Maximilian Beister im Interview: "Ich habe das Fußball-Business verachtet"

Jochen Rabe
28. Februar 201810:00
Maximilian Beister spielte in der Vergangenheit unter anderem für den Hamburger SV.getty
Werbung

Maximilian Beister spielt nach einem halben Jahr der Vereinslosigkeit seit Januar für den KFC Uerdingen. Im Interview spricht der 27-Jährige über die Entscheidung, in die Regionalliga zu wechseln, schwermütige Momente in seiner Karriere und seine Probleme mit den Entwicklungen im modernen Fußball.

Darüber hinaus erklärt der Offensivspieler, warum ihn die Arbeit für einen Traditionsverein mehr erfüllt, aus welchem Grund sein Engagement in Australien ein Reinfall war und welche Fehler er in den letzten Jahren gemacht hat.

SPOX: Herr Beister, ist der durchschnittliche Fußball-Profi zu eindimensional?

Maximilian Beister: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass du einen Profi heute in der Schublade vorgefertigt bekommst. Der Ruf nach Typen stirbt gerade aus. Es gibt kaum noch Spieler, bei denen man aneckt, die nicht immer Ja und Amen sagen. Mir war immer wichtig, meine Meinung zu sagen und die Hand heben zu dürfen, wenn in der Gruppe etwas falsch lief. Aber das ist heutzutage im Fußball schwierig.

SPOX: Welche falschen Entwicklungen können das sein?

Beister: Letztlich arbeitest du in einer Gruppe zusammen und alle sitzen in einem Boot. Du bist als Nummer eins genauso verantwortlich für den Erfolg wie als Nummer 25. Dessen muss sich jeder bewusst sein. Ich habe mich immer daran gestoßen, wenn Leute sich in Situationen nur abducken und den Mund nicht aufbekommen, in denen es laut wird.

SPOX: Gibt es das nicht in jeder sozialen Gruppe?

Beister: Ich habe das Gefühl, dass viele Leute im Fußball lieber gar nichts sagen, bevor sie sich die Finger verbrennen. Aber so kommt man als Mannschaft nicht voran. Wenn niemand kritisiert, führt das zu Stillstand und Stillstand führt immer zu einer Verschlechterung.

SPOX: Im Herbst gab es eine Diskussion rund um Nils Petersens Aussagen, im Fußball zu verdummen. Wie stehen Sie als jemand, der neben seiner aktiven Karriere mit einem abgeschlossenen Studium und mehreren Startups sehr breit aufgestellt ist, zu solchen Aussagen?

Beister: Ich bin ganz ehrlich: Ich stimme ihm da zu 100 Prozent zu.

SPOX: Wieso?

Beister: Natürlich wird nach außen immer gesagt, dass sich die Spieler weiterbilden dürfen und sollen, aber ich habe vor meiner Zeit in Krefeld auch Vereine erlebt, die das nicht gerne gesehen haben. Ich verstehe, dass du als Fußballer die Verpflichtung hast, deine Leistung auf dem Platz zu bringen und die Knochen für den Verein hinzuhalten. Dennoch sollte ein Fußballer immer das Recht haben, sich auf die Karriere danach vorzubereiten, unabhängig davon, in welchem Alter man sich befindet, weil man nie weiß, wann es vorbei ist. Und wenn ich dann nicht schon vorgesorgt habe, kann es gefährlich werden.

SPOX-Redakteur Jochen Rabe traf Maximilian Beister in Krefeld zum Interview.spox

SPOX: Wann hat sich diese Einstellung entwickelt?

Beister: Das kommt mit der Zeit. Während meiner langen Verletzung beim HSV habe ich gemerkt, dass es ganz schnell gehen kann. Du hast in so einer Phase zwar Reha, aber dennoch ist die Zeit da, andere Dinge zu machen. Unabhängig vom Kontostand bin ich der Meinung, dass du immer wissen solltest, was du machst, wenn du plötzlich aufhören musst. Deswegen habe ich damals für mich erkannt, dass ich nichts dem Zufall überlassen, sondern einen Plan B in der Hinterhand haben möchte.

SPOX: Neben Ihrer Karriere haben Sie sich mehrere Standbeine aufgebaut.

Beister: Das wird manchmal ein bisschen übertrieben dargestellt. Ich bin als Investor an Startups beteiligt, aber ich wirke da nicht im Daily Business mit. Mein Hauptberuf ist nach wie vor Fußballer und dem ordne ich alles unter. Aber trotzdem ist es für den Kopf gut, sich auch mit anderen Dingen auseinanderzusetzen und sein Wissen zu erweitern. Ich habe das Recht, mich als Gesellschafter an Firmen zu beteiligen und wenn ich dort Ideen unterstützen kann, tue ich das. Für mich ist es nicht erfüllend, wenn ich um 13 Uhr vom Training nach Hause komme, nur auf der Couch zu sitzen und Playstation zu spielen.

SPOX: Startups sind aber schon sehr zeitintensiv.

Beister: Deswegen gibt es festangestellte Geschäftsführer. Es war nie so, dass ich meinen Fokus komplett darauf gelegt hätte.

SPOX: Sie haben sich außerdem dazu entschieden, ein Sportmanagement-Studium zu absolvieren. Wie kam es dazu?

Beister: Es war ein Angebot, das über ein Jahr ging und sich perfekt mit den Trainingszeiten kombinieren ließ. Die Vorlesungen waren immer unter der Woche und erst abends um 18.30 Uhr. Insofern gab es da keine zeitlichen Überschneidungen. Jetzt kann ich in meinen jungen Jahren schon von mir sagen, dass ich zertifizierter Sportmanager bin. Ich habe im Studium auch Aspekte aus Vereinssicht gelernt, was heutzutage sehr wichtig für mich ist.

SPOX: War ein Ergebnis dessen auch Ihr Wunsch im letzten Sommer, den Vertrag in Mainz aufzulösen?

Beister: Ich wollte diese Fremdbestimmung nicht mehr haben. Ich war dort total abhängig. Ich wollte einen neuen Weg gehen und selbst bestimmen, wie ich meine fußballerische Karriere plane. Würde es mir nur um das Geld gehen, hätte ich meinen Vertrag auch aussitzen können, aber das war es mir nicht wert. Ich habe mich gefragt, was ich machen möchte und es hat sich erst jetzt im Januar etwas ergeben, was das Richtige für mich war.

SPOX: Warum ist der KFC Uerdingen "das Richtige"?

Beister: Es ist eine spannende Aufgabe, bei der man etwas von Null aufbauen kann. Einen Traditionsverein, der für Jahre von der Bildfläche verschwunden war. Das hat mich mehr gereizt als irgendwo ins Ausland zu gehen, wo man einfach nur seinen Stiefel runterspielt, weil die Vereine an ihrem sportlichen Maximum angekommen sind.

SPOX: Sind Ihre Erfahrungen der Vereinssicht hilfreich dabei, diese Potenziale zu erkennen?

Beister: Nein, denn man muss hier nicht zweimal hinschauen, um zu sehen, wie viel hier möglich ist. Durch das Studium habe ich eher gelernt, wie man diese Ziele erreicht. Es gibt die wirtschaftliche und die sportliche Komponente, aber auch einen ideellen Wert, wofür jeder Verein stehen will. Aber als erstes müssen wir sportlich überzeugen, dann kommen die Infrastruktur und das Ziel, unabhängig von Geldgebern wirtschaftlich auf eigenen Beinen zu stehen. Ich glaube, dass in den letzten Jahren einige unglückliche Entscheidungen getroffen wurden, weshalb auch die Stadt einen gewissen Zweifel hat. Dieses Vertrauen muss man sich zurückerarbeiten.

SPOX: In Ihrer Erklärung fiel das Wort Traditionsverein. Wie wichtig ist es Ihnen tatsächlich, dass es sich um einen solchen handelt?

Beister: Ich habe ja fast nur bei Traditionsvereinen gespielt. Das hat Vor- und Nachteile. Du hast immer ein großes Fanpotenzial. Wir hatten bei 1860, beim HSV, bei Fortuna Düsseldorf und jetzt auch hier in Uerdingen diese treue Fanbase, die seit Ewigkeiten zum Verein steht. Es macht Spaß, wenn man auswärts fährt und lautstark angefeuert wird. Gleichzeitig ist es aber auch eine große Herausforderung. Die Stimmungsschwankungen sind riesig, weil das Medienaufkommen und die Erwartungshaltung des Umfelds viel höher sind. Aber im Großen und Ganzen haben mir die Traditionsvereine mehr gegeben als kleinere Klubs wie Melbourne oder Mainz.

SPOX: Wie viel hat bei Ihrer Entscheidung für den KFC die geografische Komponente mit der Nähe zu Düsseldorf eine Rolle gespielt? Sie kommen zwar aus Lüneburg, aber Ihre sportlich beste Zeit hatten Sie bei der Fortuna.

Beister: Ich habe mich damals hier im Westen sehr wohl gefühlt und es sind ja auch nur 20 Minuten nach Düsseldorf. Aber ich habe mich bewusst dafür entschieden, mir eine Wohnung in Krefeld zu suchen, weil ich gar nicht den Eindruck erwecken will, dass ich das nur ein bisschen runterspiele und nur das schöne Leben genießen will. Für mich war wichtig: Wenn ich hierher komme, mache ich das nur mit 100-prozentiger Überzeugung. Natürlich hatte ich eine meiner besten Zeiten in Düsseldorf. Ich hatte bis zu meiner Verletzung auch eine sehr gute Phase beim HSV. Aber das hat keine große Rolle gespielt.

SPOX: Ihnen ist wichtig zu betonen, dass Uerdingen keine Alibi-Station ist.

Beister: Auf jeden Fall. Ich bin hier nicht hergekommen, um mich für etwas anderes zu empfehlen. Natürlich kann ich nicht wissen, was in zwei Jahren ist. Aber ich will alles dafür geben, hier etwas aufzubauen. Letztlich war für mich entscheidend, dass die Ziele, die sich der Verein setzt, realistisch sind. Die Voraussetzungen sind absolut gegeben, hier 2. Liga zu spielen. Das ist ja keine Fata Morgana. Krefeld ist kein 700-Mann-Dorf. Es ist schwierig und ambitioniert, aber auch sehr reizvoll.

SPOX: Bevor Sie den Schritt nach Krefeld gegangen sind, waren Sie ein halbes Jahr vereinslos. Können Sie konkretisieren, was Sie gemacht haben?

Beister: Ich habe erst einmal ein bisschen Groundhopping betrieben. Ich war viel in England, habe mir Premier League angeschaut und den Fußball aus einer anderen Perspektive gesehen. Neben meinem Training habe ich mir auch die Welt angeguckt. Das bleibt im Alltagsgeschäft auf der Strecke. Außerdem habe ich geschaut, was es neben dem Fußball für Jobs gibt. Für mich war klar, wenn ich bis zum 31. Januar nichts Attraktives finde, möchte ich nicht noch einmal ein halbes Jahr vereinslos sein. Ich möchte etwas haben, wofür ich gerne jeden Morgen aufstehe.

SPOX: Heißt das, Sie hätten Ihre Karriere in dem Fall beendet?

Beister: Wenn mich nichts überzeugt hätte, hätte ich meine Karriere beendet. Ich wollte mich nicht mehr zu Wechseln leiten lassen. Ich wollte nur noch etwas machen, womit ich mich identifizieren kann.

SPOX-Redakteur Jochen Rabe traf Maximilian Beister in Krefeld zum Interview.spox

SPOX: Sind Sie in einer Position, in der Sie sich diese Freiheit erlauben können?

Beister: Der Fußball hat sich gewandelt. Für viele geht es nur noch darum, wie viel Geld sie nach ihrer Karriere verdient haben. Aber das halte ich für Blödsinn. Ich habe doch auch nicht mit 14 gesagt, ich muss unbedingt schon in der C-Jugend 5000 Euro verdienen. Für mich stand Geld nie im Mittelpunkt.

SPOX: Aber ist es nicht dennoch ein Privileg, diese Entscheidung ohne finanzielle Sorgen treffen zu können?

Beister: Ich empfinde das als Privileg. Aber ich bin der Meinung, ich habe es mir verdient, mir auch mal eine Auszeit zu nehmen. Ich gebe zu, es gab eine Zeit, in der ich das Fußball-Business verachtet habe.

SPOX: Wieso?

Beister: Ich hatte das Gefühl, es geht nur noch um Zahlen, um Geld, um Bilanzen. Wenn ein Verein letztes Jahr Achter wurde und dieses Jahr Zehnter, gleichzeitig aber vier Millionen Euro mehr Umsatz gemacht hat, klopfen sich alle auf die Schulter und feiern. Da kommt mir das Sportliche zu kurz. Deswegen kam ich an den Punkt, an dem ich damit nichts mehr zu tun haben wollte, nur noch eine Zahl oder ein Produkt zu sein. Deswegen tat die Auszeit gut, um mich nicht in eine Abneigung gegen den Sport, den ich liebe, hineinzusteigern. Als das Angebot von Krefeld kam, habe ich mich bereit gefühlt. Ich möchte meine Karriere wieder positiv gestalten.

SPOX: Nach Ihrem Wechsel in die Regionalliga gab es in den sozialen Medien Spott. Wie gehen Sie damit um?

Beister: Es hat mich ja keiner gezwungen, da hinzugehen. Außerdem habe ich nicht einen einzigen Kommentar auf Facebook gelesen. Das wird mir zwar kein Mensch glauben, aber ich lege meine Hand dafür ins Feuer. Ich habe mir das abgewöhnt. Sicherlich gibt es Leute, die sagen, ich sei abgestürzt. Dann Bitteschön. Aber genauso würden einige liebend gerne mit mir tauschen.

SPOX: Ist es wohltuend an der Regionalliga, dass die Vermarktung des Sports nicht so im Mittelpunkt steht?

Beister: Ich hoffe, dass es so kommen wird. Ich kann nicht beurteilen, wie sich der Verein in den nächsten Jahren strukturell aufstellen wird. Aber momentan ist es hier schon so. Es riecht noch nach Tradition, alles ist sehr alt, sehr ursprünglich. Klar muss einiges renoviert werden. Aber ich hoffe, dass der Grundgedanke immer sein wird, den Fußball zu verbessern und nicht, eine große Marke zu schaffen.

SPOX: Sie betonen, wie viel es Ihnen gebracht hat, mehr von der Welt zu sehen. Ihren Wechsel nach Australien bezeichnen Sie im Nachhinein aber als Fehler. Warum?

Beister: Als ich angekommen bin, hat man mir keine sportliche Perspektive geboten. Nach sechs Wochen hat sich herausgestellt, dass der Trainer nicht wusste, was er mit mir anfangen sollte. Ich war nicht sein Spielertyp. Wenn man dann nur noch über Dritte mit mir kommuniziert, weiß ich, was los ist. Es war eine super Lebenserfahrung, aber rein sportlich war das ein Reinfall.

Maximilian Beister spielte ein halbes Jahr für Melbourne Victory.getty

SPOX: Die Entscheidung über den Wechsel mussten Sie auch sehr kurzfristig treffen.

Beister: Ich hatte gerade einmal zwei Tage Zeit. Das war schon ziemlich mutig. Es haben keine ausführlichen Gespräche stattgefunden, das geht so kurzfristig alles nicht mehr. Aber ich war in Mainz suspendiert und wollte meine Zeit nicht absitzen. Deswegen wollte ich mir dort etwas Neues aufbauen. Aber das funktioniert nur, wenn man die volle Unterstützung des Trainers hat.

SPOX: Wenn Sie über Ihre letzten Jahre nachdenken, gibt es Punkte, an denen Sie selbst Fehler gemacht haben?

Beister: Ich weiß zu 100 Prozent, was ich falsch gemacht habe.

SPOX: Und zwar?

Beister: Ich war rebellisch und bin zu sehr angeeckt. Ich hätte einfach mal meinen Mund halten sollen. Aber ich bin zu emotional und das hat man mir an meiner Körpersprache angesehen. Ich habe immer versucht, Probleme anzusprechen. Sicher hätte ich das ruhiger und sachlicher machen können.

SPOX: Kann man daran arbeiten?

Beister: Die Selbstkritik ist der erste Schritt. Aber komplett will ich mir das auch nicht nehmen lassen. Meiner Meinung nach muss es immer Reibungen geben, wenn man vorankommen will. Ich kann reinen Gewissens in den Spiegel schauen.

SPOX: Gibt es auch sportlich Bereiche, in denen Sie sich nicht so entwickelt haben, wie es Ihr Potenzial zugelassen hätte?

Beister: Es ist schwierig, wenn man so lange verletzt war. Man kämpft sich durch die Reha, steigt wieder ins Mannschaftstraining ein. Aber irgendwann muss man auch die Chance bekommen, sich zu beweisen. Wenn du ein Jahr verletzt bist, muss der Verein wissen, dass es nicht von heute auf morgen geht. Wenn man sich mal ganz brutal die Statistiken anschaut, stellt man fest, dass ich die wirklich faire Chance nie bekommen habe. Das klingt nach Wehleidigkeit, aber es ist die nackte Wahrheit.