Um ein Haar wäre Patrick Fritsch von Borussia Dortmund der jüngste deutsche Spieler in der Europa League geworden - nur drei Jahre später musste der Innenverteidiger im Alter von nur 19 Jahren seine hoffnungsvolle Karriere beenden. Der BVB hat den bald 22-jährigen anschließend aufgefangen.
Im Interview mit SPOX und Goal spricht Fritsch erstmals ausführlich über seine verletzungsbedingte Odyssee und den körperlich wie psychisch schweren Kampf gegen das Karriereende.
Der zweimalige Deutsche U17-Meister erzählt zudem von seinen Trainingseinheiten unter Thomas Tuchel, der Hoffnung auf den Europa-League-Rekord und seiner gegenwärtigen Situation.
Herr Fritsch, 2014 und 2015 wurden Sie mit der U17 von Borussia Dortmund Deutscher Meister und galten als eines der größten Talente beim BVB. Nach Kreuzbandrissen in beiden Knien mussten Sie vor über zwei Jahren Ihre Karriere jedoch mit 19 Jahren beenden. Haben Sie bislang einmal öffentlich über Ihre Odyssee gesprochen?
Patrick Fritsch: Vor zwei Jahren einmal, überregional aber noch nicht. Ich bin also gespannt. (lacht)
Der BVB bot Ihnen nach dem Karriereende eine dreijährige Ausbildung an, die Sie nun im Bereich Internationalisierung absolvieren. Was ist darunter genau zu verstehen?
Fritsch: Es ist nach meiner Zeit als Fußballer sozusagen eine Umschulung über die Berufsgenossenschaft. Wenn man berufsunfähig wird, ist die Berufsgenossenschaft dafür zuständig, dass man wieder ins Berufsleben eingegliedert wird. Durch das Angebot des BVB war es glücklicherweise ein fast fließender Übergang für mich. Sonst wäre es wohl auch in diese Marketing-Richtung gegangen, nur dass ich mich bei weitaus weniger attraktiven Arbeitgebern hätte bewerben müssen.
Wie haben Sie mit dem Verein Übereinkunft darüber erzielt?
Fritsch: Ich hatte zusammen mit dem ebenfalls schwer verletzten Dario Scuderi Gespräche mit der BVB-Führung. Wir haben überlegt, wie man unser Schicksal in eine positive Richtung lenken kann, was uns beiden gefallen und vor allem auch dem Verein helfen würde. Bei den ausgeschriebenen Ausbildungsangeboten hat mich der Bereich Internationalisierung am meisten interessiert, das Marketing ist dabei untergegliedert.
Seit dem 1. August 2018 arbeiten Sie nun dort. Worum kümmern Sie sich genau?
Fritsch: Alles, was internationale Marketingmaßnahmen wie die Asien- oder USA-Reise betrifft, bereitet unsere Abteilung vor und führt durch. Wenn uns Sponsoren in Dortmund besuchen, bereiten wir die Planung des Aufenthalts und Durchführung der Maßnahmen vor. Es gibt auch einen täglichen Austausch mit den BVB-Büros in Singapur und Shanghai, die vor allem mit unseren Partnern aus Südostasien und China kommunizieren, so dass ich wiederum weiß, wie sie ticken und was während eines Aufenthalts bei uns Sinn ergibt. Ich durchlaufe auch jede Abteilung auf der Geschäftsstelle, das Hauptaugenmerk bleibt aber auf dem Marketing. Es ist sehr vielseitig und kein starrer Bürojob. Nebenbei gehe ich zweimal die Woche zur Berufsschule.
Ex-BVB-Talent Fritsch: "Sportlich aktiv werden ist undenkbar"
Zusätzlich sind Sie Teil des Trainerteams der Dortmunder U17. Wie kam das zustande?
Fritsch: Als ich mich für diese Umschulung entschied, fragte Lars Ricken, ob ich mir auch das Trainerdasein vorstellen könnte. Damals wollte ich aber etwas anderes machen, um einfach Abstand von allem zu gewinnen. Ich habe aber gemerkt, dass mir der Fußball fehlt und es mich dort hinzieht. Daher habe ich U17-Trainer Sebastian Geppert angeschrieben und gefragt, ob ich nicht zweimal die Woche eine Hospitation bei ihm machen könne. Zu ihm hatte ich einen guten Draht, denn ich war Teil seiner ersten Mannschaft, die er beim BVB trainierte.
Wie sieht dann also - sagen wir - ein handelsüblicher Dienstag bei Ihnen aus?
Fritsch: Es hat sich relativ schnell so entwickelt, dass ich jeden Tag wieder am Trainingsgelände war. (lacht) Die Bindung zur Mannschaft ist so einfach deutlich intensiver, um auch etwas Positives beitragen zu können. Nun beginne ich um acht Uhr mit der Arbeit im Büro, höre um 17 Uhr auf und um 18 Uhr geht das Training in Brackel los, wo ich an Vor- und Nachbereitung beteiligt bin. Gegen 20.30 Uhr fahre ich nach Hause. Wir haben erst zuletzt über meine Zukunft gesprochen. Alle beim BVB wissen, dass ich dem Fußball näherstehe als dem Bürojob. Der volle Fokus wird weiterhin auf der Ausbildung liegen, aber ich werde künftig Freiräume für die Trainerarbeit bekommen, damit es nicht mehr so zeitintensiv ist.
Wie steht es denn um Ihre Gesundheit?
Fritsch: Ich kann das normale Leben ohne Einschränkungen absolvieren und normal laufen. Sportlich aktiv werden und alles, was die Beine beansprucht, ist dagegen undenkbar. Radfahren oder etwas für den Oberkörper tun geht, aber ein längerer Spaziergang zum Beispiel ist nicht drin. Bei der U17 kommt es vor, dass ich mal ein paar Minuten gegen den Ball trete, aber das erledigt sich dann schnell von selbst. Mein Hauptproblem sind die Knorpel und die Innenseiten der beiden Knie. Es fühlt sich dann so an, als würde man mit einem Gummihammer auf einen Bluterguss hauen. Bei Belastung schwellen beide Knie an und es bildet sich Flüssigkeit in der Kniekehle.
Sie sollen auch einige Kilos durch Krafttraining zugenommen haben.
Fritsch: Nach dem Karriereende hatte ich sieben Monate Zeit, bevor die Ausbildung begann. Ich wusste nicht so recht, was ich mit mir anfangen sollte. Es war für mich nicht denkbar, dass ich vom einen auf den anderen Tag dieses Trainingsgelände nicht mehr betreten werde. Da ich eh immer trainiert habe, bin ich einfach weiter nach Brackel gegangen, ohne dort dann aber die Beine zu beanspruchen. Ein Jahr später hatte ich 25 Kilo mehr. Das ist für mich ein schönes Hobby, aber ich betreibe es weit nicht mehr so intensiv wie damals.
Fritsch: "Tuchel sagte nur: Mach's einfach so wie Dani Alves"
Lassen Sie uns zurückblicken: 2011 wechselten Sie vom FC Schalke in die Jugendabteilung der Borussia, spielten dort ab der Saison 2015/16 mit nur 16 Jahren bereits in der U19 und trainierten unter Thomas Tuchel immer wieder bei den Profis mit. Kurz darauf hätten Sie Geschichte schreiben können, als Sie Tuchel im Oktober 2015 in den Profikader für das Europa-League-Spiel bei PAOK Saloniki berief. Hätte er Sie dort eingesetzt, wären Sie der jüngste deutsche EL-Spieler aller Zeit geworden. Wie denken Sie daran zurück?
Fritsch: Das ging alles so richtig los mit meinem ersten Testspiel für die Profis gegen St. Pauli. Thomas Tuchel hat mir kurz vor der Abfahrt auf einmal gesagt, dass ich von Beginn an und als Rechtsverteidiger spielen werde. Er meinte nur: Mach's einfach so wie Dani Alves. Da ich zuvor noch nie auf dieser Position gespielt habe, verbrachte ich die ganze Busfahrt damit, mir Videos dazu anzuschauen. Anschließend waren alle inklusive mir zufrieden mit meiner Leistung, wenn auch zu Alves noch ein wenig gefehlt hat. (lacht)
imago imagesWie haben Sie dann wenig später davon erfahren, dass Sie in den EL-Kader rutschen würden?
Fritsch: Mein Trainer Hannes Wolf rief mich an und sagte, ich solle ans Handy gehen, wenn es demnächst klingelt. Man müsste nämlich noch einen Anzug für mich anfertigen. Ich habe zunächst gar nichts verstanden, doch dann eröffnete er mir, dass ich mit nach Thessaloniki fliegen werde. Ich weiß noch, wie sich die Anprobe des Anzugs ziemlich schwierig gestaltete, weil meine Hände die ganze Zeit gezittert haben. Ich hatte insgesamt gar keine Zeit, um mir darüber großartig Gedanken machen zu können. Mir war nur klar: Wenn ich spiele, dann gegen Dimitar Berbatov.
Dortmund schonte damals ein paar Spieler für das anstehende Spiel gegen Bayern München. Auf Ihrer Position in der Innenverteidigung hatten Sie an diesem Tag nur Neven Subotic und Matthias Ginter vor sich. Wie groß war insgeheim Ihre Hoffnung, dass Sie den Rekord knacken würden?
Fritsch: Sehr groß. Allerdings nicht wegen des Rekords, sondern weil diese Reise für mich eine Bestätigung und der erste echte Schritt Richtung Profis war. Es hat mich schon etwas gewurmt, dass ich nicht eingesetzt wurde und ich hätte natürlich gerne gespielt. Dennoch war es einer der sportlich schönsten Momente meiner kurzen Karriere.
Patrick Fritsch: Seine BVB-Karriere im Überblick
Mannschaft | Pflichtspiele | Tore | Vorlagen |
Borussia Dortmund U17 | 36 | 2 | 1 |
Borussia Dortmund U19 | 16 | - | 1 |
Das muss für einen 16-Jährigen alles ziemlich aufregend gewesen sein.
Fritsch: Absolut. Marco Reus hat mir vor der Abfahrt zum Flughafen die Krawatte gebunden, da ich das zuvor noch nie in meinem Leben tun musste. Später sah ich auf Fotos, dass sie eigentlich ziemlich schief saß. (lacht) Aufgrund der Fanfreundschaft zu PAOKs großem Rivalen Aris Saloniki, die auch in schwarzgelb spielen, ging es dann mit Polizeieskorte ins Hotel. Auch das Stadion war irgendwie einmalig. Dort herrschte eine unglaubliche Stimmung, wie ich sie selten erlebt habe.
Es heißt, Tuchel sei ein großer Fan von Ihnen gewesen und traute Ihnen eine große Karriere zu. Welche Beziehung hatten Sie zu ihm?
Fritsch: Ich habe mich bei seinem Training sehr wohlgefühlt. Ich glaube, dass ich da wie auch in den Testspielen gute Leistungen gezeigt habe. Es war ein Vorteil, dass die Beziehung und Kommunikation zwischen Tuchel und Wolf sehr gut waren. Meine Perspektive war gut, ich war auch immer relativ geduldig. Es ist nun einmal so, dass auf der Innenverteidigerposition eher selten Spieler einfach mal so hineingeworfen werden.
Wie sah Tuchels Rückmeldung Ihnen gegenüber grundsätzlich aus?
Fritsch: Es war ein ständiger Austausch. Für mich war er der richtige Trainer zum richtigen Zeitpunkt und es war eine riesige Erfahrung, mit ihm zusammen zu arbeiten. Ihm ging es weniger um taktische Inhalte, sondern vor allem darum, eine Bindung zu mir aufzubauen, so dass ich mich wohlfühle. Er wollte nicht nur erklären, was ich richtig oder falsch mache, sondern positive und lehrreiche Gespräche führen, um mein Spiel zu verbessern und mich als Persönlichkeit weiter zu entwickeln. Er ist ein fußballverrückter und positiver Mensch, über den ich ausschließlich Positives sagen kann.
Noch am Ende desselben Monats jedoch rissen Sie sich im Training der deutschen U17-Nationalelf bei der WM in Chile, zu der Sie nachnominiert wurden und auf einen Einsatz kamen, das vordere Kreuzband im linken Knie. Wie ist das genau passiert?
Fritsch: Wir trainierten auf einem Platz, der qualitativ einfach nicht gut war. Er war sehr trocken, gleich mehrere Spieler sind umgeknickt. In den letzten zwei, drei Minuten vor dem Abschlussspiel bin ich dann ohne Gegnereinwirkung beim Richtungswechsel im Rasen hängen geblieben. Mir war schnell klar, dass etwas Schlimmeres passiert ist, weil der Schmerz unbekannt war. An einen Kreuzbandriss habe ich aber nicht gedacht, doch das bestätigte sich noch am selben Abend.
Ex-BVB-Talent Fritsch: "Flick hat sich um mich gekümmert"
Wie sind Sie anschließend mit dieser Hiobsbotschaft umgegangen, nachdem gerade die Vorwochen so vielversprechend für Sie liefen?
Fritsch: Ich war sehr erschrocken und meine Enttäuschung war groß. Vor allem Hansi Flick, der damals Sportdirektor beim DFB war, hat sich anschließend sehr um mich gekümmert und mir zur Seite gestanden. Ich habe auch mit Hannes Wolf telefoniert. Er und auch Lars Ricken wussten, dass mich so etwas nicht aufhalten würde. Ich bin ein Typ, der nach Rückschlägen sofort wieder nach vorne schaut und sich neue Ziele setzt. Für mich war das nur wie ein kleiner Umweg. Es hört sich komisch an, aber ich wusste, dass ich dadurch auch besser werden kann.
Inwiefern?
Fritsch: Mir war bewusst, dass ich künftig Dinge trainieren kann, für die ich in einer normalen Trainingswoche gar keine Zeit hätte. Ich habe schließlich in der Schule ein Jahr lang pausiert und meine volle Konzentration auf die Reha gelegt. Ich war schnell besessen davon zu trainieren und es hat mir auch wirklich Spaß gemacht. Acht, neun Stunden am Tag verbrachte ich am Trainingsgelände. Man lernt seinen Körper in so einer Zeit ganz anders kennen. Ich habe mich anschließend dahingehend auch in vielen Bereichen sehr verbessert.
Anschließend fielen Sie die gesamte Saison aus, trainierten aber Anfang September 2016 auch wieder bei den Profis mit. Wie haben Sie sich damals gefühlt?
Fritsch: Meine Pause dauerte verhältnismäßig lange zehn Monate, aber ich habe mir bewusst viel Zeit genommen. Zur Vorbereitung auf die neue Saison konnte ich wieder trainieren, bei einem Testspiel mit der U19 stand ich erstmals wieder auf dem Feld. Ich bin insgesamt richtig gut wieder reingekommen und es war schnell wieder alles beim Alten. Ich habe mich besser gefühlt als zuvor, auch vom Kopf her.
Doch wie im Vorjahr war es kurz darauf und noch im selben Monat, als Ihnen beim Youth-League-Spiel gegen Real Madrid erneut ohne Fremdeinwirkung das Kreuzband ein weiteres Mal riss - diesmal im rechten Knie. Wussten Sie gleich, dass es wieder etwas Schlimmes sein würde?
Fritsch: Das war mir sofort klar. Es war eine ähnliche Situation wie beim ersten Mal. Ich musste im Vollsprint abbremsen und einen Richtungswechsel machen. Ich wusste zwar, dass die Wahrscheinlichkeit nach einem Kreuzbandriss relativ hoch ist, dass man sich auch am anderen Knie verletzen kann. Doch dass ich dann so schnell wieder bei null anfangen musste, nachdem ich dermaßen viel Zeit aufgebracht hatte, war enorm schwer zu verkraften. Mir war bewusst, dass das wieder ein brutaler Weg und viel Kraft kosten würde, um das durchzustehen. Dennoch hatte ich nicht eine Sekunde den Gedanken, dass damit ein mögliches Karriereende verbunden sein könnte.
Fritsch: "Am Ende waren auch die Ärzte ratlos"
Nur zwei Wochen zuvor erlitt Ihr Mitspieler Dario Scuderi auch in der Youth League in Warschau eine fürchterliche Verletzung: doppelter Kreuzbandriss, Außenbandriss, Meniskusschaden. Nach fast zwei Jahren trainierte er schließlich wieder bei der U23 mit, musste jedoch im vergangenen Jahr ebenfalls die Karriere beenden. Wie eng ist Ihre Beziehung?
Fritsch: Dieses Schicksal hat uns zusätzlich zusammengeschweißt und es tat damals gut, sich mit ihm als sozusagen Gleichgesinnten auszutauschen. Die meiste Zeit der Reha habe ich aber mit Janni Serra verbracht, der sich zwei Monate zuvor das Kreuzband gerissen hatte. Mit ihm bin ich quasi den kompletten Weg gemeinsam gegangen. Wir haben uns aus einer beschissenen Zeit eine eigentlich ganz coole gemacht.
Rund ein halbes Jahr später mussten Sie jedoch erneut operiert werden.
Fritsch: Vom Muster her war eigentlich die erste die schlimmere Verletzung. Doch leider nahm die zweite einen sehr merkwürdigen Verlauf, da ich nie schmerzfrei geworden bin. Ich konnte nie mehr machen als joggen. Da man dachte, dafür wären Innenmeniskus und Knorpel verantwortlich, wurde das in einer zusätzlichen OP behoben. Wir haben es später auch noch mit einer Kiefer- und einer Beinachsenumstellung versucht oder auch damit, dass ich ein halbes Jahr die Belastung komplett heruntergefahren habe. Am Ende waren auch die Ärzte ein bisschen ratlos, da wir eigentlich alles versucht hatten und man nicht mehr wusste, was man noch tun könne.
Wie erging es Ihnen in dieser unklaren Zeit?
Fritsch: Ich habe nur dafür gelebt, dass ich am nächsten Tag wieder halbwegs aufrecht zum Rehatraining erscheinen konnte. Mein Tag bestand aus trainieren, sich durchquälen und nach Hause fahren, wo schon meine Freundin mit den Kühlmanschetten für die Knie parat stand, damit mir ein weiterer Tag Training ermöglicht wird.
Ab wann war dann Ihr Karriereende endgültig?
Fritsch: Ich habe mich mit Mannschaftsarzt Doktor Braun getroffen, um mit ihm weitere Schritte zu besprechen - beispielsweise Cortison oder Ähnliches zu spritzen, was ich bis dato nie wollte. Das war zu der Zeit, als ich zuvor sechs Monate lang nur extrem gering belastet habe. Es hätte sich also nichts verschlimmern dürfen. Wir haben dann MRT-Bilder zur Kontrolle gemacht und leider festgestellt, dass sich die Knochenödeme sowie die Knorpel- und Meniskusschäden vergrößert haben. Danach war klar, dass ich damit auf keinen Fall mehr Fußball spielen kann.
Das war im Februar 2018. Inwiefern hat Sie diese Nachricht wie vom Blitz getroffen?
Fritsch: Ich hatte es überhaupt nicht erwartet. Stattdessen wurde noch am gleichen Tag die Berufsgenossenschaft informiert. Diese ganze Zeit war für den Kopf ohnehin fast unmöglich zu ertragen. Ich hätte nie aufgehört, wenn mir nicht jemand gesagt hätte, dass ich aufhören muss und keine andere Wahl mehr habe.
War das Ende nach dieser Odyssee für Sie nicht auch irgendwie absehbar?
Fritsch: Für alle anderen vielleicht schon, aber für mich nicht. Ich würde auch jetzt noch weitermachen, wenn es diesen Tag nicht gegeben hätte. Letztlich bin ich aber froh, dass man ehrlich zu mir war und die Reißleine gezogen hat. Hätte ich damals weitergemacht, wüsste ich nicht, ob ich heute noch normal laufen könnte.
Wie haben Sie die kommenden Wochen daraufhin verbracht?
Fritsch: Es war brutal belastend, da es ja bis zum Beginn der Ausbildung sieben Monate waren, in denen ich genug Zeit hatte, um darüber nachzudenken. Der Doc meinte, ich solle in den Urlaub fliegen, um den Kopf frei zu bekommen. Ich stand am nächsten Tag aber wieder beim Training auf der Matte, weil ich es nicht wahrhaben wollte und nicht glauben konnte, von jetzt auf gleich nicht mehr trainieren zu können. Es war gut für mich, dass ich weiter Zugang zum Trainingsgelände hatte. So gab es keinen Cut in meinem Leben, weil ich einfach weiterhin das tat, was ich das halbe Jahr zuvor auch tat.
Ex-BVB-Talent Fritsch: "Ich habe nie damit gehadert"
Das klingt irgendwie skurril, wenn man bedenkt, dass man sich fragen könnte: Wofür nur haben Sie dann noch trainiert?
Fritsch: Das kann ich gar nicht sagen. (lacht) Ich habe es gemacht, weil ich es immer gemacht habe und Spaß daran hatte. Ich wusste zwar, dass ich keinen Fußball mehr spielen konnte, aber ich wollte so wenig ändern wie möglich. So war es schlicht einfacher für mich. Erst mit dem Beginn der Ausbildung wurde mir das Karriereende so richtig bewusst, da ich dann nicht mehr die Zeit hatte, um am Trainingsgelände zu sein und die Leute dort zu sehen. Damit hatte sich mein komplettes Leben geändert.
Ein Karriereende mit nur 19 Jahren - gibt es heute Augenblicke, in denen Sie sich nur schwer mit Ihrem Schicksal abfinden können?
Fritsch: Ich habe nie damit gehadert oder gar andere dafür verantwortlich gemacht. Ich denke darüber sehr sachlich und verfalle auch nicht in Was-wäre-wenn-Szenarien. Natürlich gibt es Momente, in denen ich mich ärgere, doch am wichtigsten ist, dass ich damit nicht in eine negative Phase komme. Ich denke beispielsweise auch genauso oft daran, dass es nicht selbstverständlich war, was ich als Spieler erleben durfte.
imago imagesWie empfinden Sie, wenn Sie jetzt als Teil des Trainerteams die jungen Spieler sehen, die alle demselben Traum nachjagen, den auch Sie geträumt haben?
Fritsch: Die Arbeit dort ist für sie und mich eine gute Sache, denn mein Schicksal hat ja indirekt mit ihnen zu tun, da sie dasselbe wollen wie ich es wollte. Ich sehe es als meine Hauptverantwortlichkeit an, einen emotionalen Beitrag zu leisten und den Spielern klarzumachen, dass sehr, sehr viele andere Jungs in diesem Alter sehr viel geben würden, um in ihrer Situation zu sein. Denn ich weiß eben aus eigener Erfahrung, dass man dieses Privileg in dem Moment nicht so wertschätzt, wie man es eigentlich sollte.
Herr Fritsch, mit 16 haben Sie Testspiele bei den BVB-Profis absolviert, drei Jahre später war Ihnen das Fußballspielen unmöglich geworden. Wo wollen Sie heute in drei Jahren stehen?
Fritsch: Ich werde meine Ausbildung auf jeden Fall durchziehen und möchte nebenbei meine Erfahrung im Trainerbereich vergrößern. Ich würde mir wünschen, dass ich das langfristig weiter ausbauen kann. Ich will im Fußball bleiben.