Im Interview mit SPOX und Goal spricht Fritsch erstmals ausführlich über seine verletzungsbedingte Odyssee und den körperlich wie psychisch schweren Kampf gegen das Karriereende.
Der zweimalige Deutsche U17-Meister erzählt zudem von seinen Trainingseinheiten unter Thomas Tuchel, der Hoffnung auf den Europa-League-Rekord und seiner gegenwärtigen Situation.
Herr Fritsch, 2014 und 2015 wurden Sie mit der U17 von Borussia Dortmund Deutscher Meister und galten als eines der größten Talente beim BVB. Nach Kreuzbandrissen in beiden Knien mussten Sie vor über zwei Jahren Ihre Karriere jedoch mit 19 Jahren beenden. Haben Sie bislang einmal öffentlich über Ihre Odyssee gesprochen?
Patrick Fritsch: Vor zwei Jahren einmal, überregional aber noch nicht. Ich bin also gespannt. (lacht)
Der BVB bot Ihnen nach dem Karriereende eine dreijährige Ausbildung an, die Sie nun im Bereich Internationalisierung absolvieren. Was ist darunter genau zu verstehen?
Fritsch: Es ist nach meiner Zeit als Fußballer sozusagen eine Umschulung über die Berufsgenossenschaft. Wenn man berufsunfähig wird, ist die Berufsgenossenschaft dafür zuständig, dass man wieder ins Berufsleben eingegliedert wird. Durch das Angebot des BVB war es glücklicherweise ein fast fließender Übergang für mich. Sonst wäre es wohl auch in diese Marketing-Richtung gegangen, nur dass ich mich bei weitaus weniger attraktiven Arbeitgebern hätte bewerben müssen.
Wie haben Sie mit dem Verein Übereinkunft darüber erzielt?
Fritsch: Ich hatte zusammen mit dem ebenfalls schwer verletzten Dario Scuderi Gespräche mit der BVB-Führung. Wir haben überlegt, wie man unser Schicksal in eine positive Richtung lenken kann, was uns beiden gefallen und vor allem auch dem Verein helfen würde. Bei den ausgeschriebenen Ausbildungsangeboten hat mich der Bereich Internationalisierung am meisten interessiert, das Marketing ist dabei untergegliedert.
Seit dem 1. August 2018 arbeiten Sie nun dort. Worum kümmern Sie sich genau?
Fritsch: Alles, was internationale Marketingmaßnahmen wie die Asien- oder USA-Reise betrifft, bereitet unsere Abteilung vor und führt durch. Wenn uns Sponsoren in Dortmund besuchen, bereiten wir die Planung des Aufenthalts und Durchführung der Maßnahmen vor. Es gibt auch einen täglichen Austausch mit den BVB-Büros in Singapur und Shanghai, die vor allem mit unseren Partnern aus Südostasien und China kommunizieren, so dass ich wiederum weiß, wie sie ticken und was während eines Aufenthalts bei uns Sinn ergibt. Ich durchlaufe auch jede Abteilung auf der Geschäftsstelle, das Hauptaugenmerk bleibt aber auf dem Marketing. Es ist sehr vielseitig und kein starrer Bürojob. Nebenbei gehe ich zweimal die Woche zur Berufsschule.
Ex-BVB-Talent Fritsch: "Sportlich aktiv werden ist undenkbar"
Zusätzlich sind Sie Teil des Trainerteams der Dortmunder U17. Wie kam das zustande?
Fritsch: Als ich mich für diese Umschulung entschied, fragte Lars Ricken, ob ich mir auch das Trainerdasein vorstellen könnte. Damals wollte ich aber etwas anderes machen, um einfach Abstand von allem zu gewinnen. Ich habe aber gemerkt, dass mir der Fußball fehlt und es mich dort hinzieht. Daher habe ich U17-Trainer Sebastian Geppert angeschrieben und gefragt, ob ich nicht zweimal die Woche eine Hospitation bei ihm machen könne. Zu ihm hatte ich einen guten Draht, denn ich war Teil seiner ersten Mannschaft, die er beim BVB trainierte.
Wie sieht dann also - sagen wir - ein handelsüblicher Dienstag bei Ihnen aus?
Fritsch: Es hat sich relativ schnell so entwickelt, dass ich jeden Tag wieder am Trainingsgelände war. (lacht) Die Bindung zur Mannschaft ist so einfach deutlich intensiver, um auch etwas Positives beitragen zu können. Nun beginne ich um acht Uhr mit der Arbeit im Büro, höre um 17 Uhr auf und um 18 Uhr geht das Training in Brackel los, wo ich an Vor- und Nachbereitung beteiligt bin. Gegen 20.30 Uhr fahre ich nach Hause. Wir haben erst zuletzt über meine Zukunft gesprochen. Alle beim BVB wissen, dass ich dem Fußball näherstehe als dem Bürojob. Der volle Fokus wird weiterhin auf der Ausbildung liegen, aber ich werde künftig Freiräume für die Trainerarbeit bekommen, damit es nicht mehr so zeitintensiv ist.
Wie steht es denn um Ihre Gesundheit?
Fritsch: Ich kann das normale Leben ohne Einschränkungen absolvieren und normal laufen. Sportlich aktiv werden und alles, was die Beine beansprucht, ist dagegen undenkbar. Radfahren oder etwas für den Oberkörper tun geht, aber ein längerer Spaziergang zum Beispiel ist nicht drin. Bei der U17 kommt es vor, dass ich mal ein paar Minuten gegen den Ball trete, aber das erledigt sich dann schnell von selbst. Mein Hauptproblem sind die Knorpel und die Innenseiten der beiden Knie. Es fühlt sich dann so an, als würde man mit einem Gummihammer auf einen Bluterguss hauen. Bei Belastung schwellen beide Knie an und es bildet sich Flüssigkeit in der Kniekehle.
Sie sollen auch einige Kilos durch Krafttraining zugenommen haben.
Fritsch: Nach dem Karriereende hatte ich sieben Monate Zeit, bevor die Ausbildung begann. Ich wusste nicht so recht, was ich mit mir anfangen sollte. Es war für mich nicht denkbar, dass ich vom einen auf den anderen Tag dieses Trainingsgelände nicht mehr betreten werde. Da ich eh immer trainiert habe, bin ich einfach weiter nach Brackel gegangen, ohne dort dann aber die Beine zu beanspruchen. Ein Jahr später hatte ich 25 Kilo mehr. Das ist für mich ein schönes Hobby, aber ich betreibe es weit nicht mehr so intensiv wie damals.
Fritsch: "Tuchel sagte nur: Mach's einfach so wie Dani Alves"
Lassen Sie uns zurückblicken: 2011 wechselten Sie vom FC Schalke in die Jugendabteilung der Borussia, spielten dort ab der Saison 2015/16 mit nur 16 Jahren bereits in der U19 und trainierten unter Thomas Tuchel immer wieder bei den Profis mit. Kurz darauf hätten Sie Geschichte schreiben können, als Sie Tuchel im Oktober 2015 in den Profikader für das Europa-League-Spiel bei PAOK Saloniki berief. Hätte er Sie dort eingesetzt, wären Sie der jüngste deutsche EL-Spieler aller Zeit geworden. Wie denken Sie daran zurück?
Fritsch: Das ging alles so richtig los mit meinem ersten Testspiel für die Profis gegen St. Pauli. Thomas Tuchel hat mir kurz vor der Abfahrt auf einmal gesagt, dass ich von Beginn an und als Rechtsverteidiger spielen werde. Er meinte nur: Mach's einfach so wie Dani Alves. Da ich zuvor noch nie auf dieser Position gespielt habe, verbrachte ich die ganze Busfahrt damit, mir Videos dazu anzuschauen. Anschließend waren alle inklusive mir zufrieden mit meiner Leistung, wenn auch zu Alves noch ein wenig gefehlt hat. (lacht)
Wie haben Sie dann wenig später davon erfahren, dass Sie in den EL-Kader rutschen würden?
Fritsch: Mein Trainer Hannes Wolf rief mich an und sagte, ich solle ans Handy gehen, wenn es demnächst klingelt. Man müsste nämlich noch einen Anzug für mich anfertigen. Ich habe zunächst gar nichts verstanden, doch dann eröffnete er mir, dass ich mit nach Thessaloniki fliegen werde. Ich weiß noch, wie sich die Anprobe des Anzugs ziemlich schwierig gestaltete, weil meine Hände die ganze Zeit gezittert haben. Ich hatte insgesamt gar keine Zeit, um mir darüber großartig Gedanken machen zu können. Mir war nur klar: Wenn ich spiele, dann gegen Dimitar Berbatov.
Dortmund schonte damals ein paar Spieler für das anstehende Spiel gegen Bayern München. Auf Ihrer Position in der Innenverteidigung hatten Sie an diesem Tag nur Neven Subotic und Matthias Ginter vor sich. Wie groß war insgeheim Ihre Hoffnung, dass Sie den Rekord knacken würden?
Fritsch: Sehr groß. Allerdings nicht wegen des Rekords, sondern weil diese Reise für mich eine Bestätigung und der erste echte Schritt Richtung Profis war. Es hat mich schon etwas gewurmt, dass ich nicht eingesetzt wurde und ich hätte natürlich gerne gespielt. Dennoch war es einer der sportlich schönsten Momente meiner kurzen Karriere.
Patrick Fritsch: Seine BVB-Karriere im Überblick
Mannschaft | Pflichtspiele | Tore | Vorlagen |
Borussia Dortmund U17 | 36 | 2 | 1 |
Borussia Dortmund U19 | 16 | - | 1 |