Gegen das Establishment

Jonas Rütten
01. Dezember 201709:59
Die A-Jugend der DJK Arminia Klosterhardt spielt das erste Mal in der Vereinsgeschichte im Konzert der ganz Großen mitDJK Arminia Klosterhardt
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Einmal Bundesliga spielen. Für die meisten Fußballer bleibt es der viel zitierte Kindheitstraum. So war das auch lange Zeit für die Teilzeit-Kicker bei der DJK Arminia Klosterhardt. Doch seit dieser Saison finden mit dem BVB, Schalke 04 und dem 1. FC Köln die ganz Großen den Weg in den kleinen Oberhausener Stadtbezirk. Die A-Jugend des Amateurvereins schaffte den Sprung in die höchste Spielklasse - und probt dort Woche für Woche den Aufstand gegen das Nachwuchs-Establishment.

Zwei Jahre ist es her, da versuchte sich schon einmal ein Außenseiter in der höchsten Junioren-Spielklasse Deutschlands - und ging dort gnadenlos unter. Damals schaffte die kleine TSG Sprockhövel sensationell den Aufstieg in die A-Junioren Bundesliga und beendete die Saison mit gerade einmal acht Punkten aus 26 Spielen und 88 Gegentoren als abgeschlagener Tabellenletzter.

Vor der für den Verein historischen Spielzeit war sich der damalige Trainer Patrick Rohde über die Rolle, die seine Jungs spielen werden, durchaus bewusst: "Wir wissen, dass das hier eine einmalige Geschichte ist." Was sollte ein Grundschullehrer, der sieben Jahre lang für die Jugendabteilung des VfL Bochum gearbeitet hat und weiß, wo der Hase auf diesem Niveau lang läuft, auch anderes sagen.

463 Tage nach dem Abstieg der TSG und knapp 60 Kilometer in nordwestlicher Richtung ist es wieder ein Grundschullehrer im Traineramt, der mit dem Unterbau einer Amateurmannschaft das Nachwuchs-Establishment im Westen aufmischen will. Die Parallelen zwischen Sprockhövel und der DJK Klosterhardt liegen auf der Hand.

Doch der Anspruch im Unterbezirk der Stadt Oberhausen scheint ein ganz anderer zu sein: "Ich bin bestimmt nicht nach Klosterhardt gekommen, um mit meinen Jungs als Touristen die Bundesligaplätze anzugucken", stellte Robin Krüger, der die U19 des Revierklubs im Sommer übernommen hatte, in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung klar.

Robin Krüger kam vor der Bundesliga-Saison nach Klosterhardt und will mit seinen Jungs aus der Rolle des Außenseiters das Maximale rausholenDJK Arminia Klosterhardt

DJK Arminia Klosterhardt: Der Golf unter den Ferraris

Dass der Aufenthalt des Amateurvereins in der Bundesliga aber weit mehr werden würde als ein Touri-Ausflug, zweifelten fast alle außerhalb der Grenzen des Oberhausener Außenbezirks an. Zu groß erscheinen mittlerweile die Unterschiede zwischen den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten und den Trainingsmöglichkeiten der kleinen Vereine aus der Umgebung.

Zwar gibt es am Hans-Wagner-Weg in Klosterhardt keine Entmüdungsbecken in den Kabinen oder gar einen vollausgestatteten Fitness-Raum für die Spieler, doch die Nachwuchsförderung der DJK Arminia genoss im Ruhrgebiet schon immer einen guten Ruf. Nicht umsonst findet die Auszeichnung der Sepp-Herberger-Stiftung im Jahr 1985 für besondere Verdienste in der Jugendarbeit noch heute prominente Erwähnung in den Vereinschroniken.

Dennoch weiß Krüger um die absolut unterschiedlichen Voraussetzungen, unter denen seine Jungs es mit dem Bundesliga-Nachwuchs aufnehmen müssen, wenngleich er Klosterhardt für einen Verein im oberen Amateurbereich als sehr "gut aufgestellt" sieht. Um die dennoch ersichtlichen Unterschiede zu kompensieren, hat der 28-Jährige Übungsleiter aber eine ganz einfache Lösung parat: "Wenn man mit einem Golf gegen einen Ferrari fahren möchte, dann muss man halt die Strecke sehr gut kennen und vielleicht ab und zu auch mal ein Verkehrsschild umdrehen oder Abkürzungen kennen. Dann hat man vielleicht eine Chance."

Klosterhardts Bundesliga-Aufstieg: (K)ein Wunder

Mit Chancen wissen sie in Klosterhardt offensichtlich ganz gut umzugehen: So groß wie in der vergangenen Saison war die Gelegenheit selten, den Aufstieg in die Bundesliga zu packen. Schließlich waren die großen Namen der Umgebung schon längst dort angekommen. Dass ein Underdog in dieser Saison im Konzert der Nachwuchs-Bundesligisten mitspielen würde, ist also kein allzu großes Fußball-Wunder.

Aber dass es ausgerechnet die DJK Arminia Klosterhardt ist, damit hätten die Wenigsten gerechnet. Denn eigentlich war die Niederrheinliga für die U19 immer das höchste der Gefühle gewesen, ganz im Gegensatz zu den letztjährigen Konkurrenten Fortuna Düsseldorf, dem 1. FC Mönchengladbach oder dem KFC Uerdingen. Von Zufall wolle Krüger aber nicht reden: "Der Klub hat sich durch seine kontinuierlich gute Nachwuchsarbeit seit Jahren in der Niederrheinliga etabliert", begründet der Trainer den größten Erfolg der Vereinsgeschichte im Interview mit 11Freunde.

Tatsächlich hatte die Arminia zum richtigen Zeitpunkt zwei hochtalentierte Jahrgänge und in Trainer Marcus Behnert und seinem Co Ahmed Mohamad ein Gespann an der Seitenlinie, dass herausragende Arbeit leistete. Das bescheinigt Jugendleiter Andreas Arold dem damaligen Trainerstab noch heute. Der Aufstieg sei für den ehrenamtlichen "Allrounder" der Arminia aber dennoch ein Stück weit glückliche Fügung gewesen.

Zumindest was das Endspiel um die Niederrheinliga-Meisterschaft gegen den FC Kray angeht, liegt Arold mit seiner oft bemühten "glücklichen Fügung" nicht gänzlich daneben. Schließlich entschied ausgerechnet ein Eigentor den Aufstiegskrimi zugunsten der DJK.

Krüger folgt auf Behnert: Die Scouting-Maschine

Auf die Sensation folgte am Hans-Wagner-Weg eine kurze, aber intensive Zeit des Umbruchs: Aufstiegs-Trainer Behnert wurde gemeinsam mit Co-Trainer Mohammad zur ersten Seniorenmannschaft beordert. Kapital aus dem herausragenden Nachwuchs schlagen, lautet die langfristige Devise in Klosterhardt. Sein Nachfolger Krüger ist jedoch trotz seiner 28 Jahre bei weitem kein unbeschriebenes Blatt.

Schon mit 19 Jahren trainierte er als Co die U19 von Rot-Weiß Essen, interimsweise sogar als Chef und wechselte später als Inhaber der A-Lizenz in den Betreuerstab der Regionalliga-Mannschaft. Allerdings gab es laut Krüger "unterschiedliche Vorstellungen" zwischen beiden Seiten. So richtig im Unguten sei es damals nicht auseinander gegangen, jedoch war für Krüger klar, "dass ich im Nachwuchsbereich entweder B- oder A-Junioren Bundesliga trainieren will. Aber das hat mir Rot-Weiß Essen nicht zugetraut."

Dass die Verantwortlichen von der Hafenstraße mit dieser Einschätzung nicht unbedingt einen goldenen Riecher hatten, zeigt Krüger mittlerweile eindrucksvoll mit Klosterhardt. Die DJK kommt erstaunlich gut in der Bundesliga zurecht, und das liegt in erster Linie an Krügers zeitaufwändiger Arbeit in der Sommerpause. Tagsüber der Job in der Grundschule, dazu noch das Fernstudium und den Rest des Tages auf Fußballplätzen oder in Gesprächen mit potenziellen Neuzugängen, die gut und gerne auch mal zwei bis drei Stunden gehen konnten.

Durch sein intensives Scouting hat Robin Krüger in Klosterhardt eine konkurrenzfähige Bundesliga-Truppe zusammengestelltDJK Arminia Klosterhardt

"Das waren schon lange Tage", verriet Krüger gegenüber SPOX: "Aber so ein Kader muss eben zusammenpassen." Auch aufgrund des eigenen Anspruchs schob er sein Studium für die Phase der Kaderzusammenstellung erstmal auf die lange Bank, schließlich lagen zwischen dem Aufstieg und dem geplanten Trainingsstart lediglich drei Wochen: "Damals hab ich mir gedacht: Lernen kann ich auch noch, wenn die Saison läuft."

Im Scouting-Fokus standen besonders die Spieler, die zwar großes fußballerisches Talent besitzen, allerdings in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten nicht berücksichtig wurden. Einige dieser Spieler wurden gar aus Eigeninitiative beim neuen Bundesligisten vorstellig. Dadurch stellte Krüger eine erstligataugliche Truppe zusammen.

Klatsche gegen 1. FC Köln ein Weckruf

Das spiegelt sich mittlerweile auch in den Liga-Ergebnissen wider. Die Ansage von Krüger vor Beginn der Saison, man wolle für jeden Gegner eklig sein, trug zwar erst in den vergangenen Wochen punktemäßig Früchte, doch knapp war es mit Ausnahme der Partie gegen den 1. FC Köln und den FC Schalke 04 immer. Im Rückblick kann der Übungsleiter der 0:9-Klatsche aber auch etwas Gutes abgewinnen: "Da waren wir noch weit weg von Bundesliga-Niveau. Nicht unbedingt körperlich, aber mental." Von da an hätten seine Jungs aber stets weniger herausbekommen, als verdient gewesen wäre. Der historische erste Bundesliga-Dreier sollte erst gegen Rot-Weiß Oberhausen fallen. Ausgerechnet im Derby gegen den großen Stadtrivalen.

"Das war sicherlich neben dem Köln-Spiel einer der Wendepunkte. Da haben sich die Jungs endlich belohnt", analysiert Krüger den bisherigen Saisonverlauf. Aktuell steht Klosterhardt sogar über dem Strich. Ein weiteres Jahr in der Bundesliga scheint daher zu diesem Zeitpunkt kein absolutes Ding der Unmöglichkeit.

A-Junioren Bundesliga: Schattenseiten eines Traums

Allerdings hat der Abstecher des Amateurvereins in die Bundesliga auch seine negativen Begleiterscheinungen. In vielen lokalen Zeitungsartikeln war im Vorfeld des Aufstiegs zu lesen, wie lukrativ das Label "Bundesliga" für Klosterhardt doch sein könne. Jetzt, wo die DJK dort angekommen ist, fehlt Krüger für diese Sichtweise jegliches Verständnis: "Es stimmt einfach nicht, dass Vereine wie wir daran verdienen. Wir müssen uns trotz DFB-Förderung - ohne, dass ich die Bilanzen jetzt genau kenne - ganz schön strecken."

Ganz so falsch kann Krüger damit allerdings nicht liegen: Vom DFB bekommt Klosterhardt ca. 12.000 Euro, um die Mehrkosten zu decken. "Das hört sich erstmal nach viel an und Einige denken: 'Ja dann holt für das Geld zumindest einen vernünftigen Spieler und dann habt ihr am Ende immer noch 5000 Euro, die reinvestiert werden können'", bedauert Krüger die falschen Vorstellungen vom angeblichen Geldsegen der A-Junioren Bundesliga.

Dass aber jeder Bundesliga-Verein bereits vor der Saison eine Schiedsrichter-Pauschale im "ordentlichen vierstelligen Bereich" entrichten und für jedes Heimspiel einen Sanitätsdienst organisieren muss, gerät bei dem Wort "Bundesliga" schnell in Vergessenheit: "Rechne das mal 13 und dazu noch die weiten Auswärtsfahrten mit dem Bus. Wenn wir Plus Minus Null rausgehen, ist das trotz Sponsoren- und DFB-Unterstützung schon gut."

Eine andere Schattenseite ist für Klosterhardt die Auflage des DFB, dass ein Rasenplatz für den Bundesliga-Spielbetrieb notwendig ist. Den hat die Arminia allerdings nicht. Daher ist jedes Heimspiel für die DJK auf der benachbarten Anlage des BV Osterfeldt eigentlich auch ein Stück weit Auswärtsspiel. Zwar liegt der Platz gleich nebenan und "nur ein kleiner Hügel und ein Zaun trennen beide Vereine", allerdings sei das "trotzdem nochmal was anderes, auf der eigenen Anlage zu spielen", meint Krüger.

Der heimische Kunstrasenplatz ist aber immerhin als Zweitspielort gemeldet und Krüger hofft, dass es irgendwie doch noch zu einem echten Heimspiel kommt: "Ich drücke die Daumen, dass das Wetter irgendwann mal so schlecht ist, dass wir ein Spiel auf dem eigenen Platz haben. Das wäre für alle nochmal etwas Schönes."