionen vom Namen her zu unterstreichen wussten.

Nach fünf Spieltagen wich der Hype dann aber endgültig Ernüchterung. Christian Heidel nahm das böse A-Wort, in den Mund, das auf Schalke schon lange keiner mehr gehört hatte. Gegen Gladbach feierte der Tabellenletzte am sechsten Spieltag dann doch den ersten Sieg und ließ die eigenen Fans aufatmen, während sich die der Fohlen vermutlich dachten: "Warum denn ausgerechnet gegen uns?"

Was sonst noch los war:

21.10.: Die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur kürte Peter Stöger zum Titelträger. Er lieferte den Fußballspruch des Jahres: "Ich habe dem Linienrichter meine Brille angeboten. Aber auch das hat er nicht gesehen."

November

Gestatten, Sepp Hundehuus

14.11.: Ein Kandidat bei "Wer Wird Millionär" wusste es ganz genau. Oder auch nicht. Wie heißt denn nun der Coach der Roten Bullen aus Leipzig? Ralph Hasenhüttl? Nein. Der Name klinge ihm nicht logisch genug. Folglich konnte es nur Sepp Hundehuus sein. Der junge Mann hat sich mit diesem Fußballsachverstand und dem konsequenten Ignorieren der Joker bei absoluter Ahnungslosigkeit seinen Platz in zahlreichen Jahresrückblicken gesichert. Selbstredend auch in diesem, aber das nur, weil es sich um eine Fußballfrage handelte - zum Glück!

Was sonst noch los war:

11.11.: Karnevalsstart? Grund genug für die Kölner das wohl beste Training des Jahres zu veranstalten. Die Geißböcke probten da schon für die Champions League und gaben sich "spürbar arrogant", wohl wissend, dass der dritte oder vierte Platz nach 16 absolvierten Spielen gar nicht so unrealistisch scheint.

Dezember

Stühlerücken in der Bundesliga

11.-13.12.: In diesen Tagen war nichts zu spüren von vorweihnachtlicher Kuschelatmosphäre in der Bundesliga. Erst verkündete der HSV die Ablösung von Dietmar Beiersdorfer durch Heribert Bruchhagen, der sein gemütliches Plätzchen in der Sky-Expertenrunde neben dem episch eloquenten Lothar Matthäus gegen den Schleudersitz beim HSV eintauschte. Am nächsten Tag musste auch Klaus Allofs unmittelbar nach der VfL-Weihnachtsfeier seine sieben Sachen packen und zu guter Letzt trat HSV-Aufsichtsratschef Klaus Gernandt zurück, der als Grund "bewusste Indiskretionen innerhalb unseres Gremiums" anführte. Bereits am 5. Dezember hatte auch Darmstadt Holger Fach und Norbert Meier entlassen.

Was sonst noch los war:

10.12.: Leipzig kassierte am 14. Spieltag die erste Bundesliga-Niederlage der noch jungen Vereinsgeschichte.

12.12.: Cristiano Ronaldo sicherte sich den Ballon d'Or, der jetzt nur noch von der Zeitschrift France Football vergeben wird und nicht mehr in Kooperation mit der FIFA. Es könnte also doch sein, dass Lionel Messi zusammen mit CR7 sein eigener Nachfolger wird, falls er die Konkurrenzveranstaltung, die von der FIFA durchgeführte Wahl zum Weltfußballer, gewinnen sollte. Oder so ähnlich.

20.+21.12.: Skandalöse Liga-Planung! Der letzte Spieltag des Jahres war nicht der 17., sondern der 16. Den Herbstmeister kürt die Bundesliga daher erst im Januar. Und der glückliche Sieger darf diesen äußerst wertvollen Titel dann auch nur für eine Woche tragen.

21.12.: Nach seiner Ablösung wurde dann auch sein Abschied beschlossene Sache: Dietmar Beiersdorfer verließ den HSV endgültig.

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