Bei den unverhofften EM-Titelkandidatinnen floss im sommerlichen London erst die Sonnencreme, dann der Schweiß in Strömen. Zurück auf dem Trainingsplatz des Grasshoppers RFC richteten die beflügelten deutschen Fußballerinnen in neuer Rolle ihren Fokus voll auf den nächsten Kracher gegen Spanien.
Die Initialzündung gegen Dänemark verlieh derart Selbstvertrauen, dass der Aufstieg in den Top-Favoritenkreis den Sportlichen Leiter sogar zu einer kleinen Kampfansage verleitete. "Wir wollen mit einem Selbstverständnis spielen, dass wir die Mannschaft sind, die entscheidet, wer hier Europameister wird", erklärte Joti Chatzialexiou, der zum Auftakt beim 4:0 (1:0) "das beste Spiel" der DFB-Frauen in seiner Verantwortung gesehen hatte.
Doch mit den hoch gehandelten Spanierinnen, die ohne die verletzte Weltfußballerin Alexia Putellas auskommen müssen, erwartet die deutsche Auswahl am Dienstag (21.00 Uhr/ARD und DAZN) ein anderes Kaliber als Dänemark. "Sie werden versuchen, über Ballbesitz dominant zu sein, wir werden versuchen, ihnen das Leben schwer zu machen, aber unser Spiel durchzuziehen", sagte Co-Trainerin Britta Carlson.
Sie sah nach der beeindruckenden Vier-Tore-Gala auch noch Luft nach oben. "Das eigene Spiel können wir sicherlich forcieren und bei der Chancenauswertung haben wir auch noch Potenzial", sagte die Ex-Nationalspielerin am Rande der Trainingseinheit am Sonntagvormittag, in der das Bayern-Duo Lina Magull (leichte Oberschenkelprobleme) und Sydney Lohmann (leichte Kniebeschwerden) als Vorsichtsmaßnahme nur individuell trainierte.
DFB-Kapitänin Alexandra Popp gegen Spanien wohl von der Bank
Ein zweiter Sieg im Brentford Community Stadium könnte unter Umständen schon den Gruppensieg bringen, so könnte das DFB-Team womöglich den Engländerinnen in Gruppe A aus dem Weg gehen. Die deutschen Spielerinnen sind jedenfalls hochmotiviert. "Man hat gesehen, wo Spanien anfällig ist. Wenn wir wieder aggressiv in den Zweikämpfen sind, bin ich sehr zuversichtlich", sagte Alexandra Popp mit Blick auf Spaniens 4:1 gegen Außenseiter Finnland zum Auftakt.
Die Kapitänin wird nach ihrem emotionalen EM-Debüt mit typischem Kopfballtor (86.) vorerst mit der Rolle als Edeljoker leben müssen, die laufstarke und topfitte Bayern-Stürmerin Lea Schüller traf ebenfalls (57.). "Wir haben versucht, einen Weg zu finden, Poppi den Glauben zu geben, dass wir sie in ihrer ganzen Art in diesem Turnier brauchen - wenn auch nicht im ersten Spiel über 90 Minuten, vielleicht auch nicht im zweiten oder dritten", ließ Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg durchblicken.
Auch ohne die so routinierte 115-malige Nationalspielerin in der Startelf zeigten sich spanische Medien zutiefst beeindruckt vom dominanten EM-Start des zuvor schon ein wenig abgeschriebenen Rekordeuropameisters. "Deutschland walzt Dänemark nieder", schrieb Marca und behauptete, Spanien sei in "Angst und Schrecken versetzt".
DFB-Präsident Bernd Neuendorf will Deutschland im Halbfinale sehen
Direkt nach dem Ausrufezeichen gegen den Vize-Europameister hatte der DFB-Präsident Bernd Neuendorf beim Mitternachtsdinner mit Burger und Pommes eine kurze Rede gehalten - nach seinem Urlaub will er zu einem möglichen deutschen Halbfinale nach England zurückkommen. "Ist doch schön, wenn er sich dann noch zwei Spiele bei der EM anschauen kann", sagte Chatzialexiou mit einem Lausbubengrinsen.
Richtung Finale in Wembley (31. Juli) soll den zweimaligen Weltmeister und Olympiasieger von 2016 auch ein EM-Hype in der Heimat tragen. "Ich hoffe, dass die Euphorie ein bisschen übergesprungen ist nach Deutschland", sagte Magull.
Fast sechs Millionen Zuschauer fieberten zum Auftakt schon mal am TV mit. Nicht nur Innenverteidigerin Marina Hegering fand es "cool, dass wir so eine Reichweite kriegen können, die haben wir ganz gut genutzt."