Erik Stoffelshaus im Interview: "Keine Ergebnisse, keine Tabellen - das funktioniert!"

Erik Stoffelshaus' Karriereweg führte ihn bislang über Schalke nach Kanada und nach Russland.
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Warum sind Sie dann doch dem Ruf von Lok Moskau erlegen?

Stoffelshaus: Ich konnte mir das am Anfang, als die Anfrage von Präsident Ilya Gerkus kam, auch gar nicht vorstellen. Schon wieder maximal weit weg? (lacht) Ich war ja total zufrieden in Kanada und fühlte mich pudelwohl. Auch als ich mich entschloss, mir es wenigstens mal anzuschauen, war mein erster Eindruck ein Spiel gegen Achmat Grosny, vor 3500 Zuschauern und bei klirrender Kälte. Oh mein Gott! Aber als ich mir die Bedingungen genauer angeschaut habe, erkannte ich, welch großartige Voraussetzungen dieser Verein hatte, gerade in puncto Infrastruktur mit einer eigener Akademie oder auch einer eigenen Klinik. Aber trotzdem war der Verein nur Zehnter. Es hat mich gereizt, das umzudrehen, also habe ich nach langen Diskussionen der Geschichte eine Chance gegeben und Ja gesagt.

Der Plan ging auf. Sie haben unter anderem Jungs wie Jefferson Farfan ausgegraben und sind mit Lok Meister geworden. Und die Situation fühlte sich nach Schalke an, richtig?

Stoffelshaus: Richtig. Wir hätten fast genau den Vorsprung noch verspielt wie Schalke damals. Ich war ja ein gebranntes Kind und habe die ganze Zeit versucht, die Zügel noch mehr anzuziehen, damit wir das Ding nicht noch aus der Hand geben. Als wir den Titel nach Hause gebracht haben, war das für mich Erleichterung und Freude pur. Das war schon sehr speziell. Leider ist es aber jetzt in der Champions League total enttäuschend für uns gelaufen. Ich habe mich zwar sehr darüber gefreut, mit Schalke in eine Gruppe zu kommen, der Kreis hat sich für mich 20 Jahre später irgendwie geschlossen, aber auf der anderen Seite wusste ich, dass wir in dieser Gruppe weiterkommen können. Deshalb war es am Ende wirklich enttäuschend, wir sind in einigen Spielen völlig unter unseren Möglichkeiten geblieben und auch nicht so aufgetreten, dass ich damit gut leben konnte.

Das Kapitel Moskau haben Sie nun frühzeitig beendet. Was hat den Ausschlag gegeben?

Stoffelshaus: Grundsätzlich hat jede Entscheidung auch eine familiäre Komponente. Ich kann nicht ständig quer durch die Welt springen, die Familie muss das ja schon auch gut finden und mitmachen. Bei Lok war es so, dass ich nach der Meisterschaft und dem Pokalsieg schon das Gefühl hatte, dass ich nur noch ein Jahr machen möchte. Ich habe mich nach den großen Erfolgen in kurzer Zeit schwergetan, die nächste Herausforderung zu sehen. Auch wenn wir uns in Moskau sehr wohlgefühlt haben und es eine tolle Zeit war, ist die Entscheidung immer mehr gereift, dass wir uns ein neues Ziel suchen wollen. Als ich jetzt im Klub Tendenzen und Entwicklungen gesehen habe, hinter denen ich nicht mehr zu hundert Prozent stehen konnte, war für mich der richtige Zeitpunkt, um einer neuen Ausrichtung nicht im Wege zu stehen und zu gehen. Da muss man dann auch mal klare Kante zeigen.

Erik Stoffelshaus holte unter anderem Benedikt Höwedes zu Lok Moskau.
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Erik Stoffelshaus holte unter anderem Benedikt Höwedes zu Lok Moskau.

Stoffelshaus über seinen nächsten Job

Seitdem gab es einige Gerüchte um Ihre Person, so soll sich ManUnited mit Ihnen beschäftigt haben. Was muss der nächste Job denn haben, damit er für Sie interessant ist?

Stoffelshaus: Das ist eine gute Frage. Es ist nicht zwingend der Name des Klubs. Ich war ja im ersten Moment auch nicht Feuer und Flamme für Lok Moskau, weil ich gar keine Beziehung dahin hatte. Es geht darum, ein Projekt zu finden, das ich mit Leben füllen kann. Die Philosophie des Vereins muss entweder mit meiner übereinstimmen, oder der Verein muss noch auf der Suche nach einer Vision sein, die ich entwickeln kann. Und dann muss unbedingt ein Vertrauensverhältnis gegeben sein, wie ich es jetzt auch in Moskau mit dem Präsidenten hatte. Ich bin kein großer Freund von den Bewertungen von Transfermarkt, aber letztens hat mir der Präsident dargelegt, dass wir den Mannschaftswert in den zwei Jahren von 63 Millionen auf 111 Millionen gesteigert haben. Wir haben aber gleichzeitig auch die Marketing-Maschinerie angeschmissen, den Fans u.a. Live-Musik angeboten und so am Ende den Zuschauerschnitt fast verdoppelt. All das hat Moskau für mich spannend gemacht, so etwas suche ich. Einen Verein, bei dem das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, vielleicht auch einen Verein, der nicht da steht, wo er eigentlich der Wahrnehmung nach hingehört.

Sie haben neben Ihrer Tätigkeit in Moskau sogar noch den Master of Business Administration im Management an der Universidad Europea de Madrid gemacht. Wie kann man so verrückt sein?

Stoffelshaus: (lacht) Das geht wieder auf Kanada zurück, wo die Mentalität herrscht, ein Leben lang zu lernen. Davon habe ich mich anstecken lassen. Ich weiß noch, wie ich in Kanada am Wochenende selbst Fortbildungen angeboten habe und felsenfest davon überzeugt war, dass eh keiner kommen würde. Aber Pustekuchen, da waren ganz schnell 35, 40 Anmeldungen auf dem Tisch. Das Fernstudium war für mich das fehlende Puzzleteil. Solche Ideen entstehen, wenn du in Russland diese ewigen Flugreisen hast und kurz vor Chabarowsk froh bist, dich mit etwas anderem beschäftigen zu können. Ich habe auch da wieder viel gelernt. Ich denke außerdem auch, dass der Sportdirektor-Job der Zukunft weit darüber hinaus geht, Spieler zu kaufen und zu verkaufen. Das ist das Kerngeschäft, aber ein Sportdirektor muss beispielsweise auch eine Bilanz lesen können und die Gesamtzusammenhänge im Verein verstehen. Die erste Mannschaft ist immer der Leuchtturm, aber jeder Schritt, den ich dort gehe, hat direkte Auswirkungen auf alle anderen Bereiche. Diese Kettenreaktion gilt es immer zu bedenken. Für diesen Job reicht es nicht aus, dass du mal ein guter Fußballer warst.

Letzte Frage, welchen privaten Traum wollen Sie sich noch erfüllen auf der Weltkarte?

Stoffelshaus: Da gibt es viele Ziele. Es gibt so viel, was ich noch nicht gesehen habe, dass ich bei dem Gedanken immer etwas wehmütig werde. Neuseeland und Australien stehen weit oben auf meiner Liste, Afrika ist auch interessant und Nordamerika ist so groß, dass ich da immer noch weit davon entfernt bin, überall einen Haken setzen zu können. Ich war letztens zum ersten Mal im Bolschoi-Theater beim Ballett, das war auch sensationell. Manchmal liegen wunderbare Dinge auch direkt vor der Nase.